Sonntag, 31. Oktober 2021

Last Night in Soho

Edgar Wrights neuster Film fühlt sich durch und durch nach Edgar Wright an. Die dynamische Kamera, der intensive, gekonnte Einsatz alter Gassenhauer, die große Masse an filmischen Referenzen. Und gleichzeitig fühlt er sich innerhalb seines Schaffens am wenigsten nach Edgar Wright an. Allein schon, dass sich das von Krysty Wilson-Cairns und ihm verfasste Drehbuch um eine weibliche Figur dreht, macht sich bemerkbar: Wrights Filme nahmen bisher den Fokus von männlichen Losern und Tunnelblick-Typen ein.

Dass wir hier der Geister sehenden, von den Londoner "Swinging Sixties" besessenen, anstrebenden Modedesignerin Eloise "Ellie" Turner folgen, und ihren Erfahrungen damit, wie es ist, eine schüchterne, junge Frau in einem exzentrischen Metier zu sein ... noch dazu in einer brisanten Großstadt ... hebt Last Night in Soho enorm von Wrights bisheriger Vita ab. Es ist eine erfrischende Perspektive, und die einzige, mit der sich dieser Stoff so nachhallend erzählen lässt.

Und selbst wenn es einige Momente der Situationskomik und peppiger Dialogwitze gibt, so ist Last Night in Soho der Wright-Kinofilm mit der bislang geringsten Gagdichte. Es ist eine in Giallo-Farben getauchte Verneigung vor Filmen wie Wenn die Gondeln Trauer tragen und Ekel, versetzt mit einer dornigen Auseinandersetzung mit blinder Nostalgie. Denn wie Ellie sehr zügig herausfinden muss, ist das London, das sie nie erlebt hat, aber stets erleben wollte, gar kein bezaubernder Ort. Insbesondere für Frauen.

Wrights Nostalgie-Abrechnung und feministische Botschaft operieren auf einem schwungvollen "Keine Zurückhaltung!"-Level, die Seitenhiebe und bissigen Kommentare werden mit dem Messerhieb abgeliefert, der bei einem Film in Suspiria-Ästhetik zu erwarten steht. Thomasin McKenzie glänzt in der Hauptrolle, lässt uns mit dieser stilisierten Geschichte mitfiebern, weil sie Ellie in all ihren Höhen und Tiefen fabelhaft zur Schau stellt. Anya Taylor-Joy als Ellies 60er-Ikone Sandy spielt campig auf, was spürbar Wrights Absicht ist, aber bei ihr leider in vielen Szenen etwas zu hölzern rüberkommt. 

Dafür ist das Sixties-Flair, in der verklärten wie in der verstörten Version, bestechend und die Kameraführung von Chung-hoon Chung (Ich und Earl und das Mädchen) genauso galant wie der Schnitt von Gravity-Cutter Paul Machliss. Ein böser Filmgenuss.

Last Night in Soho ist ab dem 11. November 2021 in deutschen Kinos zu sehen.

1 Kommentare:

Stepnwolf hat gesagt…

Den fand ich auch ganz gelungen. Auch wenn kein Simon Pegg durchs Bild läuft. ;-)

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