Dienstag, 1. Mai 2012

Project X


Project X ist das Kino-Regiedebüt des britisch-iranischen Werbefilmers Nima Nourizadeh und genoss vorab aufgrund der Beteiligung von Hangover-Regisseur Todd Phillips in einer Produzentenrolle sowie der geheimnisumwitterten frühen Marketingkampagne massiven Internethype. Die US-Jugendfreigabe sprach von "crude and sexual content throughout, nudity, drugs, drinking, pervasive language, reckless behavior and mayhem - all involving teens", Reaktionen von Besuchern einiger Previews schätzten Project X als den ultimativen Partyfilm ein. Professionelle Filmkritiker richteten die derbe Teenagerkomödie kurz darauf zu Boden. Aber wovon genau handelt Project X überhaupt? Er wird ja wohl kaum ausschließlich aus schnell geschnittenem Party-Videomaterial bestehen, wie einem manche der Trailer zu suggerieren scheinen ...

Tatsächlich hat Project X so etwas wie eine Story: Der unscheinbare Thomas (Thomas Mann) wird 17 Jahre alt. Da seine Eltern in Kurzurlaub fahren, hat Thomas sturmfreie Bude, weshalb sich sein Freund Costa (Oliver Cooper) vornimmt, für Thomas in dessen Haus die ultimative Geburtstagsparty zu veranstalten. Diese soll zum gigantischsten und geilsten Event ihrer Highschool-Zeit werden und sie so, gemeinsam mit ihrem stillen Kumpel JB (Jonathan Daniel Brown), in der sozialen Hackordnung nach ganz oben katapultieren. An diesem Abend soll es nur darum gehen, ordentlich die Sau rauszulassen und Schlampen flachzulegen. Dank dunkler Kontakte ist nicht nur für Alkohol, sondern auch für Gras gesorgt, was die Stimmung auflockern und aus den Losern Legenden machen soll. Aus den anfangs geplanten 50 Gästen werden rasch 100 (schließlich bringt jeder jemanden mit), aber aus 100 werden ebenso rasant 200, und kaum ist die Grenze überschritten, spricht sich im Web rum, dass bei Thomas ein hammergeiles Event läuft, das niemand verpassen darf. Die Situation eskaliert, und so mutiert die Party zu einer Nacht, aus der Sagen gesponnen werden können ...

Inspiriert ist Project X von den sich häufenden Fällen aus dem Ruder gelaufener Massenpartys, jene Feiern, die öffentlich über Facebook organisiert wurden und durch ihren enormen Andrang mal so eben ganze Straßen mit feiernden Teenagern füllten. Die Produzenten Alex Heinemann und Todd Phillips füllten diesen Rahmen mit Anekdoten über denkwürdige Partys, die sie selbst besuchten oder auf denen zumindest Freunde von ihnen waren und erteilten den Autoren Michael Bacall & Matt Drake den Auftrag, aus diesen Versatzstücken eine alles vereinende Handlung zu formen. Dazu griffen sie auf ein Konzept zurück, das man aus wilden Jugendkomödien bereits bestens kennt: Eine Truppe Verlierertypen schlägt über die Stränge, um sich als cool zu beweisen und Frauen klar zu machen. Das sah man schon in Porky's, Risky Business, Superbad und Co. Mit diesen Genregrößen kann sich Project X aber keinesfalls messen lassen. Leichtfertig mag man vielleicht glauben, dass es bei einem Partyfilm allein um die Party ginge, doch Klassiker wie Animal House bewiesen ein ums andere Mal, dass es auch um die filmische Grundstimmung sowie die Figuren geht.

Die Hauptfiguren in Project X haben weder das Charisma des so reizvoll zusammengewürfelten Hangover-Rudels, noch gerieten sie zu so auf den Punkt karikierten Identifikationsfiguren wie die Superbad-Truppe. Während Geburtstagskind Thomas ein absolut blasser Langweiler ohne Rückgrat ist, stellen seine zwei Kumpels jeweils eine Hälfte eines misslungenen Jonah-Hill-Klons dar: Der prahlerische Pullunderträger Costa kann nicht für eine Minute sein vulgäres, asoziales Mundwerk halten, aus dem unablässlich beleidigende Verbalscheiße tropft und soll somit wohl das nach außen gekehrte Pseudo-Ego typischer Jonah-Hill-Figuren nachahmen. Stattdessen aber geht dieses Loser-Arschloch mit der sich eingebildeten Coolness eines Superstars einfach nur auf die Nerven. JB wiederum bekommt das verschähmte, nerdige von Hills Superbad-Rolle ab, also genau das, was als unterschwelliges Element des prahlerischen Costas einen greifbaren, echten und durchaus interessanten Charakter ausmachen würde. Ausgekoppelt geht JB hingegen vollkommen unter, wenn er kurz etwas amüsantes zu Gespräch bringt, ist es sogleich vollkommen out of character, und weshalb seine Freunde ihm stets eine geistige Behinderung unterstellen, ist weder nachvollziehbar, noch witzig. Die Project X-Hauptakteure sind letztlich also entweder unausstehliche Arschgeigen oder unscheinbar, was wiederum dazu führt, dass der gesamte auf die Party vorbereitende Prolog unfassbar zäh und anstrengend durchzusitzen ist, weil jede Minute, die sich allein auf diese drei Freunde konzentriert einer akustischen Tortur gleicht.

Vor allem jedoch hat dies zur Folge, dass sich das Involvement als Zuschauer dem Nullpunkt nähert. Ob die Party scheitert oder zu einem vollen Erfolg wird, ist vollkommen gleichgültig. Ganz anders etwa bei Animal House, Hangover und Co., ihres Zeichens ebenfalls derbe, inkorrekte Komödien, bei denen man sich auf die Seite von Chaoten stellt, mit denen man nicht zwangsweise jedes Wochenende verbringen möchte. Dem Hangover-Rudel gönnt man als Zuschauer jeden Erfolg, doch irgendwo ist man auch für ihre Missgeschicke schadenfroh. Was auf der Party in Project X geschieht, ist aufgrund des desaströsen Vorlaufs unbedeutend. Man leidet nicht, wenn etwas zu Bruch geht, doch da der Film sich klar auf die Seite der Jungs stellt, ist es schwer, den missgünstigen Miesepeter zu spielen und innerlich die Eskalation mit "Geschieht euch recht!" zu kommentieren. Der Partybeginn gleicht deswegen einfach nur einer zu monotonen Elektromucke geschnittenen, chaotischen Bildfolge, die nur bedingt ein Gefühl von Freiheit, Losgelöstheit und jugendlicher Lebensfreude vermitteln kann.

Die unausstehlichen Figuren verlieren im letzten Drittel von Project X für eine Zeitspanne von grob zwanzig Minuten an Bedeutung, wenn die Absurdität, mit der diese bombastische Party eskaliert, so stark anzieht, dass die Masse an verrückten Aktionen für sich selbst sprechen und dadurch auch unterhalten kann. Ein Kultfilm will auch dann nicht aus dem Schutthaufen dieser im Videotagebuch-Stil gehaltenen Produktion aufsteigen, allerdings reicht es, um für diesen Part als Bewegtbild-Äquivalent der Hangover 1& 2-Abspannsequenzen durchzugehen. Sex, Drugs, destruktives Verhalten und ein eigenwilliger Musikgeschmack – für ein paar Schmunzler genügt es, aber hier steht sich Project X dann mit seinem gewählten Format selbst im Weg, um noch mehr daraus zu machen. Die Abspänne der Hangover-Filme sind witzig, weil man die Figuren mag und um deren wilden Eskapaden zuvor ein Geheimnis gemacht wurde. Project X könnte sich als ein "Mittendrin auf einer unnachahmlichen Party"-Streifen eine eigene Nische schaffen, jedoch sind die vielen Medienwechsel und schnellen, willkürlichen Schnitte überambitioniert: Acht unterschiedliche Kamerasysteme (vom Stil eines Profi-Videobloggers zu mittelprächtigen Digicams hin zu schrottigen Handykameras) und weit über ein Dutzend unterschiedlicher Bildquellen führen aufgrund der undisziplinierten Schnittarbeit zusammen mit dem lustlos durchgezogenen Handlungsfaden dazu, dass man sich nicht "mittendrin, statt nur dabei fühl". Viel eher wirkt Project X, als hätte man am Wochenende die geilste Party der Stadt verpasst, und schaue sich nun auf YouTube eine Zusammenfassung der Ereignisse an, die jemand ohne größeres Schnitttalent rausgerotzt hat. Project X könnte wie eine Party wirken, setzt seinem Zuschauer aber bloß den Spaß vor, den ein Haufen Spaten hatte.

Wirklich amüsant sind deshalb nur vereinzelte, längere Party-Vignetten wie etwa das unerwartete Aufkreuzen unerwarteter Gestalten (was auf übertriebene Weise an echte Feiern erinnert, wo man Leuten begegnet, die nicht dorthin passen beziehungsweise nicht dorthin passen wollen) sowie jede Szene mit der schlechtesten Security in der Geschichte des zelebrierten Besäufnis. Dennoch ist das bei weitem nicht genug, um Project X davor zu bewahren, eine gigantische Enttäuschung darzustellen. Und das nicht allein wegen der anstrengenden Hauptfiguren oder dem feigen Abschluss. 

Project X hätte mit einer disziplinierteren Vorbereitung seitens der Filmemacher und einem standfesteren Skript das Zeug dazu, ein Jugendfilm für die Generation iPhone zu sein, der den Zeitgeist einfängt und sich auch solcher Phänomene wie Gruppenverhalten oder der Eigendynamik von Partys annimmt. Versatzstücke sind vorhanden, so macht die Atmosphäre nach einem herben, persönlichen Rückschlag für Thomas wenige Minuten lang einen drastischen Absturz ins Unwohle: Die Bildästhetik ist gedämpft bis düster, die Gesichter der Partygäste verschreckend, und obwohl sich die Musik ins elektronische Party-Allerlei einfügt, hat sie etwas Desorientierendes an sich. Dieser Eindruck, Project X vermöge es, die Wandelbarkeit der subjektiven Empfindung einer langen Partynacht einzufangen und dabei auch noch zu unterhalten, verfliegt jedoch genauso schnell, wie er zuvor aufkam.

Wenn Project X irgendetwas hinbekommt, dann ist es die Nachdringlichkeit, mit der er einem Lust macht, wieder ordentlich feiern zu gehen. Das ist nicht nur tausendfach besser, als sich diesen Film anzusehen, wenn man es richtig macht und Freunde hat, die nicht so aufgeblasene Sackratten sind wie die von Thomas, kann sich auch bessere Musik und sympatischere Begleitung beschaffen, als es die Project X-Kids getan haben.

1 Kommentare:

Michael hat gesagt…

Hatte mir den Film gestern im Kino (CineStar Leipzig) angeschaut. Er hat mich durch seine witze Art gut unterhalten. Den Film kann man mit Hangover sehr gut vergleichen. Auf jeden Fall sollte man bei dem Film das "Hirn" abschalten und die Story genießen :D Wer Hangover mag, wird diesen Film lieben !!!

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