Montag, 19. Februar 2018

Oasen in der DTV-Wüste: "Peter Pan: Neue Abenteuer in Nimmerland"


Es war einmal, vor über einem Jahrzehnt, da war es noch alltäglich, dass der Walt-Disney-Konzern seine Zeichentrickklassiker nahm und mit niedrig budgetierten Fortsetzungen weitererzählte. Diese wurden von den DisneyToon Studios für den Heimvideomarkt produziert und gemeinhin im Rahmen einer Disney-untypisch kurzen Produktionsphase verwirklicht. Oder, weniger freundlich gesagt: Disney verramschte den angesehenen Ruf seines Meisterwerk-Archivs, indem das Unternehmen unambitioniert zusammengeklöppelte Video- und später DVD-Premieren veröffentlichte, die darauf warteten, dass Eltern und Großeltern mit tiefen Taschen ihren Liebsten ein hochpreisiges Geschenk in Form eines brandneuen Disney-Films machen wollen.

Aber es wäre ungerecht, die Produktionen der DisneyToon Studios in ihrer Gesamtheit als Schund abzutun. Nicht nur, dass es gelungene Ausnahmen wie Aladdin und der König der Diebe gab: Auch ganz normale Wegwerfware aus den DisneyToon Studios hat den einen oder anderen glanzvollen Aspekt zu bieten. So wie Peter Pan: Neue Abenteuer in Nimmerland, der aufgrund der positiven Resonanz innerhalb des Konzerns entgegen der ursprünglichen Pläne sogar in die Kinos entlassen wurde.

Was man bei Disney in dem Film sah, wird aber wohl für immer ein Rätsel bleiben. Vielleicht wollte man auch nur den Saatkorn eines Gedankens namens "Piraten sind toll, Yo-Ho" in die Köpfe der Menschen pflanzen, so rein vorsorglich. Wer weiß? Denn Neue Abenteuer im Nimmerland weist dieselbe grelle, wenig nuancierte Kolorisation wie die meisten DisneyToon-Studios-Zeichentrickfilme auf und mit "Das Kind einer Hauptfigur aus Teil eins" ist der Plot dem DTV-Stammpublikum ebenfalls bestens bekannt. Der Übergang zwischen Akt zwei und Akt drei, in dem Wendys Tochter Jane zwischen einem Verrat an Peter Pan sowie dem Genuss ihrer Zeit im Nimmerland hin und her gerissen ist, ist trotz der strammen Filmlaufzeit von nur 72 Minuten zäh und die Charakteranimation an Tinkerbell (respektive Naseweis in der deutschen Synchro) eher schwammig, während Peter Pan wiederholt off model erscheint. Und die CG-Elemente (vor allem der Flug durch das nächtliche London) sind ein Graus.

Aber: Jane ist eine passable Hauptfigur. Als junges Mädchen, das zuhause glaubt, aufgrund des London ereilenden Zweiten Weltkrieges frühzeitig erwachsen werden zu müssen, das aber dennoch einen nicht zu verachtenden Abenteuerdrang in sich trägt, passt sie gut in eine Nimmerland-Geschichte. Überhaupt sitzt einfach die Atmosphäre der Rahmenhandlung in London (abgesehen vom besagten Digitalflug durch den Nachthimmel). Und der Slapstick rund um einen Kraken, der es auf Hook abgesehen hat, ist zügig und eskaliert mit cartoonhafter Genüsslichkeit. Die wahre Oase in der DTV-Qualitätswüste, die sich in Neue Abenteuer in Nimmerland finden lässt, ist allerdings die Instrumentalmusik!

Neue Abenteuer in Nimmerland ist gewissermaßen der Vorbote der Tinkerbell-Filmreihe: Kitschige, uneingängige Songs - hervorragender Score aus der Feder Joel McNeelys! McNeely ist eh ein heimlicher Disney-Fortsetzungs- und Ablegerfilm-Experte, komponierte er abseits der ganzen Nimmerland-Weitererzählungen doch unter anderem die Musik zum Splash-Sequel, den Score des afro-amerikanisch besetzten Pollyanna-Remakes und die Musik von Lilo & Stitch 2. Außerdem ist McNeelys Arbeit in Teil drei und vier (!!) von Die Vermählung ihrer Eltern geben bekannt ... zu hören sowie in Cinderella III.

Und was viele Disney-Fans entweder verdrängt, vergessen oder sich schlicht nie bewusst gemacht haben: Die ungeheuerlich beliebte Feuerwerks- und Projektionsshow Disney Dreams setzt prägnant auf dezent umarrangierte Passagen aus seiner vergnüglich-verträumten Eröffnungssuite von Neue Abenteuer in Nimmerland! Es war McNeely, der die Musik zu dem Disneyland-Paris-Original geschrieben hat, und dabei komponierte er nicht nur den rührenden, epischen Abschluss, sondern überarbeitete für den Einstieg noch einmal seine für diesen DisneyToon-Studios-Film geschriebene Suite aus bekannten Nimmerland-Klängen.

Allein schon für McNeelys Musik lohnt es sich, diesen Film nochmal aus dem Regal zu kramen (oder ihn bei einem der vielen Streaminganbieter anzuklicken, wenn man's nicht so mit einer haptischen Sammlung hat). Besonders für Disneyland-Paris-Fans, die Dreams vermissen. Da werden Erinnerungen wach, von denen man vielleicht gar nicht wusste, dass sie sogar weit über die Dreams-Premiere hinausreichen!

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