Mittwoch, 28. Oktober 2020

Musikalisches Immergrün – Die besten Disney-Songs der Dekade (Teil XIII)

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Platz 15: Ich bin Vaiana ("I am Moana") aus Vaiana

Musik von Mark Mancina, Opetaia Foa'i und Lin-Manuel Miranda, Text von Opetaia Foa'i und Lin-Manuel Miranda (dt. Text von Tommy Amper)


Mit Ich bin Vaiana finden die drei musikalischen Stimmen aus Vaiana zusammen: Score-Komponist Mark Mancina, Musicalstar Lin-Manuel Miranda und der preisgekrönte Musiker Opetaia Foa'i, der zum Projekt hinzugezogen wurde, um einen authentischen südpazifischen Touch zu erhalten. Inhaltlich ist das Lied derweil quasi zugleich Staffelstabübergabe und Motivationslied: Zunächst singt Vaianas Großmutter dieses Lied der Ahnen für Vaiana, dann adaptiert sie es im Gedenken an ihre Oma und voller Stolz für sich selbst. Rührend und mit gesundem Pathos ist Ich bin Vaiana eine wunderschöne Powerballade!


 

Platz 14: Ways to be Wicked aus Descendants 2

Musik und Text von Sam Hollander, Josh Edmondson, Grant Michaels und Charity Daw


Müsste ich jemandem erklären, was der Disney Channel in den 2010er-Jahren so fabriziert hat, ich würde wohl zuallererst obiges Musikvideo zu Ways to be Wicked vorführen, dem Introsong zu Descendants 2. Denn ich wüsste keinen Clip, der kompakter zusammenfasst, wofür Disney-Channel-Eigenproduktionen dieses Jahrzehnts stehen: Extrem von Elektropop und anderen modernen Einflüssen geprägte Musik, ein junger Cast an Schauspiel-Gesang-Tanz-Dreifachtalenten, knallige Farben, Musikvideo-Sounddesign, Schul-Geschichten, pubertierende Hauptfiguren und Konzepte, die mit einem Fuß in klassischen Disney-Gefilden stehen, und mit dem anderen irgendwie flippiger, bunter oder schräger sein wollen. 


Und darüber hinaus macht mir Ways to be Wicked einfach absurd viel Spaß. Wikipedia sortiert ihn als Dance-Rock ein, äh, ja gut, meinetwegen, ich würde es dagegen als "Disney-Introsong auf kennyortegasche Disney-Channel-Logik nach vier Dosen Energy Drink, wild in einer knallig gefärbten Kunstlederjacke von einer Lautsprecherbox zur nächsten springend" bezeichnen. Aber gut, das wird wohl kein geläufiges Genre. Die Nummer ist ein gigantischer Fake-out, die eine ganz andere Story für den auf sie folgenden Film anteasert, und zugleich doch inhaltlich kohärente Etablierung von Mals Dilemma, ein laut und wild voranpreschendes Stück Zuckerschock, die kitschig-alberne, ungeheuerlich liebenswerte Disney-Channel-Vision dessen, was wohl Punk-Attitüde wäre. Gaga und genau richtig so.


Platz 13: Lost in the Magic aus Disneyland Paris

Musik von Mark Hammond, Text von Carolyn Gardner


Seit 1989 arbeitet Vasile Sirli für Disney. Seither hat sich der Rumäne zum Musikalischen Direktor des Disneyland Paris aufgeschwungen. Anfangs verfasste er auch selbst unzählige der Songs, die während Shows oder Paraden unseres europäischen Disneylands ertönt sind - und während dieser Phase entstanden auch die für mich größten Original-Ohrwürmer, die "mein Heimatpark" so zu bieten hat. Die Paradensongs nach Sirlis aktiver Zeit direkt an der musikalischen Front sind zwar auch allesamt für unzählige unvergessliche Momente zuständig (*versoffene Piratenstimme an*"Magic Everywhere!!!"*versoffene Piratenstimme aus*), jedoch dauerte es bis zum 25-jährigen Jubiläum des Disneyland Paris, bis sich ein neuer Paradensong so sehr in mein Herz, meinen Verstand und meinen Gehörgang gebohrt hat, dass ich ihn mir auch außerhalb der Tore des Pariser Disneylands immer wieder anhöre. 


Der frühere A*Teens-Produzent und Arrangeur mehrerer Alan-Menken-Kompositionen lässt im Paradensong Lost in the Magic beide Welten seines früheren Schaffens wundervoll kollidieren und erschafft eine poppige, knallige Kollision aus einem neuen klanglichen roten Faden und den zahlreichen Disney-Stücken, durch die er sich hier schlängelt. Dieser Paradensong setzt auf eine sehr künstliche, aber auch sehr kräftige Klangkulisse, die das Marschieren der Tänzertruppen und Disney-Figuren vor Ort vortrefflich begleitet und auch in den eigenen vier Wänden zumindest bei mir für ordentlich Laune und Energie sorgt. Mit Lost in the Magic fühle ich mich beim Staubwischen, Wäscheaufhängen oder Fenster- und Bodenputzen als wäre ich bei einer magischen Parade und lasse in Gedanken großartige Erinnerungen wieder aufleben.



Platz 12: Mutter weiß mehr ("Mother Knows Best") aus Rapunzel

Musik von Alan Menken, Text von Glenn Slater (dt. Fassung von Thomas Amper)

Während Rapunzel gemeinhin auf Lieder setzt, die durch Pop und Soft Rock inspiriert sind, so baten die Regisseure Byron Howard und Nathan Greno das Songwriter-Duo Alan Menken & Glenn Slater darum, auch eine broadwayeskere, klassischere Nummer zu schreiben. Und so bekam Mutter Gothel eine Schurkennummer spendiert, in der sie mit selbstdarstellerischer Genüsslichkeit all die Gefahren aufzählt, die Rapunzel angeblich außerhalb ihres Turms erwarten. Gespickt mit passiv-aggressiven Attacken, getarnt als Fürsorge, die Rapunzel kleinhalten und gefügig machen sollen, ist Mutter weiß mehr in seiner beiläufigen Garstigkeit sehr sondheimesk. Die Lyrics der Hauptversion dieses Songs reichen leider weder im Original noch in der deutschen Synchro an Sondheim-Größe heran, jedoch ist Gothel einer der wenigen Disney-Fieslinge, denen eine Reprise vergönnt ist – und die baut sich melodisch wie textlich wundervoll-fies auf. Gepaart mit dem ominöseren, kraftvolleren Arrangement ist es die Reprise, die Mutter weiß mehr in meinem Ranking auf diesen Platz schiebt. 

Platz 11: Wann fängt mein Leben an? ("When Will My Life Begin?") aus Rapunzel

Musik von Alan Menken, Text von Glenn Slater (dt. Fassung von Thomas Amper)

Der Eröffnungssong von Rapunzel ist zugleich ihr „Ich will“-Lied, wobei sich Rapunzel ihren Sehnsüchten nicht von Beginn an durch und durch klar ist: Zunächst listet das blonde Langhaar all das auf, womit es sich seine Zeit im Turm vertreibt. Und das in einer munteren, mild-flotten Art, die Andrew Lloyd Webbers Evita auf den Blumenkinderrock von Joni Mitchell treffen lässt. Das Arrangement lässt die Akustikgitarre klar in den Vordergrund treten, doch auch die Percussion ist deutlich und zunächst flippig. Erst, wenn Rapunzel allmählich aufgrund der Monotonie ermüdet und sich ihre Sehnsucht herauskristallisiert, an ihrem Geburtstag die alljährlich den Nachthimmel erleuchtenden Lichter von ganz nah zu erleben (oder gar generell mehr von all dem da draußen mitzubekommen, sollte Mutter es denn gestatten), wird die Melodie langsamer und die Streicher werden deutlicher.

Wann fängt mein Leben an? drückt Rapunzels Dilemma (sie kennt nur ein Leben, ist weitestgehend komfortabel damit, fühlt sich dennoch eingepfercht, aber aufgrund ihrer Ziehmutter hat sie Angst vor dem Unbekannten, so dass sie sich nicht im Klaren ist, ob, und wenn ja, wann sie ein Leben im Freien führen will/wird, geschweige denn ein Leben der freien Entscheidungen) auf den Punkt genau aus – und war laut Alan Menken der erste Song, der für Rapunzel geschrieben wurde. Diese Nummer bestätigte die Disney-Legende darin, den Weg einzuschlagen, die Musik im Film durch Mitchell beeinflussen zu lassen, und wurde auch im Score zu Rapunzels Leitmotiv.

Für Wann fängt mein Leben an? wurden zwei Reprisen verfasst, wobei die erste es nur auf den Soundtrack geschafft hat, während die zweite den Wendepunkt im Film markiert, an dem sich Rapunzel aus dem Turm hinaus wagt. Anfangs zögerlich, hüpft diese Reprise geradezu in immer freiere, forschere, frohere Klanggefilde und mündet in ein großartiges Gänsehaut-Crescendo. 

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