Montag, 18. Mai 2015

TinkerBell und die Legende vom Nimmerbiest


Es gibt zwar keine größere Disney-Ikone als Micky Maus höchstpersönlich, jedoch finden sich in der Trickfamilie des Traditionskonzerns zahlreiche weitere Figuren, die vom Unternehmen gewissermaßen in eine Botschafterposition gedrängt werden. Mickys vom Pech verfolgter Freund und Teilzeit-Konkurrent Donald etwa ist solch eine Figur, insbesondere dank seiner Popularität in Comicform. Und dann wäre da beispielsweise noch TinkerBell, respektive Naseweis, wie sie in der deutschen Synchronfassung des Zeichentrickmeisterwerks Peter Pan genannt wird. Seit 1954 leistet TinkerBell tüchtig ihren Dienst als fliegendes, Feenstaub hinterlassendes Maskottchen in Vorspannsequenzen zu Walt-Disney-Fernsehsendungen, in Themenpark-Werbespots oder in Werbetrennern auf Disney-Videokassetten sowie -DVDs. 2005 erhielt die flatterhafte Fee sogar ihr 'Disney Fairies' betiteltes eigenes Franchise, welches zahlreiche Bücher sowie Mengen an Merchandising umfasst.

Als Flaggschiff dieses Franchises wurde jedoch eine Reihe an Direct-to-DVD-Trickfilmen auserkoren. Der erste Teil dieser kinderorientierten Saga, ganz simpel TinkerBell genannt, erschien dank umfangreicher Probleme und Auseinandersetzungen hinter den Kulissen erst im September 2008 – und sorgte daraufhin für großes Staunen. Entgegen aller Befürchtungen erwachsener Disney-Liebhaber traf die Heimkino-Produktion nicht nur den Nerv des Kinderpublikums, sondern wusste auch ältere Zuschauer mit ihrem gewaltigem Charme zu verzaubern. Die Fortsetzungen schieden dagegen, zumindest unter Trickfilmfreunden abseits des Grundschulalters, die Geister. Einige kamen super an, andere dürftig. Offenbar hätte in den Augen Disneys der Erfolg beim jungen Publikum ebenfalls größer ausfallen dürfen: Im Oktober 2013 drang an die Öffentlichkeit, dass die Arbeiten an einem siebten und achten TinkerBell-Film eingestellt wurden. Mitarbeiter der verantwortlichen DisneyToon Studios gaben im Zuge dessen zu Protokoll, dass ihre Chefs mit den Einnahmen des Franchises unzufrieden sind.

Der sechste Film aber wurde noch vervollständigt und gelangt, wie schon der vierte und fünfte Part dieser Reihe, in die Kinos ausgewählter Disney-Märkte – darunter Deutschland. Und nach den qualitativen Aufs und Abs, die das grün gekleidete Feenmädchen seit 2008 durchgemacht hat, hätte es keinen besseren (vorläufigen?) Abschluss geben können: Denn TinkerBell und die Legende vom Nimmerbiest fliegt mühelos an die Spitze der Feenfilm-Charts!

Die abenteuerlustige und daueroptimistische Tierfee Emily liebt sämtliche Wesen bedingungslos, ganz gleich, wie bedrohlich sie aussehen mögen. Ihre Impulsivität bringt Emily aber auch regelmäßig in Schwierigkeiten – etwa, wenn sie die Regeln der Feengesellschaft missachtet, um selbst gefährlichen Tieren in der Not zur Seite zu stehen. Als Emily einmal mehr zu sehr ihrem Herzen folgt, ringen ihr TinkerBell und ihre weiteren Freundinnen ein Versprechen ab: In Zukunft soll sie ihr Handeln kritischer überdenken. Alsbald stößt Emily allerdings auf ein sagenumwobenes, pelziges und mit Fangzähnen ausgestattetes Ungetüm namens Nimmerbiest. Dieses bringt, so besagt die Legende, Unheil und Verderben über das Tal der Feen. Emily jedoch ist vom zotteligen Geschöpf fasziniert – erst recht, da es sich verletzt hat und Hilfe benötigt. Also wirft Emily ihren Vorsatz über den Haufen und kümmert sich um den von ihr 'Grummel' getauften Fellträger, der ein völlig undurchsichtiges Verhalten an den Tag legt …

Wie sich bereits aus obiger Plotzusammenfassung ableiten lässt, müsste der Titel dieses mit 76 Minuten Laufzeit erfrischend kompakten Märchens korrekterweise Emily und die Legende vom Nimmerbiest lauten. Und dies ist ein spätes Novum dieser Trickfilmsaga: Zwar gehört es zum Konzept der TinkerBell-Filmreihe, dass in jedem Teil ein anderer Bewohner der Disney-Feenwelt vermehrt Zeit im Rampenlicht verbringen darf, bislang war TinkerBell dennoch der unbestrittene Mittelpunkt des Geschehens. In dieser Geschichte dagegen wird TinkerBell zu einer untergeordneten Nebendarstellerin degradiert. Junge wie alte Fans der erfinderischen sowie aufbrausenden Blondine sollten daher aber nicht verzagen oder TinkerBell und die Legende vom Nimmerbiest gar mit der kalten Schulter strafen. Denn das kurzweilige Zusammenspiel des titelgebenden Nimmerbiests und der großherzigen Emily ist viel zu goldig, als dass sich aufgrund der verschobenen Feen-Rangordnung Unbehagen einstellen könnte.

Einerseits wäre da die Stärke der Animation: Mit flinker Gestik und einem unbeholfen-schiefen Lächeln wirkt Emily wie eine Mischung aus typisch amerikanischer Unschuld vom Lande (man denke an Judy Garland oder Dawn Wells) und einem zeitgemäß-frechen Charmebolzen wie Jennifer Lawrence. Der gleichermaßen tapsige wie eigentümliche Grummel dagegen ist eine faszinierende Kreuzung aus zahllosen realen wie fantastischen Tieren. Während ältere Zuschauer über die für diese Filmreihe ungewohnt komplexen Bewegungsmuster Grummels staunen dürfen, zieht das Biest junge Zuschauer aus ganz anderem Grund in seinen Bann: Mit einem flauschigen Pelz und niedlichen Macken erweckt es einen freundlichen Anschein, mit seinen giftgrünen Augen und einer unheimlichen Kraft sorgt es gleichwohl für Misstrauen – diese undurchschaubare Art Grummels macht ihn zu einem spannenden Leinwandwesen, dessen wahres Ich enthüllt werden will.


Andererseits trumpft TinkerBell und die Legende vom Nimmerbiest damit auf, wie das Autorenteam rund um Steve Loter, Tom Rogers (Das Geheminis der Feenflügel), Robert Schooley & Mark McCorkle (Kim Possible) und Kate Kondell (TinkerBell und die Piratenfee) von dem Verhältnis zwischen Fee und Biest erzählt: Die ungleiche Beziehung der beiden Figuren entfaltet sich völlig frei von Hektik und nimmt immer wieder bedeutsame Wenden. Die Autoren zeigen sowohl herzliche und lustige Höhen als auch traurige und Spannung schürende Tiefen. Somit wird das junge Publikum beiläufig dazu angeregt, zwischen Kopf- und Bauchentscheidungen abzuwägen und zudem selbst nachzudenken, ob Emily korrekt handelt. Eine so ausdifferenzierte, die ganz jungen Kinogänger fordernde (doch nicht überfordernde!) Erzählweise dürften Eltern von dieser Reihe nicht gewohnt sein – umso mehr lässt es sich verschmerzen, wenn die Erwachsenen im Finale ihre kleinen Begleiter etwas fester halten müssen. Der Schlussakt wagt sich nämlich über die Komfortzone bisheriger TinkerBell-Geschichten hinaus und lässt es mit Blitzen, Donner und einschüchternden Bildern äußerst atmosphärisch und dramatisch angehen.

All zu gruselige Formen nimmt diese feenhafte Erzählung aber niemals an: Regisseur Steve Loter hat dank des Disney-Serienklassikers Kim Possible und des DreamWorks-Fernsehspaßes Die Pinguine aus Madagascar massenhaft Erfahrung darin, sein Zielpublikum mit Action zu fesseln, ohne es durch zu harsche Entwicklungen zu verschrecken. Loters Handschrift lässt sich aber nicht bloß im turbulenten Finale erkennen, sondern genauso in den harmonischeren Momenten zuvor: Zwar versackt wie in sämtlichen TinkerBell-Filmen auch hier der eine oder andere Wortwitz, insgesamt sind die Dialoge aber deutlich pointierter, genauso wie die knuffige Situationskomik viel erquicklicher als zuvor daherkommt. Des Weiteren fällt auf, dass die gesungenen Lieder, in all ihrer übertrieben-kindlichen Fröhlichkeit bis dato ein Schwachpunkt dieser Filmreihe, unerwartet ansprechend geraten sind – und das in den Kinos optionale 3D ist geradezu magisch. Zusammen mit der wie eh und je fabelhaften Instrumentalmusik aus der Feder von Joel McNeely würde all das bereits reichen, um TinkerBell und die Legende vom Nimmerbiest zum absoluten Höhepunkt dieses DisneyToon-Studios-Franchises zu machen.

Aber dann ist da noch der herausragende Prolog, der behutsam und herzergreifend von der Bedeutsamkeit wahrer Freundschaften und dem Vorgang des Abschiednehmens handelt. Eben dieser hebt TinkerBell und die Legende vom Nimmerbiest sogar auf Augenhöhe mit einigen Evergreens der 'großen' Walt Disney Animation Studios – selbst ohne Berücksichtigung der Metaebene. Schon für sich genommen sind die letzten Augenblicke dieser liebenswerten Trickproduktion Grund genug, den lieben Kleinen vor Rührung die Taschentücher zu reichen (und sich vielleicht auch selbst eins zu nehmen). Darüber hinaus lässt sich der Schluss von TinkerBell und die Legende vom Nimmerbiest jedoch als womöglich letzte Verbeugung der Macher vor ihren Zuschauern verstehen: Vielen lieben Dank fürs Zuschauen. Vielleicht geht es eines Tages weiter – ansonsten: Es war schön mit euch!


Fazit: Goldige Animationen, schöne Melodien und eine ungleiche Leinwand-Freundschaft, die zu Herzen geht: TinkerBell und die Legende vom Nimmerbiest ist ein unvergleichlich beflügelndes Feenmärchen für Junge und Junggebliebende.

Freitag, 8. Mai 2015

TinkerBell und die Piratenfee


Und plötzlich kommt alles Schlag auf Schlag: Ursprünglich sollte rund ein Jahr nach Kinostart von Das Geheimnis der Feenflügel ein fünftes abendfüllendes TinkerBell-Abenteuer auf die große Leinwand fliegen. Doch dann verkündet der Disney-Konzern, dass Planes den US-Starttermin des nächsten Feenfilms erhält. Kurz darauf die nächste Nachricht, die den Anhängern der Nimmerland-Reihe den Tag verregnet: TinkerBell und die Piratenfee soll entgegen früherer Ankündigungen der vorletzte Film über das Reich der geflügelten Grazien werden. Mitarbeiter der DisneyToon Studios geben zu Protokoll, dass die geplanten siebten und achten TinkerBell-Filme eingestellt wurden, weil die Studioleitung mit den Verkaufszahlen an Feen-Merchandising sowie mit den Einnahmen der TinkerBell-Filme unzufrieden ist.

Das Marketing für den neuen Film bekommt einen veränderten Anstrich. Es wird ein deutlich größerer Fokus darauf gelegt, dass Piraten die Handlung mittragen und dass es sich um ein Prequel von Peter Pan handelt, während der ganze "TinkerBell und ihre Feenfreunde"-Ansatz in den Hintergrund tritt. Der zwiegespaltene Lohn dessen? Während an den Kinokassen ein hauchdünnes Minus gegenüber Teil 4 der Reihe verbucht wird, geht es beim Verkauf des 'Disney Fairies'-Merchandisings wieder aufwärts.

Es ist eine Zwiespältigkeit, die dem Film angemessen ist. Denn nach dem grauenvollen dritten Teil und dem soliden vierten Part der Feensaga lässt sich TinkerBell und die Piratenfee qualitativ irgendwo zwischen seinen beiden direkten Vorgängern verorten. Die Grundidee ist dabei das Stärkste an diesem Nimmerland-Abenteuer: Feenglanzverwalterin Zarina rebelliert, ähnlich wie ihre Freundin TinkerBell, gegen die ihr auferlegten Regeln und experimentiert damit, wie sich die Kraft des magischen Stabs ausbauen lässt. Dies führt jedoch zu einer kleinen Katastrophe, weshalb Zarina aus dem Tal der Feen verbannt wird. Einige Zeit später schleicht sich Zarina während eines großen Fests zurück ins Tal, um eine große Dosis Feenglanz zu stehlen. TinkerBell und ihre Freunde erwischen Zarina dabei, woraufhin sie die Gruppe wohlmeinender Feen verzaubert: Ihre Kräfte werden vertauscht, weswegen sie bei der Hatz nach Zarina gehörig ins Hintertreffen geraten. Umso dramatischer, dass Zarina mit einer Bande Piraten, angeführt von Käpt'n Hook, gemeinsame Sache macht ...

So bahnt sich eine zweifache Geschichte über Wiedergutmachung an: Zarina muss die Folgen ihres Diebstahls bereinigen, TinkerBell und Konsorten müssen ihren Fehler korrigieren, Zarina wegen eines Unfalls sogleich ins Exil ziehen zu lassen. Aus dieser Dopplung macht das Autorenteam rund um Jeffrey M. Howard, Kate Kondell, John Lasseter, Peggy Holmes, Bobs Gannaway, Jeffrey M. Howard, Lorna Cook und Craig Gerber jedoch herzlich wenig: Ehrliche Emotionen und glaubwürdige Reue bleiben in TinkerBell und die Piratenfee völlig aus, genauso wie der Kräfte-Vertausch-Kniff bestenfalls in eine kleine Handvoll Schmunzler mündet, die Figuren aber weder nennenswerte Lektionen lernen, noch das Fähigkeitenkuddelmuddel für kesse oder spannende Aktionen nutzen.

Tiefpunkt von TinkerBell und die Piratenfee ist aber die Darstellung des Peter-Pan-Erzschurken Käpt'n Hook: Das Design ist völlig charakterlos und die Mimik beschämend unnuanciert. Im englischsprachigen Original kann Loki-Darsteller Tom Hiddleston wenigstens einen Hauch Kompensationsarbeit leisten und Hook eine spaßig-einschüchternde Note beigeben, die deutsche Synchronfassung indes versagt beim fiesen Kapitän völlig. Der von ihm und seiner Mannschaft angestimmte Song ist wiederum in jeglichen Sprachfassungen jenseits von Gut und Böse: Eine seelenlose Melodie, grausig-dumme Texte und schräger, keinen Seeräubercharme aufzeigender Gesang. Die gesungenen Lieder im TinkerBell-Franchise sind oftmals schwach, aber selten so mies wie hier.

Auch visuell reicht der Piratenfilm nicht an das vorhergegangene Wintermärchen heran. Zumindest partiell: Die Szenen auf hoher See und/oder im güldenen Abendlicht erhalten durch Überbeleuchtung und ein Übermaß an weichen Konturen einen sehr billigen, undetaillierten Charakter. Dafür wissen die Nachtszenen zu begeistern: Stimmiger Licht- und Schattenwurf und ein Gespür für aussagekräftige Kompositionen sorgen dafür, dass zwischen den Tag- und Nachtszenen ein Unterschied herrscht wie ... naja, Tag und Nacht halt. Ein weiterer großer Pluspunkt ist die Figur der Zarina, die für eine Fee aus dieser DisneyToon-Studios-Reihe relativ facettenreich in ihrer Persönlichkeit, und das fesche Design sowohl ihrer Frisur als auch ihrer Kleidung hebt sie deutlich von ihren Feen-Kolleginnen ab.

Zusammen mit dem Knuffigkeitsbonus sämtlicher Szenen, in denen das Baby-Krokodil vorkommt, das eines Tages zu Hooks wandelndem Albtraum werden soll, sowie der für das junge Zielpublikum angemessen-aufregenden Kampfchoreographie im Finale rettet sich TinkerBell und die Piratenfee noch davor, hier eine klare See-Warnung, äh, Sehwarnung zu erhalten. Die anvisierten Zuschauer werden für etwas mehr als 70 Minuten auf solidem Niveau bespaßt, wenngleich nie sonderlich gefordert. Ältere Animations- und/oder Disney-Fans derweil müssen sich durch einen lahmen Mittelteil kämpfen, bekommen sonst aber akzeptablen Feenzauber geliefert. Faustregel: Wer die ersten TinkerBell-Filme nicht mochte, kann auch dieses Abenteuer ignorieren. Wer wenigstens mit ein paar Teilen dieser Reihe etwas anfangen kann, wird sich nicht langweilen und dann und wann auch schmunzeln.

Der nächste Teil der Reihe schlägt dann wieder qualitativ ganz andere Töne an ...