Samstag, 10. September 2016

Triple 9


Es gibt sie noch immer: Die dreckigen, mittelgroßen Actionthriller aus Hollywood, die mit rauen Gewaltspitzen und moralisch kaputten Hauptfiguren ein Gegengewicht zum Actionkino für die breite Masse darstellen. Triple 9, inszeniert von The Road-Regisseur John Hillcoat, zählt zwar nicht zu den denkwürdigsten Vertretern dieser Gattung, seinen Schwächen zum Trotz ist dieser Copthriller aber immerhin ein ansehnlicher „Throwback“. Also ein Film, dessen Feeling an vergangene Kinozeiten erinnert. Wären da nicht die zahlreichen heutigen Darsteller, die vor der Kamera herumrennen und fluchen, so könnte man glatt glauben, auf der Leinwand einen verloren gegangenen und nun wiederentdeckten, ganz passablen 80er-Actioner der härteren Gangart zu sehen.

Im von Gangkonflikten zerrütteten Atlanta hat die russische Mafia die Oberhand. Nicht zuletzt deshalb, weil Anführerin Irina Vlaslov (Kate Winslet) über ein Ass im Ärmel verfügt: Der Special Agent Michael Atwood (Chiwetel Ejiofor) ist ihrer Schwester Elena (Gal Gadot) verfallen, hat sogar ein Kind mit ihr. Und um seinen Sohn endlich wiedersehen zu können, tut Michael einfach alles, was von ihm verlangt wird. Irina begnügt sich allerdings nicht etwa damit, dass Michael und seine Polizistenfreunde Marcus Belmont (Anthony Mackie) sowie Jorge Rodriguez (Clifton Collins Jr.) der russischen Mafia freies Geleit geben müssen. Nein. Sie drängt Marcus und seine moralisch flexiblen Cop-Kumpels sowie Ex-Soldat Russel Welch (Norman Reedus) dazu, für sie knifflige Raubüberfälle zu bewerkstelligen. Das unfreiwillige Bankräuber-Team holt noch Russels Bruder Gabe Welch (Aaron Paul) ins Boot, und auch wenn die Gruppe den Dreh raus hat, wollen sie nur noch eins: Dass dieses Elend endlich aufhört. Doch Irinas letzter Auftrag ist nahezu unmöglich über die Bühne zu bringen. Nur ein „Triple 9“-Code könnte genügend Ablenkung mit sich bringen. Und mit dem übertrieben engagierten, integren neuen Polizisten Chris Allen (grundsolide: Casey Affleck) scheint auch das perfekte Opfer gefunden …

Drehbuchautor Matt Cook lässt in Triple 9 diverse Leerstellen: Während der von 12 Years a Slave-Hauptdarsteller Chiwetel Ejiofor gespielte Michael für sein Handeln eine klar erkenntliche Motivation aufweist, ist es beim Rest der Gang Interpretationssache, weshalb sie sich auf Irinas Forderungen einlassen. Ist es Treue gegenüber Michael, Angst vor der Mafia, die innerlich bebende Lust am Verbotenen? Mögliche Erklärungen werden, wenn überhaupt, nur bruchstückhaft gegeben, was bis zu gewissem Grad sogar vorteilhaft ist, da Triple 9 ohne übermäßige Erläuterungen zügiger vorangeht und die Unerklärlichkeit einzelner Aspekte das desolate, moralisch vermoderte Grundgefühl von Story, Setting und Figurenensemble stützt. The First Avenger: Civil War-Mime Anthony Mackie etwa legt seine Rolle eh so an, dass er hinter seiner Fassade des routinierten, fast schon entnervten Polizisten eine Lust an Destruktion verbirgt, weshalb er kein Mitleid mehr kennt. Trotzdem überstrapazieren Cook und Hillcoat die Plausibilität ihrer Prämisse, wenn sie gleich vier Figuren einen Polizistenmord planen lassen, weil ein gemeinsamer Bekannter (zu dem sie teils nur beiläufige Bindungen haben) unter dem Pantoffel der Mafia steht.

Diese Tendenz zu konstruierten Ergebnissen, denen nur dünne Erklärungen vorangehen, beraubt insbesondere dem Abschluss des Films seine Wirkkraft: Die dramatischen Nachwehen der vorhergegangenen Turbulenzen beruhen vermehrt darauf, dass Figuren (darunter der von Woody Harrelson gespielte, immens coole Chaos-Ermittler Jeffrey Allen) nun doch an zuvor schwer erreichbare Informationen gelangen oder einfach zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sind. Die Auseinandersetzung mit den ethischen Abgründen der Protagonisten wird so zu einer Zufallsgeschichte verwässert.

Auf dem Weg zum lauen Abschluss liefern Hillcoat und sein Cast jedoch gute, harte Action ab: Wenn die auf die falsche Seite des Rechts abgeglittenen Hauptfiguren einen Überfall begehen oder Marcus ausnahmsweise seinen beruflichen Pflichten nachgeht und einen Gangster jagt, hämmert das Sounddesign. Die dynamische, doch nicht haltlos verwackelte Kamera treibt das Adrenalin nach oben, während ein vergleichsweise ruhiger Schnitt für Übersichtlichkeit sorgt. Hillcoat hält indes auf die schwitzig-blutig-versifften Aspekte des Geschehens drauf, akzentuiert die sauber orchestrierte Action mit dreckigen, grafischen Gewaltspitzen.

Die unter anderem von Atticus Ross (The Social Network) verantwortete Instrumentalmusik unterstreicht das Gezeigte zwar effizient, fällt dabei in ihrer sonorer Finsternis aber austauschbar aus. Ähnlich sieht es mit den Frauenrollen aus: Gadot, Winslet und Teresa Palmer verkörpern allesamt jeweils einen Stereotyp (Tussi, herrische Matriarchin, verständnisvolle Gattin) und sind somit kaum mehr als lebende Plot-Antriebfedern. All das kann nicht von der bestechend-grimmen Atmosphäre ablenken sowie von den packenden Actioneinlagen – vor allem das zerstörerische, wilde Opening brennt sich ins Gedächtnis. Actionliebhaber, die sich nach rauerer Kost sehnen, kommen also auf ihre Kosten. Eine Renaissance wird Triple 9 aber gewiss nicht auslösen.

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