Montag, 9. März 2009

Die Zehn-Satz-Rezension zu "Milk"


  1. Milk ist ein Biopic über den ersten bekennenden Schwulen, der in Kalifornien in ein öffentliches Amt gewählt wurde und in San Francisco einen harten politischen Kampf um die Rechte Homosexueller führte.
  2. Gus van Sants Biographie konzentriert sich auf eben jene Versuche Milks, in San Francisco gewählt zu werden sowie in der Zeit nach seiner Wahl auf die steten Versuche trotz einer lauter werdenden, christlich-konservativen "Pro-Familie, Anti-Homo"-Bewegung und vorurteilsbelasteten Politikern und Polizisten in San Francisco die Rechte der Homosexuellen aufrecht zu erhalten und auch weiter auszubauen, weshalb der Film erst kurz vor Milks Umzug von New York nach San Francisco einsetzt und auch dort sein Leben größtenteils auf die politischen Ambitionen beschränkt.
  3. Die zwischenmenschliche Komponente kommt deshalb relativ kurz, wird allerdings durch ein sehr starkes Schauspiel von James Franco als Milks Lebenspartner trotzdem zu einem wichtigen Stützpfeiler in der Charakterisierung Milks, ebenso wie die großartig geschriebenen Sequenzen, in denen Harvey Milk nicht bloß als Schwulenrechtler, sondern auch als eine Art Leitfigur und Seelenklempner für unterdrückte Persönlichkeiten gezeigt wird.
  4. Sean Penns Darstellung von Harvey Milk ist einfühlsam und vollbringt das Kunststück, die gelegentlich ausbrechenden extrovertierten Züge Milks so anzulegen, dass sie nicht wie ein aufgesetztes Schauspiel wirkt; zugleich sind die Übergänge zum sonst gesitteteren, ruhigeren Verhalten so überzeugend, dass man sie gar nicht bemerkt.
  5. Penns Schauspiel ist also einfach nur rund und zu Recht mit dem Oscar gekrönt.
  6. Ebenfalls beeindruckend ist Josh Brolins Darstellung von Milks politischem Widersacher Dan White, einer gebrochenen und unruhigen Persönlichkeit.
  7. Drehbuchautor Dustin Lance Black verzichtet, vor allem bei White, darauf psychologische Interpretationen aufzutischen und die Persönlichkeiten der Personen irgendwie zu analysieren und zu erklären, Milk ist kein Psychogramm, sondern eine Nachzeichnung des ungewöhnlichen und bedeutsamen politischen Werdegangs von Harvey Milk.
  8. Wenn man sich erstmal darauf einlässt, sieht man ein, dass diese Herangehensweise in diesem Fall wohl auch die klügere ist.
  9. Zu Beginn fehlt mir aufgrund dessen allerdings auch ein wenig die emotionale Bindung, hinzu kommt der Erzählstil (Milk diktiert seine Memoiren, dazwischen werden sozusagen in "Flashbacks" seine Stationen erzählt), der zu Beginn etwas Distanz aufbaut, auch wenn sich zur Mitte hin diese Erzählweise wieder komplett auszahlt.
  10. Milk ist eine gelungene Nachzeichnung der Taten des Politikers Harvey Milk, mit gelegentlichen Blicken auf sein Privatleben, die wirklich Sehenswert ist und mit Franco, Brolin (in der dt. Fassung leider mit mMn unpassendem Synchronsprecher) und Penn drei herausragende darstellerische Leistungen aufweisen kann, in der ersten Hälfte jedoch zu wenig emotionale Bindung aufweist und wohl leider auch nicht dazu fähig sein wird Homophobe und Verblendete aufzuklären - natürlich abgesehen von der Oscar-Academy die noch vor wenigen Jahren Brokeback Mountain ungerechtfertigt abstrafte, Milk dagegen gerecht behandelte.
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