Samstag, 26. April 2014

James Bond 007 – Sag niemals nie


Es gibt einen triftigen Grund, weshalb im Zusammenhang mit Bond-Produktionen stets die Rede von einer offiziellen Zählung ist. Dass betont werden muss, dass es sich bei Skyfall um den 23. "echten" Bond-Film handelt, liegt selbstredend nicht an den ersten beiden Casino Royale-Verfilmungen, schließlich ist eine davon ein TV-Streifen und die zweite eine Parodie. Nein, wenn ein Film für alle Ewigkeit die Nummerierung der Bond-Reihe zu einem verklausulierten Spielchen verdammte, dann ist dies Sag niemals nie, Sean Connerys kurzfristige Rückkehr in die Dienste des MI6, die 1983 in Konkurrenz zu Octopussy trat und sich (erfolglos) anschickte, ein alternatives Bond-Franchise aufzutun. Es ähnelt ein wenig der Konkurrenz, die die Marvel Studios heutzutage von anderen Studios erhält, die ebenfalls Rechte an Marvel-Figuren haben. Nur mit dem vehementen Unterschied, dass in beiden Reihen dieselbe Hauptfigur vorkommen sollte.

Auch wenn es letztlich nicht zu einem ewigen Wettstreit des Eon-Productions-Bond gegen den Kevin-McClory-Bond kam, so ist es bereits ein beachtliches Kuriosum der Filmgeschichte, dass es einmalig zu solch einem Duell kam. Grund dafür ist ein Rechtsstreit zwischen dem Produzenten Kevin McClory, Drehbuchautor Jack Whittingham und Bond-Schöpfer Ian Fleming. In den frühen 60ern erarbeitete das Trio ein Konzept für einen Bond-Kinofilm, welches sich jedoch als technisch zu anspruchsvoll erwies. Die immensen erwarteten Kosten führten somit zur Einstellung des Projekts. Fleming verwertete allerdings das Konzept (ohne Nennung seiner Partner) im Roman Thunderball. Es folgten zahllose rechtliche Schritte gegen Fleming, außerdem suchten die Produzenten der danach entstandenen, regulären Bond-Reihe nach Optionen, dennoch Thunderball zu verwirklichen. McClory betätigte sich somit als Produzent an Thunderball aka Feuerball, außerdem erhielt er die Genehmigung, nach mindestens zehn Jahren Wartezeit eine eigene Version des Films in die Kinos zu bringen. Dieses Vorhaben erwies sich jedoch sowohl aus lizenzrechtlichen Gründen als schwierig, als auch aufgrund der Gewissensbisse, die viele Kreative hatten, einen "inoffiziellen" Bond-Film anzupacken. Auch Eon geriet in der Zwischenzeit in eine lizenztechnische Grauzone und musste so den für den Thunderball-Roman erdachten Superschurken Blofeld aufgeben.

Die Querelen, welche die Vorproduktion von Sag niemals nie prägten, sind umfangreich und spannend, weshalb sie ein eigenes Buch füllen könnten. Wichtig ist jedenfalls: Schlussendlich konnte McClory niemand Geringeres als Sean Connery für die Hauptrolle verpflichten. Somit gewann der Wettstreit neue Schärfe: Der Ur-Bond gegen den nunmehr dritten Darsteller der Eon-Reihe, in Nebenrollen reihten sich an Connerys Seite unter anderem Max von Sydow und Klaus Maria Brandauer ein und hinter der Kamera trumpfte Sag niemals nie zudem mit Das Imperium schlägt zurück-Regisseur Irvin Kerschner auf. Kurzum: Eigentlich hätte Sag niemals nie locker das Bond-Battle gewinnen müssen.

In der Umsetzung sah es jedoch anders aus. Die Story, eine Connerys Alter angemessene Aktualisierung des Feuerball-Plots, ist immerhin solide und kann sich auf dem Papier mühelos mit Octopussy messen: Bond muss nach einem gescheiterten Trainingseinsatz in ein Erholungssanatorium, um sich zu entschlacken und zu generieren. Dort beobachtet 007 allerdings einige mysteriöse Geschehnisse, die ihn auf die Spur SPECTREs bringen. Die diabolische Verbrecherorganisation plant, zwei Nuklearsprengköpfe in ihre Gewalt zu bringen und absurde Lösegeldsummen zu fordern. Widerwillig muss M Bond zurück in den Dienst versetzen, woraufhin er sich gemeinsam mit Domino Petachi, der Lebensgefährtin des SPECTRE-Mitglieds Maximilian Largo, an die Fährten der Verbrecher haftet ...

Dieses Story-Grundgerüst lädt zu spannenden Verfolgungsjagden, knackigen Verhören und eine weltumspannende Reise ein, außerdem ermöglicht es bei den Nebenfiguren Unklarheiten, auf welcher Seite sie stehen, was dem Agentenspaß wiederum zusätzliche Würze verleiht. Klar, es ist kein revolutionärer Plot, aber einer, der weniger forciert ist als der von Octopussy und trotz der nuklearen Bedrohung und dem üblichen, megalomanischen Erpressungsgedanken SPECTREs bodenständiger als das, was der Eon-Bond-Film mit seiner Amazoneninsel zu bieten hat. Hinzu kommen die technischen Fortschritte, die seit Feuerball  gemacht wurden, was bessere, dynamischere Actionszenen im Unterwasser-Klimax des Films erlaubt. Und ja, all diese Zutaten zünden auch in Sag niemals nie: Die Schauplätze sind ansprechend, die Gründe für die Weltreise nachvollziehbar, die Untwerwasserszenen sind technisch aufwändiger als in der Vorlage dieses 007-Einsatzes und Kim Basinger als Domino Petachi sowie Barbara Carrera als dubiose Fatima Blush geben durchaus kurzweilige Performances ab.

Und dennoch ist Sag niemals nie ein dröger Agentenfilm, der durchweg so wirkt, als sei er aus purem Trotz, ganz ohne eigene Ambitionen aus dem Boden gestampft worden. Da wären die einschläfernd lustlosen Darbietungen von Max von Sydow und Klaus Maria Brandauer in den Schurkenrollen, die jedes Gefühl der Bedrohung im Keim ersticken, oder die steifen Szenen mit Q, M und Miss Moneypenny, die nichts vom Esprit der Originalreihe versprühen. Im Falle von Q sind diese Szenen sogar recht bitter inszeniert und haben einen entnervten Subtext: Q will diesen Job gar nicht wirklich haben. Was womöglich als Metareferenz geplant war oder einfach nur als "der erwachsene Gegenentwurf" zu den verspielten Eon-Szenen mit Q ist wegen des forcierten Skripts und der trägen Darstellung aber schlichtweg ein Bremsklotz in diesem über zwei Stunden langen Film.

Die schwächste Sequenz in Sag niemals nie aber zeigt Bond, wie er von Largo in einem Casion zu einer Partie "Domination" herausgefordert wird. Einem lächerlichen, komplizierten Hologramm-Videospiel, das von Kershner in zähen Bildern eingefangen wird. Keine Musik, nur nervige Game-Soundeffekte, bemühtes Schauspiel von Connery und keinerlei Spannungsbogen - auch völlig davon abgesehen, wie mies die Szene gealtert ist, ist sie albern, langweilig und peinlich. Nur einen Hauch besser ist das Intro zum Film, das mit einem nervigen, weichgespülten Titelsong daherkommt und Bond bei einem brutalen Einsatz zeigt, der sich dann aber als Trainingsmission entpuppt. Die innere Logik dieser Sequenz will sich nicht erschließen und ebenso wenig kommt bei der großen Bild/Ton-Schere ein echtes Bond-Feeling auf. Generell sind die Actionszenen enttäuschend und antiklimatisch. Abgesehen von einem halsbrecherischen Pferdestunt, der sogleich Tierschützer auf den Plan rief.

Am besten ist Sag niemals nie mit Abstand in den ersten 30 Minuten nach der Introsequenz. Mit viel Selbstironie wird hier die Figur des James Bond dekonstruiert (ohne zur Selbstpersiflage zu verkommen) und Sean Connery bekommt mehrere Steilvorlagen geliefert, mit rauem Charme zu begeistern. Danach plätschert diese Agentengeschichte jedoch lustlos vor sich her. Connery selbst gibt zwar eine bessere Figur ab als in seinem letzten EON-Film, als Gesamtwerk dagegen zählt Sag niemals nie zu Connerys magersten 007-Einsätzen.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen