Samstag, 13. August 2016

Eddie the Eagle – Alles ist möglich



Die Olympischen Winterspiele 1988 gehören wohl zu den denkwürdigsten der Sportgeschichte: Unter anderem sorgte in diesem Jahr eine Bobmannschaft aus dem tropischen Jamaika für Wirbel. Diese ultimative Underdog-Geschichte einer Gruppe von unerfahrenen Sportlern, die sich in einer Disziplin zu beweisen versucht, die in ihrer Heimat keinerlei Standing hat, inspirierte wenige Jahre später einen Kinofilm: Jon Turteltaubs Disney-Sportkomödie Cool Runnings von 1993. Glaubt man den Pressestatements, die Kingsman – The Secret Service-Regisseur Matthew Vaughn zum Besten gegeben hat, war es dieser Film, der ihn dazu gebracht hat, nun eine ähnlich gelagerte Produktion anzupacken: Als er sich eines Abends mit seinen Kindern Cool Runnings angesehen hat, war er nach eigener Aussage völlig begeistert – und zudem erschüttert, dass niemand mehr solche Werke ins Kino bringt. Also hat er es sich zur Aufgabe gemacht, selber so einen Film zu verwirklichen. Und zwar über den Skispringer Michael „Eddie the Eagle“ Edwards, der ebenfalls bei den Olympischen Winterspielen von 1988 die Presse und die Öffentlichkeit mit einer außergewöhnlichen Geschichte in seinen Bann zog.

Seit seinen frühsten Kindstagen träumt Eddie Edwards (Taron Egerton) davon, Olympionike zu werden. Aufgrund seiner Ungeschicklichkeit, seiner Sehschwäche, seiner schwachen Knie und seiner nicht gerade athletischen Statur ist Eddie aber in den Augen vieler ein verlorener Fall. Von ihm selbst abgesehen glaubt nur seine Mutter (Jo Hartley) an ihn, selbst wenn er in einer Disziplin nach der nächsten versagt. Erst, als er eines Tages das Skifahren für sich entdeckt, macht sich Hoffnung bereit. Diese wird Jahre später jäh vom britischen Olympiakomitee zerstört, als er trotz guter Leistungen aufgrund seiner tölpelhaften Art aus dem Team geschmissen wird. Eddie lässt sich von diesem Rückschlag aber nicht lange aufhalten: Als er erfährt, dass er es dank veralteter Regeln als Skispringer zu den Olympischen Spielen 1988 schaffen könnte, macht er sich nach Garmisch-Partenkirchen auf, um den halsbrecherischen Sport im weltbekannten Skispring-Trainingszentrum zu erlernen. Dort legt sich Eddie erwartungsgemäß unentwegt auf die Nase, was den trunkenen Pistenwart und Ex-Skispringer Bronson Peary (Hugh Jackman) gegen ihn aufbringt. Alsbald bilden die beiden Außenseiter des Skisprung-Trainingsgeländes jedoch ein ungleiches Duo, das sich vornimmt, es den überheblichen Profis zu zeigen ...

Auch hinter den Kulissen ist Eddie the Eagle eine kleine Underdog-Geschichte: Da sich Matthew Vaughn keine familientaugliche Regiearbeit zutraut, übergab er den Posten an seinen Freund Dexter Fletcher, um selber bloß als Produzent zu fungieren. Der hauptsächlich als Schauspieler tätige Fletcher inszenierte bislang lediglich die positiv besprochenen, in den Kinos aber kaum gesehenen Nischenfilme Wild Bill und Sunshine on Leith. Das erklärt wohl auch, weshalb nicht er, sondern Vaughn in den Promomaterialien eine prominente Nennung erhält. Mit dieser 23-Millionen-Dollar-Produktion beweist Fletcher jedoch, dass er nicht unterschätzt werden sollte: Der 50-Jährige fängt mit Eddie the Eagle das gut gelaunte, anspornende Feeling typischer Disney-Sportkomödien ein, ohne dabei seinen Film zu einer schalen Kopie verkommen zu lassen.

Mit Texteinblendungen in einer verstaubten 80er-Schriftart und einer von Synthesizern bestimmten, kühlen, jedoch beschwingten Instrumentalmusik aus der Feder von Matthew Margeson verleiht Fletcher Eddie the Eagle ein intensives Retro-Feeling. So sehr, dass man fast gewillt wäre, zu glauben, dass dieser Film kurz nach den Olympischen Winterspielen von Calgary entstanden ist – würde nicht die Präsenz heutiger, prominenter Darsteller verraten, dass er aus der Jetztzeit stammen muss. Diese sind, selbst wenn sie der Illusion eines wiederentdeckten, filmischen Relikts nicht zugute kommen, allerdings perfekt gecastet: Kingsman – The Secret Service-Hauptdarsteller Taron Egerton versinkt völlig in der Titelrolle und meistert scheinbar mühelos den Spagat zwischen dick aufgetragenem Humor und ehrlicher Verneigung vor dem Mann, dessen Lebensgeschichte hier frei nacherzählt wird.

Mit vorgeschobenem Unterkiefer, verkniffenen Augen und polterndem Slapstick wirkt es eingangs so, als spiele Egerton bloß eine Karikatur – jedoch ist diese nicht ernstzunehmende, amüsante Oberfläche nötig. Immerhin wirkte auch der echte Eddie the Eagle auf viele Menschen im Sportzirkel genau so. Wenn sich Egerton alias Eddie dann aber mit versiertem Blick, stolz geschwellter Brust und auf einmal nicht mehr brüchiger, sondern sicherer Stimme einer Herausforderung stellt, wird klar, dass er sein Rollenvorbild ernst nimmt. Ebenso, wie diese Szenen verdeutlichen, wie unerschütterlich der olympische Gedanke ist, der Eddie the Eagle innewohnt. Sein (fiktionaler) Trainer Bronson Peary ist derweil eine perfekt auf Hugh Jackman zugeschnittene Figur: Grummelig, aber jovial, ungestüm, aber mitreißend und liebenswert.

So gut die Beiden bereits für sich genommen sind – gemeinsam blühen sie erst so richtig auf: Wie schon in Kingsman – The Secret Service beweist Egerton auch in Eddie the Eagle als Schüler eine bestechende Chemie mit seinem Leinwandmentor. Und genauso wie Egertons Zusammenspiel mit Colin Firth ist seine Interaktion mit Jackman sowohl von spritzigem Dialogwitz geprägt, als auch dahingehend glaubwürdig, dass sich beide Figuren allmählich sympathisch werden. Das Drehbuch von Sean Macaulay und Simon Kelton durchläuft zwar die üblichen Stationen einer inspirierenden Sportkomödie, allerdings wirkt der Handlungsverlauf nie erzwungen, sondern ergibt sich flüssig aus der zuvor eingeführten Mentalität der Figuren. Mit Details, wie Eddies Vater abfälliger Haltung gegenüber den Bemühungen seines Sohnes und Pearys Vergangenheit als in Ungnade gefallener Spitzensportler, lehnen sich Macaulay und Kelton (ob bewusst oder unbewusst) trotzdem deutlich in Richtung Cool Runnings. Ein kleiner Verweis auf die bobfahrenden Jamaikaner erweist sich dafür als sympathischer Tribut an die andere Irrsinnsgeschichte von Calgary, so dass diese expliziten Gemeinsamkeiten der beiden Filme nicht weiter stören.

Eine weitere Parallele zwischen Eddie the Eagle und dem Disney-Evergreen: Der stets humorvolle, leichtgängige Tonfall ermöglicht es beiden Filmen, ihre „Gib niemals auf!“-Botschaft unpathetisch zu vermitteln. Eddies Leistungen als Skispringer werden von Fletcher nie so inszeniert, als seien sie bahnbrechend. Stattdessen fängt Kameramann George Richmond Eddies von Stolz erfülltes und erleichtertes Gesicht sowie die staunenden Massen ein, um zu zeigen, wie unfassbar es ist, dass dieser unerfahrene Typ überhaupt seinen Sprung geschafft hat. Hinzu kommt Eddies ulkige Jubelei, die ihn 1988 zu einem der Olympia-Publikumslieblinge gemacht hat, und schon wird deutlich, dass es in diesem Film darum geht, sich selbst etwas zu beweisen: Hier geht es nicht um eine „Von der 0 zum Champion“-Story. Es ist, wie ein launig geschriebener Monolog in diesem Film aussagt, generell nicht von Belang, der Beste zu sein. Wichtiger ist es, sein Bestes zu geben. Und das ist ein ebenso anspornender wie aufmunternder Gedanke.

Fazit: Eddie the Eagle – Alles ist möglich ist die beste Sportkomödie des bisherigen Jahrzehnts: Mit sympathischen Darstellern, viel Humor und einer leichtfüßigen „Gib dein Bestes!“-Botschaft ist dieser Filmspaß ein regelrechter Überflieger.

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