Mittwoch, 18. Juli 2012

The Raid


Mitten in den Slums der indonesischen Hauptstadt Jakarta hat der Drogenbaron Tama (Ray Sahetapy) ein Hochhaus zu seinem eigenen, nahezu uneinnehmbaren Refugium aufgebaut. Mit dem erbarmungslosen Kampfkünstler Mad Dog (Yayan Ruhian) und dem ausgebufften Andi (Doni Alamsyah) hat er zwei begnadete Handlanger zu seiner Seite, darüber hinaus sind ihm Hunderte Kleinganoven treu, die auf Befehl mit jedem Polizisten kurzen Prozess machen. Dennoch wagt sich eine zwanzigköpfige Polizeieinheit, darunter der idealistische Rama (Iko Uwais), in diese Todesfalle, um diesen Sündenpfuhl zu stürmen und Tama zu stürzen. Die ersten Stockwerke kann die mit vielen Anfängern gespickte Mannschaft noch problemlos absichern, doch dann gerät sie in einen tödlichen Hinterhalt. Die Truppe wird in einem chaotischen Gemetzel dramatisch demzimiert, bis nur noch wenige Männer übrig sind. Diese formieren sich neu und kämpfen sich ebenso verbissen wie gerissen weiter, hoffend, ihre Mission vollenden zu können ...

Seit seinen ersten Festivalvorstellungen genießt The Raid, insbesondere unter Onlinekritikern, große Achtung und es sind auch diese überschwänglichen Reaktionen von Festivalbesuchern und Internetkritikern, die dieser indonesischen Produktion in allen Ecken der Welt einen Kinostart mit durchaus beachtlicher Kopienzahl sicherte. Die positiven Stimmen zu The Raid reichen mitunter so weit, dass er als der beste Actionfilm seit Jahrzehnten bezeichnet wird – selbstredend sind solche Zitate ein Geschenk für jede Marketingabteilung, die ein Poster für eine Produktion ohne auch nur einen international bekannten Darsteller entwerfen muss.

Derartige Superlative erst einmal bei Seite gestellt, herrscht Einstimmigkeit, dass der walische Regisseur Gareth Evans mit dieser hundertminütigen Polizeirazzia ein raues Actionkonzentrat geschaffen hat, welches sich seiner Genrenatur überaus bewusst ist. Im Gegensatz zu anderen Genre-Nischenfilmen reduziert The Raid seine Alibigeschichte auf ein Minimum, um mehr Raum für ausführliche Schießereien, Messerkämpfe und von asiatischer Martial Arts beeinflusste, allerdings reale, auf Seilarbeit verzichtende Faustduelle zu schaffen. Das Minimum an Charakterisierung und Dialogen fügt sich nahtlos in die vom kargen, dreckigen Schauplatz geprägte Stimmung ein, weswegen sich in den ersten Minuten unmittelbare Dramatik und somit auch echte Anspannung einstellt.

Sobald der nur wenige, kurze Pausen nehmende Kampf der Polizeitruppe richtig in Gang kommt und die Gewaltschraube aufgedreht wird, verpufft jedoch diese raue, fast schon dokumentarische Wirkung von The Raid. Zwar ist The Raid mit seiner ungeschönten Nonstop-Action ein unverfälschter Gegenpol zu den auf Familientauglichkeit getrimmten Hollywood-Großproduktionen, über die sich viele Actionliebhaber der alten Schule aufregen, aber eine ideal ausgeführte Alternative kann ich in The Raid nicht erkennen. In den ersten vierzig bis fünfzig Minuten reiner Kampfszenen ähnelt eine Szene der anderen, immer wieder setzt Evans auf den leicht durchblickten Schockeffekt, zwei Figuren in einer Unterhaltung zu zeigen und diese plötzlich blutig zu erschießen, die direkten Mann-gegen-Mann-Scharmützel sind aufgrund der dicht an die Darsteller herangehenden Kameraeinstellungen, den ständigen Bildwacklern und der hektischen Schnittarbeit unmöglich zu überblicken. Doch auch in den Sequenzen, in denen die Kämpfe deutlicher abgebildet werden, hat dieses Gewaltspektakel keine einvernehmenden Qualitäten. The Raid besteht bloß aus einer Aneinanderreihung kurzer Kämpfe, von zwei etwas besser ausgetüftelten Kämpfen mit der Figur des Mad Dog abgesehen.

Somit fehlt The Raid eine über die gesamte Action stehende, künstlerische Dachqualität – gewissermaßen ein schlagkräftiges Stilmittel, welches 100 Minuten Action mit reduzierter Charakterentwicklung und einem hauchdünnen Alibiplot rechtfertigt. Verglichen mit anderen Action-Hochkonzentraten steht The Raid nämlich recht blass dar. Ihm mangelt es an der visuellen Poesie eines Hero, dem durchgestylten Auftreten eines Kill Bill, Vol. 1, dem selbstironischen Irrsinn eines The Transporter 2 oder Crank und selbst an der graphischen Gewaltdarstellung eines John Rambo (geschweige denn härterer Kaliber). Dadurch, dass sich The Raid, sobald der Kampf ums Hochhaus erst ins Rollen geraten ist, aber genauso wenig darum kümmert, seine semi-dokumentarische Stimmung aufrecht zu erhalten, kann nicht einmal die Realismus-Karte für diesen Actionstreifen ausgespielt werden.

Und so hämmert der speziell für die internationale Verwertung von Linkin-Park-Mitglied Mike Shinoda und Filmkomponist Joseph Trapanese aufgenommene, monotone Soundtrack durch das schwer entwirrbarre Hauen, Schlagen, Schießen und Stechen, während simpel gehaltene Figuren durch den mit immer neuen Twists Tiefe vortäuschenden Plot stapfen. Die Action ist nicht besonders genug, um alleine stehen zu können –  allerdings ist alles andere in The Raid dermaßen runtergebrochen, dass die Action als alleiniges Qualitätsmerkmal herhalten muss.

Wie The Raid so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte, ist mir schleierhaft.

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ja, endlich wieder Film Review von Sid :-)
joa, schade hatte echte Erwartungen in den Film gesteckt.

Atum4

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