Montag, 24. Oktober 2011

Scream 3

Nichtmal 365 Tage lagen zwischen den Kinostarts von Scream (1996) und Scream 2 (1997). Bis zum Kinostart zum Abschluss der ursprünglichen Scream-Trilogie sollte mehr Zeit vergehen: Erst im Februar 2000 fand Scream 3 den Weg in die Kinos. Fast ein Jahr zuvor, im April 1999, fand das Schulmassaker an der Columbine High School statt und änderte vorrübergehend die Empfindlichkeit gegenüber Mediengewalt. Konnten Scream 1 und 2 noch halb scherzend über vermeintlich medieninduzierte Gewalttaten sprechen, nahm man nach Columbine in den USA Distanz von ausufernder Gewalt in Filmen.

Blickt man heute zurück, wissen wir, dass es mit etwas Abstand zu Columbine in Sachen Mediengewalt nur deutlich härter wurde, Folter-Horror und mit CGI-Verstümmelungen gefüllte Remakes ziehen die Schockschraube noch viel mehr an, als es die ersten Scream-Filme taten. Aber im Frühjahr 1999, zum geplanten Produktionsbeginn von Scream 3, schien es zunächst unmöglich, wie gewohnt fortzufahren. Erst recht nicht mit der ursprünglich von Autor Kevin Williamson geplanten Handlung. Die Produzenten forderten einen neuen Ansatz, und da Williamson zudem mit anderen Projekten ausgelastet war, wandte man sich stattdessen an Ehren Kruger, der im Juli 1999 mit Arlington Road einen respektablen Erfolg feierte.

Für viele ist Scream 3 ein gewaltiger Bruch in der Scream-Reihe. Definitiv zeigen sich die turbulenten Produktionshintergründe auch im fertigen Film. Wie genau lässt sich nicht ohne Spoiler zu Scream 1 & 2 erläutern. Aber das erklärt sich ja von selbst.


Kevin Williamson wollte ursprünglich, dass Sidney in Scream 3 nach Woodsboro zurückkehrt. Dort sollte eine neue Mordserie vom Zaun brechen, deren Ursprung, wie sich herausstellen sollte, auch im Anfang der Filmreihe liegt: Killer Stu überlebte Scream und leitet als kriminelles Mastermind vom Gefängnis aus einen mörderischen Protégé. Aufgrund des Columbine Attentat lehnte man allerdings diesen Gewaltexzess, noch dazu vor einem Kleinstadt-Hintergrund, ab und ersetzte ihn durch einen weniger brutalen Trilogie-Abschluss, der weitestgehend auf seine Horror-Wurzeln verzichtet. Wie zwei schusselige Polizisten anmerken, erinnert der in Hollywood spielende Fall von Scream 3 eher an "Polizisten jagen einen Serienmörder"-Filme wie Se7en, bloß weitaus weniger grafisch...

Seit der in Scream 2 geschilderten Ereignisse stiegen sowohl Gale Weathers, als auch Cotton Weary zu bekannten Talkshowmoderatoren auf, wobei insbesondere letzterer mit seiner Sendung 100% Cotton (muhahaha) äußerst kontrovers aufgenommen wird. Eines Abends wird Cotton während seiner Heimfahrt von einem vermeintlichen Fan angerufen - aber schnell stellt sich heraus, dass es ein in seinem Haus lauernder Killer ist, der Informationen über Sidneys neuen Wohnsitz erpressen will. Cotton hält dicht - und zahlt mit seinem Leben.

Sidney lebt mittlerweile von der Außenwelt abgeschieden auf einem mehrfach abgesicherten Landhaus, wo sie unter dem Decknamen Laura als Telefonseelsorgerin für Frauen in Not tätig ist. Als sie davon erfährt, dass die Darsteller von Stab 3 nach und nach einer Mordserie zum Opfer fallen, vereint sie sich mit ihren letzten Vertrauten, den mittlerweile zerstrittenen Dewey und Gale, um bei den Ermittlungen gegen den Täter zu helfen. Will jemand die Karriere des Regisseurs sabotieren? Ist es ein menschenverachtender Publictiy-Stunt? Oder hat der Täter etwas mit dem Mord an Sidneys Mutter zu tun, welche ihrer traumatisierten Tochter neuerdings wiederholt erscheint?


Oh Leute, oh Leute, wo fange ich nur an? Mh, am besten mit dem Tod von Cotton Weary: Was für ein verschenkter Moment. Würde er ähnlich wie Randy gen Mitte des Films sterben, wäre es vielleicht ein Schock. Eine mehrdimensionale, charismatische und dennoch einschüchternde Figur direkt im Intro zu verbraten, hat natürlich etwas von einem Konventionsbruch, dessen erschütternde Wirkung wird allerdings absolut verschenkt. Wenn der Betrachter zu Beginn des Films Cotton wiedertrifft, ist er ein gänzlich anderer Mensch, als noch in Scream 2. Als wohlhabender, beliebter, wenngleich umstrittener Talkshow-Moderator mit gänzlich neuen Charakterzügen könnte es auch eine völlig andere Figur sein. Nur der Name und Darsteller Liev Schreiber erinnern uns daran, dass dies Cotton ist. Eine solche Charakterumkrempelei kann wirksam sein, würde man etwa beleuchten, wie er sich veränderte und dem Zuschauer wieder Zeit geben, sich an den "neuen" Cotton zu binden, so hingegen fällt Cottons Tod völlig flach. Selbst als nur indirekt mit dem Film verbundener, erster Mord in einer ganzen Serie (analog zum Intro von Scream 1 & 2) ist diese Sequenz nur ein schwacher Schatten der ersten Teile. Durch den Trieb "größer, schneller, weiter" zu sein, wird das Auflauern des Killers in Cottons Haus mit Zwischenschnitten zu behäbigen Auto-Stunts gestreckt, so dass keine beklemmende Stimmung aufgebaut wird. Die eigentliche Tat ist dann auch in Sekundenschnelle vorbei - von der Gewalteskalation in Scream oder der Zynik aus Scream 2 ist nichts zu spüren.

Dies ist nicht allein die Schuld der nach Columbine (kurzzeitig) weich gewordenen Miramax Studios, sondern auch des neu dazugezogenen Autors Ehren Kruger. Kruger gesteht selbst, dass er kein wirkliches Gefühl für die Scream-Figuren entwickeln konnte, er etwa Sidney in manchen Entwürfen zu einer viel zu taffen Powerfrau umgestaltete, und ihn Regisseur Wes Craven regelmäßig auf den rechten Pfad leiten musste. Nun kann ein Wes Craven sich ja auch nicht um alles kümmern, und das merkt man Scream 3 überdeutlich an. Keine der wiederkehrenden Figuren ist sich hundertprozentig treu geblieben, alle fühlen sich leicht "falsch" an. Am besten steht ganz klar Sidney da. Und das muss man vor allem Neve Campbell zu gute halten, deren Schauspiel, meiner Meinung nach, um ein Vielfaches besser geworden ist. In Scream 3 ist ihre Furcht viel deutlicher und lebensnaher, ihre aufkeimende Hoffnung, ihre Verzweiflung... all das bringt Campbell richtig gut zur Geltung. Schade nur, dass sie ihre beste Leistung der Trilogie im schlechtesten Teil abgeben muss...

Der neue Cast wiederum ist erschreckend farblos. Keine der neuen Figuren hat nennenswerte, sie vom Rest abhebende Charakterzüge, und stellenweise wird der Zuschauer über das vermeintliche Wesen einer Figur informiert, ohne dass sich dies daraufhin auch nur ansatzweise zeigt. So wird ein selbstironischer Gag darüber gemacht, dass Deon Richmonds Figur Tyson Fox in Stab 3 einen billigen Ersatz für eine bereits bekannte Figur spielt (er verteidigt sich, es sei viel eher eine "Hommage") - aber ohne diesen Wink käme niemand darauf, dass die Scream 3-Figur Tyson Fox auch nur eine der beiden Funktionen erfüllt. Patrick Dempsey wiederum weiß überhaupt nicht, wie er seinen Polizisten anlegen soll. Nett, bedrohlich, verräterisch schleimig, dümmlich... er probiert in jeder seiner Szenen einfach sämtliche Möglichkeiten durch, hoffend, dass irgendwas hängen bleibt und aufgeht. Eine vergebliche Hoffnung.


Auch die Meta-Ebene sowie der Humor von Scream 3 fühlen sich für mich nicht mehr korrekt an. Auf der einen Seite gibt es in Scream 3 weniger ausgewachsene, richtige Lacher. Gleichzeitig ist der groß angekündigte Trilogie-Abschluss von der Gesamtstimmung her lockerer, flockiger, komödienhafter. Nur halt ohne die so essentiellen Pointen. Die Art des Meta-Humors verstärkt diese Wirkung: Er ist nicht mehr so bissig, wie in Scream 1 & 2, und zugleich ist er längst nicht mehr so real. In den Vorgängern gab es überzeichnetere Momente, doch generell sprachen die Filmfiguren über Horrorstreifen, wie es echte Menschen tun. Scream 3 versucht sich zu sehr als Kommentar über das Medium, die Seitenhiebe auf Klischees und Medienrezeption sind schlicht konstruiert. Selbst Randys Videobotschaft, die von Jamie Kennedy mit Charisma, Leben und gesunder Ironie rübergebracht wird, ist ein behäbig in die Handlung geklopptes Element, das sämtliche Authentizität verloren hat und eher wie eine vom Drehbuchautor in die Welt seiner naiven Figuren platziert wurde.

Da Scream 3 die Bodenhaftung eh schon verlor, wäre es wohl am klügsten gewesen, richtig in die Vollen zu gehen. So taucht, für nur eine einzige Szene, Randys uns bislang völlig unbekannte Schwester auf. Unsere Filmhelden kennen sie dagegen schon seit langem und freuen sich, sie wiederzusehen. Das hätte man sehr clever nutzen können um die Filmhandlung besser aufzubereiten, außerdem wäre es nur zu angebracht, sich auch ausgiebig über diesen klassischen Autorenkniff zu mokieren. Stattdessen kommt sie, übergibt ein Video und geht ins Nirgendwo. Oh, und während der Gastauftritt von Jay & Silent Bob für andere lachhaft ist, finde ich die Idee an sich nett. Bloß wird nichts aus ihr gemacht. Ein Fehler, den Scream 3 recht häufig macht...

Trotzdem gibt es in Scream 3 wenigstens ein paar Meta-Kommentare, die durchaus sitzen. Die Darsteller von Stab 3 ärgern sich beispielsweise darüber, dass man aus Angst vor Internet-Leaking gleich drei versionen des Skripts erhielt - ganz so, wie bei Scream 3, bei dem man wegen des Lecks während der Produktion von Scream 2 besonders vorsichtig vorging. Und sowohl Teil 2, als auch Teil 3 wurden mehrfach umgeschrieben, was auch die Stab 3-Darsteller erdulden müssen. Sehr schön ist auch der Satz, Popkultur sei die Politik des 21. Jahrhunderts - durchaus wahre Worte, die in Scream 3 leider kein Stück weit mehr verfolgt werden.
Dafür liebe ich Sidneys gefrusteten Aufschrei, dass Psychopathen aufhören sollten, dauernd ihre Eltern oder die Medien für ihre Taten zu beschuldigen - sie töten, weil sie wollen, und sollten gefälligst anfangen, sich selbst dafür verantwortlich zu machen. Ein schöner Schlusspunkt für das heimliche, wiederkehrende Thema der Scream-Serie.


Was mich ebenfalls an Scream 3 stört, wobei das eher ins Feld der persönlichen Preferenzen rückt und nicht schon an und für sich ein großer Makel ist, ist das Neuschreiben der Vergangenheit Sidneys. Die Umstände des Mords an Sidneys Mutter waren bereits den handelnden Figuren und dem Zuschauer bekannt - es gab keine Ungereimtheiten, welche Scream 3 für eine eigene Geschichte ausnutzen konnte. Dass der Fall in Scream 3 neu aufgerollt und umgeschrieben wird, ist entweder ein unerwarteter Twist oder an den Haaren herbeigezogener Bullshit, der auf keinerlei zuvor etablierter Grundlage fußt. Je nach persönlichem Anspruch, den man an Plottwists stellt.

Aber nicht allein das Drehbuch, sondern auch die Inszenierung ist schwächer, als in den ersten Scream-Filmen. Wes Craven war wohl sehr frustriert, dass die Weinsteins einen blutleeren Scream-Film haben wollten, und dass Craven dennoch erneut Rangeleien mit der MPAA hatte, verärgerte den Regisseur nochmehr. Und dabei war er eh schon unmotiviert: Er willigte zu diesem Zeitpunkt nur ein, Scream 3 zu drehen, wenn Dimension Films danach sein Wunschprojekt (ein Musikdrama) unterstützt.
In einer Szene läuft Craven fast wieder zur alten Form auf: Sidney stolpert auf das Woodsboro-Set in den Studios, wo Stab 3 gedreht wird. Dort werden ihr die traumatischen Ereignisse aus Scream wieder vor Augen geführt, und auch wenn dieses Aufeinandertreffen von Kunstwelt und Vergangenheit nicht ganz so schaurig umgesetzt wird, wie es könnte, so hat diese Sequenz eine unwohle (und dadurch für den Betrachter auch coole) Eigenart an sich, die sie vom Rest des Films abhebt. Ansonsten ist Scream 3 zu einem dieser beliebigen, ideenlosen Horrorfilme geworden, den man zuvor noch angriff: Hollywood-Gesetze der Pysik, billige Schreckeffekte, feige "Es war nur ein Traum!"-Momente, sich idiotisch verhaltende Figuren und eine effekthascherische Auflösung, die aber auch durch jedwedes anderes Killer-Motiv ersetzt werden könnte. Am eigentlichen Film ändere sich nichts.

Um somit also zum Schluss zu kommen: Scream 3 ist langweilig, voller Logik- und Charakterisierungslücken und kurz davor, eine Beleidigung gegenüber Scream 1 & 2 zu sein. Dass dies abgewendet werden konnte, ist der Verdienst einer großartig agierenden Neve Campbell, kleinerer gelungener Meta-Gags (sowie einer Verwendung eines Eispickels, was ein sehr leiser, deshalb genialer Rückgriff auf einen Joke aus Scream ist) und der überdurschschnittlichen Verfolgungsjagd durch das Woodsboro-Set. Ansonsten ist es ein Horrorfilm ohne Schrecken, eine Komödie, die auf Witze verzichtet, und ein Abrutschen der intelligent mit Klischees spielenden Scream-Reihe in eine simple Aneinanderreihung von Klischees.

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