Donnerstag, 24. Juni 2010

Musikalisches Immergrün - Meine 333 liebsten Disney-Lieder (Teil XLVI)

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Wo wäre Küss den Frosch gelandet?

Ich hatte mir schon vor ein paar Jahren vorgenommen, irgendwann meine liebsten Disneysongs in einer Artikelreihe vorzustellen. Anlässlich des sich immer schneller nähernden Kinostarts von Küss den Frosch nahm ich mir im Oktober letzten Jahres dann endlich den Mut, und fing an meine bereits für "den Notfall" vorgefertigte Hitliste endlich abdruckreif abzuarbeiten. So startete Musikalisches Immergrün - Meine 333 liebsten Disney-Lieder. Aufgrund des Veröffentlichungsrhythmus nähern wir uns mittlerweile sogar schon dem Kinostart des nächsten Disney-Musicals, dem heiß ersehnten Rapunzel.

Sicherlich werden sich einige Leserinnen und Leser, die erst später dazustießen, wundern, wo denn die ganzen Küss den Frosch-Lieder bleiben. Die kennen halt nicht die eben nochmal angerissene Hintergrundgeschichte dieser Artikelreihe. Küss den Frosch kann in dieser Liste nicht vorkommen, da der Film zu spät herauskam. Damit ich in Zukunft nicht mit Fragen überhäuft werde, eine aktualisierte Version dieser Liste zu veröffentlichen oder zu erklären, wo die Stücke aus Küss den Frosch gelandet wären, möchte ich diese Frage ganz einfach rein prophylaktisch beantworten. Hier also ein kleines Addendum zu Musikalisches Immergrün, das verrät, zwischen welche Songs sich Randy Newmans Froschlieder gedrängt hätten, wäre der Film nur was früher in die Kinos gekommen.

Platz 328: Ichabod Crane aus Die Abenteuer von Ichabod und Taddäus Kröte
Platz 327, 5: Ich lieb' dich, Evangeline ("Ma Belle Evangeline")
Musik und Text von Randy Newman (dt. Fassung von Heike Kospach)
Platz 327: Rock, rumble and roar aus A Symposium on Popular Songs

Obwohl ich Rays Liebesbeziehung zu Evangeline wahnsinnig rührend und romantischer finde, als die zentrale Beziehung zwischen Tiana und Prinz Naveen, ist Rays Ständchen für seine Nachtkönigin das meiner Meinung nach schwächste Lied in Küss den Frosch. Ein wenig trägt allein schon das Grundkonzept des Songs eine Schuld daran: Wie auch bei Ja, die Liebe siegt (Platz 258) und der von den Disneyzeichnern anfangs angedachten, durchgehend von Timon und Pumbaa gesungenen Version von Kann es wirklich Liebe sein? (Platz 126) verliert Ich lieb'dich Evangeline viel von seiner Romantik, indem diese Ballade von einer schrägen Figur gesungen wird, deren Stimme sich nicht gerade für solch gefühlvolle Notenfolgen eignet. Hinzu kommt, dass mir Randy Newmans Liebeslied zu schwach ist, es plätschert vor sich hin, ohne zu einem emotionalen Höhepunkt zu kommen. Trotzdem gefällt mir die eingängige Melodie, und der Kontext des Films verhilft dem Stück letztlich doch noch zu ein paar Gefühlsregungen. Ray hätte wirklich ein stärkeres Lied verdient, dennoch muss ich sagen, dass das Liebeslied, das er bekam recht süß ist.

Platz 323: Mensch wieder sein ("Human Again") aus Die Schöne und das Biest
Platz 322,5: Wenn ich Mensch bin ("When We're Human")
Musik und Text von Randy Newman (dt. Fassung von Frank Ramond)
Platz 322: Mein Sinn für Stil ("My Strongest Suit") aus Aida

Wenn man mich vor die Wahl zwischen Randy Newman und Alan Menken stellt, dann gebe ich üblicherweise ohne mit der Wimper zu zucken dem Komponisten von Arielle, die Meerjungfrau, Die Schöne & Das Biest, Aladdin, Pocahontas, Der Glöckner von Notre Dame, Hercules, Verwünscht und bald auch Rapunzel klar den Vorzug (den Kuh-Film verschweigen wir, klar soweit?). Dennoch ist Menken nicht vollkommen unfehlbar. Das Arielle-Bühnenmusical beispielsweise verursachte mir stellenweise arge Kopfschmerzen und in der bislang eher eng gesteckten Kategorie der Disneylieder über den Wunsch verzauberter Menschen, bald wieder zurückverwandelt zu werden, muss sich Menken im direkten Vergleich dem 2009 an Disney ausgeliehenen Pixarkomponisten Randy Newman geschlagen geben. Mensch wieder sein (Platz 323) ist angesichts der immer wahrscheinlicher werdenden Rückverwandlung zu zurückhaltend. Das ausgerechnet Randy Newman, dessen Musik mir oftmals zu "hochgeschlossen" ist, für Küss den Frosch eine wesentlich befreitere, glücklichere Zelebrierung der anstehenden Menschwerdung fabrizierte, ist da schon eine kleine Überraschung. Zumal Tiana und Naveen ihre neue Verkörperung als Frösche noch nicht so lange ertragen mussten, wie die Schlossbewohner des Biestes ein Dasein als Mobiliar und Geschirr fristen mussten.
Dank des wundervoll aufgelegten Bill Ramsey und einem beim Singen nicht so dick wie Bruno Campos auftragenden Roger Cicero ist Wenn ich Mensch bin übrigens der einzige Song aus Küss den Frosch, der mir in der deutschen Fassung klar besser gefällt als in der englischen Originalversion. Bei den anderen liedern dieses Films bevorzuge ich die englische Aufnahme oder empfinde die deutsche Fassung als dem Original ebenbürtig.

Platz 316: Lavendelblau ("Lavender Blue") aus Ein Champion zum verlieben
Platz 315,5: Wir nehmen euch jetzt mit ("Gonna Take You There")
Musik und Text von Randy Newman (dt. Fassung von Heike Kospach)
Platz 315: Stetig wie der Trommelklang ("Steady As the Beating Drum") aus Pocahontas

Das Cajun-Glühwürmchen Ray bringt für eine witzige Nebenfigur sehr viel Gefühl in Küss den Frosch hinein, doch es singt auch die von einem inhaltlichen Standpunkt gesehen überflüssigste Nummer im ganzen Film. Allerdings ist das in einem urbanen Zydeco-Stil gehaltene Wir nehmen euch jetzt mit sehr kurz und dient klar als atmosphärischer und musikstilistischer Farbtupfer. Das Lied soll ein kleiner Stimmungsheber sein, eine scmissige, kurze Wegschmeißnummer, und die sind in der klassischen, disneyschen Daramturgie durchaus genehmigt. Dass der Song auf Englisch dank Jim Cummings wunderbarem Cajun-Dialekt tausendmal besser wirkt, als in der Synchronfassung, muss ich ja nicht explizit erwähnen, oder?

Platz 210: With a Flair aus Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett
Platz 209,5: Ganz nah dran ("Almost There")
Musik und Text von Randy Newman (dt. Fassung von Heike Kospach)
Platz 209: Manteltanz ("Dance of the Robe") aus Aida

Die im Art-Deco-Stil des Harlem-Renaissance-Künstlers Aaron Douglas und auch ein wenig von den Limited-Animation-Cartoons der 50er Jahre inspirierte Traumsequenz Tianas, in der sie sich ausmalt, wie ihr wundervolles Restaurant aussehen wird, dessen sie sich endlich nahezu sicher ist, gehört zu meinen Lieblingsmomenten in Küss den Frosch. Eric Goldberg schuf mit ihr eine warme, einfallsreiche und freundliche Sequenz für Randy Newmans selbstbewusste Abwandlung des sonst so träumerischen, naiven "Ich will"-Songs, den Disneyprinzessinnen normalerweise von sich geben. Es ist die wundervoll in sich greifende Kombination aus Bild und ton, die Ganz nah dran zu einem der Höhepunkte des Films machen. Einzeln für sich genommen sind beide immer noch sehr stark, aber gemeinsam vervielfacht sich der von dieser Sequenz ausgehende Impuls. Als Lied allein ist Ganz nah dran ein tolles Lied über das Gefühl, es fast geschafft zu haben (wobei Tiana es aus einer "das Glas ist halb voll"-Perspektive betrachtet, während es in einem anderen modernen Disneymärchen etwas pessimistischer rüberkommt), doch im Zusammenspiel mit den hübschen, einrahmbaren Bildern komm ich einfach nicht mehr aus dem Lächeln heraus.

Platz 124: Bet on it aus High School Musical 2
Platz 123,5: Du musst nur tiefer in dir graben ("Dig A Little Deeper")
Musik und Text von Randy Newman (dt. Fassung von Heike Kospach)
Platz 123: Heut' bist du nichts mehr wert ("You're Only Second Rate") aus Dschafars Rückkehr

Ein in New Orleans spielender Disney-Zeichentrickfilm? Da muss einfach eine Gospelnummer rein! Glücklicherweise dachten das auch Ron Clements und John Musker, und so erhielt die schräge Voodoo-Zauberin Mama Odie eine ausgelassene, inspirierende Gospelnummer. Diese darf dann auch nochmal beweisen, dass Randy Newman mehr beherrscht, als seinen doch etwas trockenen und steifen Pixar-Stil. Eine so losgelöste und positive Komposition hätte ihm sicherlich nicht jeder zugetraut, und ich muss zugeben, dass auch ich vor meiner ersten Betrachtung von Küss den Frosch ein paar Zweifel hegte. Aber Mama Odies herrlich mit ein paar Gospel-Klischees spielende Zusammenfassung der Moral von Küss den Frosch konnte mich mit ihrer mitreißenden, unbeschwerten Art überzeugen. Und als Szene ist sie ein weiterer toller Farbklecks im sowieso schon sehr vielseitigen Farbspektrum dieses gleichermaßen klassischen wie modernen Märchens.

Platz 106: Putz weg ("Chow Down") aus Der König der Löwen - Das Broadway Musical
Platz 105, 5: In New Orleans / Wünsch dir was ("Down in New Orleans")
Musik und Text von Randy Newman (dt. Fassung von Frank Ramond, dt. Fassung des Prolog-Parts von Ursula von Langen)
Platz 105: Call Me, Beep Me, das Titellied von Kim Possible

Der swingend jazzige Song In New Orleans entführt die Zuschauer von Küss den Frosch nach dem etwas langatmigen Anfang mit authentisch gewürztem Flair in die disneyfizierte Wunderwelt der atemberaubend schönen Stadt New Orleans. Das Lied dient dem Film als Buchstütze und als gelungene Einführung in die musikalische Richtung, die er einschlägt. Im US-Original sollte anfangs Randy Newman aus dem Off singen, allerdings befürchteten Ron Clements und John Musker somit als Pixar-Kopisten darzustehen. Also wendeten sie sich, durchaus zum Unmut Newmans, an den legendären Dr. John, der seit jeher für New Orleans steht und sich mit seiner ganz eigenen Version von Cruella DeVil (Platz 114) zugleich bereits als auffällige Disneystimme erwies. Und ich bin den Regisseuren Clements & Musker unheimlich dankbar für diese Entscheidung, da Randy Newmans Gesangsstimme auf mich eine sehr schnell einsetzende, einschläfernde Wirkung ausübt. Das wäre Küss den Frosch allerdings nicht gerecht geworden. Hinzu kommt, dass die während In New Orleans gezeigte Filmsequenz selbst keine größeren Reize ausübt, da sie bloß die Atmosphäre New Orleans zeigt und uns die wichtigsten Figuren vorstellt. Die Szene steht und fällt deshalb ganz allein mit dem währenddessen spielenden Song. Mit dem ungewöhnlich cool und gelassen kratzig-quäkenden Dr. John fährt dieser bedeutsam besser als mit dem monotonen Organ Newmans.
Für die internationalen Synchronfassungen stellt Dr. John selbstverständlich eine schwer unverfälscht bezwingbare Herausforderung dar, da solche Stimmbänder wie die seinigen rar gesät sind. In Deutschland sprang Roger Cicero hinter das Mikrofon, dessen glattere Stimme vom Klang her aus einer ganz anderen Jazz-Ecke stammt. Überraschenderweise kompensiert Cicero dies mit unerwartet geschicktem Notenanschneiden, wodurch die ungewöhnliche Ausstrahlung des Songs beibehalten wird, selbst wenn sie in der deustchen Fassung woanders herrührt. Cassandra Steen, die Tiana spricht und somit die finale Reprise des Songs anstimmen darf, reicht dagegen nicht ans US-Vorbild heran. Auch wenn ihr In New Orleans dem vom Kinopublikum leider nicht genügend geliebten Küss den Frosch einen würdigen Abschluss gibt, liefert Anika Noni Rose eine emotionaleren, tonal breiter gestreuten und so mitreißenderen Schlussperformance ab. Allerdings sind die Qualitätsunterschiede zwischen Deutsch und Englisch bei diesem Song wirklich minimal und wir dürfen uns Steens trockener Sprechleistung zum Trotz mit der Synchronfassung glücklich schätzen. Der französische Sänger beispielsweise kann den waschechten New-Orleans-Klang überhaupt nicht in seine Sprache rüberretten. Nicht nur der Text klingt äußerst dissonant, auch der Gesang als solcher überzeugt mich überhaupt nicht, da der Sänger zu sehr bemüht ist, Dr. Johns quäkendes Reibeisen zu imitieren. Da lobe ich mir doch die deutsche Fassung, wo man bezüglich der Stimme kapitulierte und sich einen anderen Trick einfallen ließ, um den Flair des Songs zu wahren.

Platz 55: i2i aus Der Goofy Film
Platz 54,5: Freunde im Schattenreich ("Friends on the Other Side")
Musik und Text von Randy Newman (dt. Fassung von Heike Kospach)
Platz 54: Der Titelsong von Darkwing Duck

Wenn der finstere Schattenmann Dr. Facilier den maldonischen Prinzen Naveen und seinen Diener Lawrence ganz charismatisch in einen hinterhältigen Voodoo quatscht, dann treffen Nur ein kleiner Freundschaftsdienst aus Aladdin und Rosa Elefanten aus Dumbo aufeinander. Galant, gewandt und gerissen tanzt sich der gutaussehende Schurke um seine Opfer und in die dunkelsten Herzen des Publikums. Bruce W. Smith schuf mit Dr. Facilier einen der beeindruckendsten Disney-Bösewichter überhaupt, und während seines großartigen Schurkensongs darf er sich mit seinen flotten und geschmeidigen Tanzschritten im ganz großen Stil ins Scheinwerferlicht schummeln. Die Sequenz und der sie begleitende Szenensong beginnen noch kumpelhaft in einem mittleren Tempo und verschmitzter Klangfarbe. Dr. Facilier quatscht sich durchtrieben lächelnd in den Deal, zaubert schnell genug neue Tricks aus dem Ärmel, um seine Opfer davon abzuhalten, den Verstand wieder einzuschalten und so Faciliers Manipulation zu durchschauen. Sobald aber Lawrence und Naveen in den Handel einwilligen, feuert er ein stattliches, überwältigendes Voodoo-Feuerwerk ab, seine Tikimasken und Zauberpuppen tanzen und singen mit ihm und die Filmsequenz biegt nach Psychedeliaville ab. Freunde im Schattenreich ist als Filmszene ganz klar besser als etwa die zum in dieser Hitliste besser platzierten Song Was soll ich mich ärgern? aus Oliver & Co., der von Randy Newman geschriebene Schurkensong ist zweifelsohne auch intelligenter, komplexer und deutlich besser aufgebaut. Allerdings spürt man beim bloßen Anhören dieses Szenensongs, dass ihm eine enorm wichtige Stütze fehlt, und sich so seine Wirkung deutlich abschwächt. Freunde im Schattenreich benötigt, um sich entfalten zu können, zwingend die dazugehörige (Voodoo-)zauberhafte Szene. Als bloßes Musikstück ist es dann doch etwas schwächer und reiht sich in meiner Gunst deshalb unter dem Darkwing Duck-Titellied ein.

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