Donnerstag, 9. Februar 2017

Der zweite Hieb tut nicht mehr weh: "Fifty Shades of Grey - Gefährliche Liebe"


Vergeben kann schwer sein. Das trifft auf Beziehungen ebenso zu wie auf Filmreihen. Manchmal wäre es angebracht, zu verzeihen, aber die Wunden sind schlicht noch nicht in ausreichendem Maße verheilt. Andere Male vergibt man, obwohl es sich überdeutlich abzeichnet, dass man dies noch bereuen wird. Und wieder andere Male stellt sich die Frage: Hat das Gegenüber in seiner jetzigen Form es wirklich verdient, für sein früheres Ich verurteilt zu werden? Oder war das Damals tatsächlich so schlimm, dass weder jetzt noch jemals ein Demnächst gestattet werden darf?

Es ist nahezu müßig, erneut festzuhalten, weshalb die Fifty Shades of Grey-Filmreihe jegliches Vertrauen verspielt und somit denkbar schlechte Aussichten auf eine zweite Chance hat. Um es nur in Schlagworten auszudrücken: Zwischen den Hauptdarstellern hat es auf der Leinwand nicht im Geringsten gefunkt. Jamie Dornan wirkte vor der Kamera mehrmals so, als würde alles in ihm dagegen rebellieren, diese Rolle zu spielen. Die Dialoge hatten, von erschreckend wenigen Momenten abgesehen, überhaupt keinen Schwung, weshalb der Film leblos dahintrieb. Der BDSM-Kink wurde unsagbar schlecht repräsentiert. Und in den verkorksten Sequenzen wurde Christian Grey sogar eher wie ein Stalker mit Fähigkeit zu häuslicher Gewalt dargestellt, aber durch Skript und Inszenierung als verruchter Alpha-Gentleman mit pikanten Leidenschaften romantisiert. Ganz davon abgesehen, dass der Spannungsbogen einer horizontalen Linie ähnelte.

Kurzum: In den besten Momenten sah Fifty Shades of Grey gut aus und war währenddessen sterbenslangweilig. In den schlechtesten war er ein fehlgeleiteter Antiservice an einem Fetisch, der eine toxische Beziehungsdynamik in Vollmilchschokolade hüllte und dem nach romantischer Führung geiferndem Publikum als Praline kredenzte.

Kann eine Fortsetzung diesen Karren wieder aus dem Dreck ziehen? Soll, ja, darf die geneigte Zuschauerschaft dem Franchise und somit auch dem eingangs so aussichtslos dastehenden Paar Anastasia Steele & Christian Grey einen Neuanfang gönnen?

Um die moralische Komponente sogleich abzuhaken: Jein. Wer den ersten Teil nicht wie offensichtlich intendiert auffasste, sondern angesichts der missratenen Umsetzung den Film mit einer dem Film Passengers würdigen moralischen Angewidertheit abgelehnt hat, muss bereit sein, Tabula rasa zu machen. Mit Fifty Shades of Grey als Gospel im Hinterkopf handelt der zweite Film schlussendlich noch immer davon, dass eine Frau, die einer ungesundenen Beziehung mit einem gefährlichen Mann entflohen ist, nun zu ihm zurückkehrt. Da lässt es sich konsequenterweise schwer mit den Hauptfiguren mitfiebern, wenn sie das Feuer zwischen ihnen neu entfachen.

Mit etwas Gutwillen präsentiert sich Fifty Shades of Grey - Gefährliche Liebe allerdings als gänzlich anderer Film. Löschen wir das, was Sam Taylor-Johnsons Kassenschlager aus dem Jahr 2015 ist, aus unserem Gedächtnis und konzentrieren uns darauf, was er sein wollte und hätte sein können, geht bereits der bittere Nachgeschmack des Erstlings verloren. Zu Beginn des nun von House of Cards-Regieveteran James Foley inszenierten Sequels begegnen wir dann den Absichten der Filmschaffenden auf Augenhöhe. Und die beabsichtigen, die Geschichte eines in zwischenmenschlichen Angelegenheiten ungelenken, abartig reichen Mannes mit verruchten Vorlieben weiterzuerzählen, der sich in eine sexuell unerfahrene Frau verliebte, sie dann jedoch mit dem unglücklichen Mix aus einem Kindheitstrauma, situativ-panischer Überreaktion sowie einem BDSM-Fetisch verjagt hat. Das ist eine recht konstruierte Erzählung, die nicht zwingend eine ganze Roman- respektive Film-Trilogie verlangt, aber bei einem aufgeschlossenen Geist wenigstens nicht den brennenden Gedanken wachruft, das Gesehene scharf zu verurteilen.


Wer also gewillt ist, Universal Pictures und Produzent Michael De Luca die Qualität des ersten Film zu verzeihen, begegnet den Ex-Liebenden Anastasia und Christian beim Auftakt der Fortsetzung von einer gänzlich anderen, dem Filmgenuss deutlich stärker zugutekommenden Position ausgehend. Wenn es ethisch nicht weiter fragwürdig wäre, diesen Beiden eine erneute Chance zu geben, dann steht diese Erotikromanze nämlich nicht weiter von Anfang an auf verlorenem Posten.

Der erste Schritt zur Aussöhnung mit der Fifty Shades of Grey-Kinosaga wäre damit getan. Die nächsten Schritte müssen indes James Foley, sein Ensemble und seine Crew leisten. Eben diese Schritte tätigen sie allerdings nicht ohne diverse Male zu stolpern. Mal brutal, andere Male erholt sich die 55-Millionen-Dollar-Produktion wieder rasch. So gibt es in dem Film einen derben erzählerischen Sprung, der die Immersion der Handlung zum Bersten bringt und die Vermutung, dass eine Szene fehlt, fast schon auf die Leinwand wirft: Anastasia und Christian stehen vor der Frage, ob sie einem Arbeitswochenende in New York einwilligen sollte. Das Paar wird sich einig, in der nächsten Szene wird diese Einigung verworfen und Anastasia präsentiert das Gegenteil als Lösung - ohne dass Foley oder Hauptdarstellerin Dakota Johnson dies als Sinneswandel erscheinen lassen. Die Folge dessen: Die vorhergegangenen Szenen sind plötzlich sinnlos, der Storyfaden zerfranst.

Gegen Schluss leisten sich die Verantwortlichen zudem einen unfassbaren Fremdschammoment, wenn sie eine kurze, bemüht herbeigeschriebene Spannungsspitze über das Schicksal des von Jamie Dornan verkörperten Millionärs mit einer eher an Filmparodien erinnernden Leichtigkeit auflöst - inklusive spitzenmäßigem Auftreten des Hauptdarstellers, der so aussieht, als hätte er sich schlimmstenfalls beim Joggen ein paar Runden zu viel zugemutet und dann an einem niedrigen Türrahmen kurz den Kopf gestoßen.

Es spricht jedoch Bände, dass diese zwei "Ist das gerade wirklich passiert?"-Momente tatsächlich die zwei eklatantesten Mängel an Fifty Shades of Grey - Gefährliche Liebe sind. So sorgt ausgerechnet Niall Leonard, der Ehemann der eine grauenhafte Prosa aufs Papier bringenden E.L. James, dafür, aus James' grobschlächtig verfassten Vorlage ein Skript zu formen, das sich meilenweit vom Schnarchfetzen entfernt, den der Erstling darstellt. Leonard legt den sich in stotterndem Tempo wieder annähernden Liebenden Dialoge in den Mund, die an dieser Stelle das neu erschaffene Etikett "Glamour Akwardness" verpasst bekommen sollen: Anastasia und Christian bezirzen einander, bremsen sich plötzlich wieder aus und spornen sich dann plötzlich gegenseitig zu neuer Leidenschaft an - all dies in glatt polierten, aber sympathischen Hollywood-Dialogen. Jedenfalls dann, wenn sie mit ihrer Wortwahl nicht in ein Fettnäpfchen trampeln.

Ganz gleich, ob Anastasia, die von Christian überrumpelt und zum Essen eingeladen wird, verlegen vor sich hinstammelt "Okay, wir gehen essen, aber nur weil ... ich hab Hunger" oder einer von Beiden den anderen mit einem überromantischen oder verwegenen Spruch beeindrucken will, der allerdings die beabsichtigte Wirkung brutal verfehlt: Immer wieder sind die Dialoge in unangebrachten Momenten durch Fremdschamwirkung ziemlich komisch. Doch die pointierte Weise, mit der Leonard zu diesen ungewollt lustigen Passagen hinleitet, die verschmitzt-verspielte Darbietung von Johnson und Dornan sowie Foleys Raum für Schmunzler lassende Regieführung macht deutlich: Diese Szenen sollen lustig sein. Sie ahmen, durch ein Hollywood-Hochglanz-Prisma gefiltert, diese kleinen, amüsant-peinlichen Wortwechsel nach, die Verliebte im Alltag nun einmal durchmachen. Und ist nicht genau so etwas die Aufgabe eines Romantikfilms?

Ein Unterschied wie Tag und Nacht ist zwischen diesem Film und seinem Vorgänger dennoch nicht auszumachen. Eher einer wie Tag und Spätabend, denn partiell verleiten die Dialoge auch in Augenblicken zur Fremdscham, in denen sie deplatziert ist. Überdeutlich ausformulierte Exposition, ungelenke Wortwiederholungen innerhalb weniger Augenblicke, Figuren, die laut aussprechen, was sie denken oder tun: Egal, ob der Drehbuchautor zwischendurch schluderte oder E.L. James mit dem ihr zugesicherten Mitspracherecht verhinderte, dass der Rotstift noch häufiger angesetzt wird - Fifty Shades of Grey - Gefährliche Liebe ist zwar deutlich besser geschrieben als der Vorgänger, etwas mehr Feinschliff hätte er dennoch verdient gehabt.

Das trifft nicht nur auf das Dialogbuch zu, sondern auch auf die Geschichte. Denn die von Kameramann John Schwartzman (Saving Mr. Banks) in angenehmer Weichzeichneroptik eingefangene Story setzt auf drei Minischurken, die sich alle als kleinere Problemchen entpuppen, aber mühevoll aufgebaut werden. Eine flüssige Dramaturgie kann so nicht entstehen. Vor allem Kim Basinger als beste Freundin von Christian Greys Mutter sowie dessen passiv-aggressive Erotikmentorin erweist sich eher als wandelnde, überflüssige Betonung der Figurenentwicklung, die ohne sie effizienter ablaufen würde.

Bella Heathcote als Christians zum Stalker mutierte Ex-Sub und Eric Johnson als Anastasias dubioser neuer Boss sind derweil solides, schmückendes Beiwerk: Für sich stehend nicht wirklich einschüchternd, aber sie bringen die Handlung in passabler Form voran. Entscheidender ist eh, dass James Foley die Essenz von Fifty Shades of Grey - Gefährliche Liebe deutlich versierter umsetzt als zuvor Taylor-Johnson. Gewiss, im Vergleich zu Arthouse-Sexdramen ist diese Filmreihe noch immer prüde, aber für eine an ein Massenpublikum gerichtete US-Bestselleradaption mit Budget jenseits der 50-Millionen-Dollar-Marke ist der Film sehr wohl sinnlich und wagt sich ohne Scheu in Gefilde vor, die das Mainstreamkino wenn überhaupt nur mittels schockiert-pikiertem Tonfall in Vulgärkomödien anpackt. Dass Foley die Songauswahl prägnanter unter die Filmsequenzen legt als seine Vorgängerin, obwohl diese mit markanteren Liedern arbeitete, und zwischen Johnson und dem wie ausgewechselt agierenden Dornan nun auch ein glaubwürdiges Feuer lodert, kommt den Sexszenen ebenfalls zugute.

Auch hier wäre dann und wann weniger Dialog mehr gewesen, da (anders als im Erstling) die sich ändernde Beziehungsdynamik bereits überzeugend nonverbal durch die leicht bekleidete bis unbekleidete Interaktion zwischen Anastasia und Christian vermittelt wird. Dass Foley, wie schon Taylor-Johnson, deutlich häufiger Dakota Johnsons nackten Körper in Szene setzt und den an Christian Grey interessierten Teilen des Publikums deutlich weniger Fanservice bietet, ist dahingehend natürlich etwas unglücklich. Dennoch: Nach dem faden, lahmen Original ist dieses ansehnliche Sequel eine kräftige Überraschung. Und eine wertvolle Lektion in Sachen Hollywood-Franchises. Gelegentlich rappeln sich die verkorksten Freaks unter ihnen ganz unerwartet wieder auf.

Alle Interessenten, die Fifty Shades of Grey nicht gesehen haben, sollten daher einfach mit Teil zwei anfangen. Jene, die 2015 neugierig waren, sich in den Roten Raum wagten und danach von der schalen Bestselleradaption abgeschreckt wurden, sollten einen zweiten Blick riskieren. Und wer eine gute, smarte, risikofreude Erotikromanze sehen möchte ... Ja, gut, diejenigen sollten weitersuchen. Denn selbst mit dieser beeindrucken Lernkurve zwischen Part eins und zwei ist Fifty Shades of Grey noch immer unausgereiftes Liebeskino mit verruchter Beinote. Ich aber komme von der nach Vergebung suchenden Warte aus: Ein Flop-Franchise rappelt sich ins durchwachsene Niveau auf. Darauf möchte ich lieber erstaunten Blickes ein Gläschen Sekt erheben, statt die Peitsche zu schwingen. Was sicher nicht zwingend im Sinne der Kernzielgruppe ist, aber ihr wisst doch, was ich meine ...

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