Montag, 22. Mai 2017

Die glorreichen Sieben


Seit nunmehr 15 Jahren zehrt der US-amerikanische Filmemacher Antoine Fuqua von der äußerst positiven Reaktion auf seine dritte Langfilmregiearbeit, Training Day. Der Polizistenthriller mit Ethan Hawke und Denzel Washington, der in moralische Abgründe blickt, erntete nicht nur positive Kritiken, sondern generierte zudem beachtliche Einnahmen an den Kinokassen. Darüber hinaus wurde Training Day mit einem Academy Award für Denzel Washingtons Darbietung als Hauptdarsteller bedacht, obendrein erhielt Hawke eine Oscar-Nominierung als Nebendarsteller.

Seither wird Fuqua in Promomaterialien stets ehrfürchtig als „Regisseur von Training Day“ bezeichnet – was jedoch nicht nur an den Wellen liegt, die der Thriller schlug, sondern auch daran, dass Fuqua keinen waschechten Nachfolgekracher lieferte. Der Bruce-Willis-Kriegsfilm Tränen der Sonne ging kurz nach Training Day unter. Die Rückmeldungen auf das Jerry-Bruckheimer-Schlachtengemälde King Arthur fielen zumeist bescheiden aus, auch die restlichen Fuqua-Projekte der 2000er-Jahre hinterließen kaum einen Eindruck. Dieses Jahrzehnt war etwas gnädiger mit Fuqua, war der Actioner Olympus Has Fallen doch immerhin ein umstrittener Achtungserfolg, ebenso wie das die Geister scheidende Boxerdrama Southpaw. Im filmischen Diskurs reichten aber auch sie nicht an den preisgekrönten Copthriller heran.

Zwischendurch verwirklichte Fuqua jedoch noch den lose auf einer Fernsehserie basierenden Kinofilm The Equalizer. Weltweit nahm Fuquas erneute Zusammenarbeit mit Denzel Washington etwas weniger als 200 Millionen Dollar ein. Zusätzlich zum respektablen Ergebnis hat der harte Actionthriller auch eine gelungene Umsetzung aufzuweisen: Fuqua funktioniert wohl einfach am besten, wenn Washington vor seiner Kamera steht. Diese Tendenz bestätigt sich nun durch den kernigen Action-Western Die glorreichen Sieben, in dem das Regisseur-Schauspieler-Gespann die Vorlagen nur als grobe Orientierung nimmt und sein eigenes, stimmiges Ding durchzieht.

Antihelden schlagen zu
Amerika, kurz nach dem Bürgerkrieg: Im Wilden Westen gilt das Gesetz des Stärkeren, und als stärker gilt derjenige, der sich entsprechend zu verkaufen versteht. Das Städtchen Rose Creek befindet sich daher völlig unter der Kontrolle des ruchlosen Geschäftsmanns Bartholomew Bogue (Peter Sarsgaard). Als Emma Cullens (Hardcore-Darstellerin Haley Bennett) Gatte durch die Schergen Bogues über den Jordan geschickt wird, reißt ihr der Geduldsfaden: Sie nimmt all ihren Mut sowie all ihr Hab und Gut zusammen, um den Kopfgeldjäger Sam Chisolm (Denzel Washington) anzuheuern. Dieser soll Bogue in seine Schranken verweisen.

Da selbst der todesmutige Chisolm weiß, allein keine Chance zu haben, stellt er eine Bande von Revolverhelden zusammen, um sich gegen den Tyrannen zur Wehr zu setzen. Vom trickreichen Josh Farraday (Chris Pratt) über den legendären Scharfschützen Goodnight Robicheaux (Ethan Hawke) und dessen nahkampferfahrenen Weggefährten Billy Rocks (Byung-Hun Lee) hin zum selbstgerechten Jäger Jack Horne (Vincent D’Onofrio) und dem Outlaw Vasquez (Manuel Garcia-Rulfo) sowie zum schweigsamen Ureinwohner Red Harvest (Martin Sensmeier): Die uneingespielte Truppe nimmt die Herausforderung, Bogue aus Rose Creek zu vertreiben, an – koste es, was es wolle.

Legte Die sieben Samurai von Akira Kurosawa größeren Wert auf die Dynamik innerhalb der titelgebenden Figurengruppe, hatte John Sturges‘ US-Remake Die glorreichen Sieben von 1960 eine gewisse Grazie aufzuweisen und kommentierte, dass seine heroischen Titelhelden möglicherweise eine Selbstmordmission eingehen. Fuqua wiederum geht in eine wieder andere Richtung und nimmt das grundlegende Konzept, um es mit seiner für ihn typischen Mischung aus Zugänglichkeit und Derbheit anzupacken: Auch wenn sein Die glorreichen Sieben kein deprimierender, grimmer Western wie etwa Erbarmungslos ist, so lebt dieser Film davon, dass er eine raue Epoche zeigt und diese als Spielwiese für handgemachte Action nutzt. Herzstück des Films ist daher die fast ein Viertel der Gesamtlaufzeit einnehmende Verteidigung der Stadt, die Fuqua mit einer Vielzahl an trickreichen Pferdestunts und punktgenau inszenierten, abwechslungsreich choreografierten Schießereien spickt.

Doch auch zuvor verschmilzt er vor abgewetzten Setbauten in weiteren Scharmützeln den Pomp moderner Blockbuster mit einer Old-School-Western-Attitüde. Zwischen den Actioneinlagen wird diese Auf-den-Tisch-hau-Version des Die sieben Samurai/Die glorreichen Sieben-Motivs von markigen Dialogen getragen: Peter Sarsgaards Schurke erläutert genüsslich seine kapitalistische Weltsicht und klingt dabei viel eher wie ein Terrorist, Chris Pratt paart in seinen Sequenzen sein magnetisches Charisma mit einer abgeschmackten Bitternis und wenn sich alle Sieben versammelt haben, so atmet deren kurzweilig-grantige Interaktion den Geist klassischer Westernhaudegen – nur mit einer schrofferen Grundeinstellung: Diese glorreichen Sieben sind Antihelden durch und durch, und Fuqua legt darauf Wert, in deren Weltsicht zu versinken, statt sie zu erläutern.

Tonalität statt Figurenzeichnung
Zweifelsohne: True Detective-Autor Nic Pizzolatto und Richard Wenk bleiben in ihrem Skript bei der Charakterarbeit stur an der Oberfläche. Allein Washingtons Rolle hat eine konkrete Motivation, dem überschaubaren Wüstendorf zu helfen, mit einem nennenswerten inneren Konflikt ist lediglich Ethan Hawkes Figur versehen. Mehr Gewicht wird der Grundstimmung der hier entworfenen Filmwelt sowie einem mit Fallstricken gespickten Handlungsverlauf beigemessen – am besten versinnbildlicht durch Chris Pratts Josh Farraday, der sich seinem Umfeld gegenüber mit perfider Freude als freundlicher Scherzkeks ausgibt, es in Wahrheit jedoch faustdick hinter den Ohren hat. Während die Diskrepanz zwischen Schein und Sein bei Farraday zu amüsantem Effekt sehr offensichtlich ausgespielt wird, zieht sich dieses Element wie ein roter Faden durch Fuquas Die glorreichen Sieben: Ohne sogleich eine dramatische Western-Dekonstruktion zu kreieren, schafft der Shooter-Macher ein Bild des Wilden Westens als Zeit und Ort der Behauptung. Erst einmal eine Richtung eingeschlagen, gibt es kein Zurück mehr, da sonst das vorgegebene Durchsetzungsvermögen leiden würde.

Vor dem Hintergrund, dass nicht das Innenleben der Figuren Priorität hat, sondern die Mentalität ihrer Epoche, lassen sich die Nachlässigkeiten in der Charakterzeichnung noch verzeihen. Mit Sarsgaards schmierigen Antagonisten hat der Plot auch so eine funktionierende Antriebsfeder, des Weiteren hält die knackige Dramaturgie der Actioneinlagen Die glorreichen Sieben trotz der übersichtlichen Story am Laufen. Das Schlechteste kommt bei Fuqua zum Schluss: Nach rund zwei unsentimentalen Stunden handgemacht-staubiger, herber Western-Optik inklusiver althergebrachter Stuntarbeit beendet der Regisseur seinen tonalen Rücksturz in eine frühere Kinoepoche mit einem rührseligen Erzählkommentar und klinischen Digitalbildern. Diese auf den allerletzten Metern erfolgende Inkonsequenz dämpft die kompromisslose Grundstimmung von Fuquas gewollt ungalanter Die glorreichen Sieben-Neuauflage.

Fazit: Rau, actionreich und auf reizvolle Weise altmodisch: Fuquas Die glorreichen Sieben schickt sich zwar nicht an, in den Kinoolymp aufzusteigen, allerdings ist dem Training Day-Regisseur ein knackiger, kerniger Action-Western gelungen, dem die Stimmung mehr Wert ist als die Figurenzeichnung.

Diese Review erschien zuerst bei Quotenmeter

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