Donnerstag, 4. Oktober 2012

Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt

Das Melancholia für jene, die noch an das Schöne im Leben glauben

Was würdest du tun, wenn die Tage der Menschheit ein für alle mal gezählt wären und das Ende der Welt bereits in einem Monat einträfe? Nicht mehr zur Schule, Uni oder Arbeit gehen? Ohne jede Rücksicht auf deine Statur essen, wonach es dir gelüstet? Mit jedem ungeschützten Sex haben, der sich dir hingibt, weil Beziehungsstress, Schwangerschaften und sexuell übertragbare Krankheiten einen Monat vor Auslöschung der menschlichen Zivilisation unbedeutend geworden sind? Dir Heroin spritzen, weil ... naja, wieso nicht? Würdest du dich vom Dach eines Hochhauses stürzen? Oder würdest du versuchen, endlich zu der Person zu finden, in deren Armen du dich jederzeit geborgen fühlst, selbst im Angesicht des Weltuntergangs?

Ich gestehe: Ich schätze mich als einen dieser romantisch-kitschigen Langweiler ein, zu denen auch Dodge Petersen (Steve Carell) zählt. Gut, ich würde wohl kaum noch meinem geregelten Tagwerk nachgehen, würde stattdessen wenigstens einge all jener Filme sehen, die ich schon immer sehen wollte und die ich vor dem Ende aller Tage nochmal sehen möchte. Und sicherlich würde ich nicht weiter auf meine schlanke Linie achten. Aber wieso die Wegstrecke zum Ende der Welt mit Randalen und Orgien verplempern, wenn ich stattdessen endlich romantische Erfüllung finden könnte?

Für Dodge Petersen schien die Suche danach eigentlich beendet. Aber kaum kündigen die Radionachrichten an, dass die letzte Hoffnung für die Menschheit trügerisch war, nimmt seine Ehefrau Reißaus. Erst die sichere Bestätigung, dass die Welt untergehen wird, gab Dodges unglücklicher Gattin den Mut, ihn eiskalt zurückzulassen. Dieser verfällt darauf in eine Lethargie, aus die ihm weder die Zugeständnisse seines Arbeitgebers (ab sofort ist jeden Tag legere Kleidung erlaubt und im höheren Management sind Stellen frei geworden!), noch die ausgelassenen Feiern seiner Freunde herausreißen können. Erst als seine Nachbarin Penny Lockhart (Keira Knightley) heulend vor seinem Fenster sitzt, die Trennung von ihrem Freund betrauernd, wacht Dodge aus seiner emotionalen Starre auf und versucht, der liebenswert verpeilten, jungen Frau das Gefühl zu geben, dass noch nicht alles verloren ist. Ausgerechnet sie ist es dann, die ihm unwissentlich mitteilt, dass er jahrelang von seiner getürmten Frau betrogen wurde, was ihn in blinde Wut stürzt. Als er auch noch erfährt, dass ihn seine große Jugendliebe vor Monaten vergeblich zu kontaktieren versuchte, macht sich Dodge auf, sein Leben auf die Reihe zu kriegen, ehe der auf die Erde zurasende Asteroid ihn und die restliche Menschheit auslöscht. Penny leistet ihm dabei auf ihre gewöhnungsbedürftige Art Unterstützung, um ihr Fehlverhalten gegenüber Dodge wieder gut zu machen. Es beginnt ein ebenso schräger wie melancholischer Roadtrip durch die USA ...

Als Teil des "Frat Pack" rund um Ben Stiller, Will Ferrell, Vince Vaughn und Co. sowie der "Apatow Mafia" rund um Regisseur/Autor/Produzent Judd Apatow und die Darsteller Seth Rogen, Jonah Hill, Jason Segel und Konsorten ist Steve Carell niemand, dem zotiger, lauter Humor fremd ist. Jedoch entwickelt sich der Star aus The Office seit einiger Zeit auch zu einer sicheren Bank im Bereich der reifen und melancholischen Romantikkomödie, die beide Geschlechter gleichermaßen ansprechen will. Nach dem sträflich vernachlässigten Touchstone-Film Dan - Mitten im Leben und dem erstaunlich liebenswürdigen Crazy, Stupid, Love. brilliert Carrell nun auch in dieser atmosphärisch vielschichtigen Weltuntergangs-Liebeskomödie von Lorene Scafaria. Carrell stellt mit gewinnender Ruhe den Langweiler in jedem von uns dar, die bürgerliche Spießigkeit, die sich in gewissen Situationen als die richtig liegende Stimme erweisen kann, da die Suche nach Romantik eben doch größere Erfüllung bieten kann, als die wilde Heroinparty mit aufdringlichen Freunden. Und Steve Carell wäre nicht Steve Carrell, wenn er Dodge Petersen nicht mit dem genau richtigen Timing gegen den Strich handeln und so überzeugend zu einer abgerundeten Figur formen würde.

Einen kategoriell so sperrigen Film wie Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt, der schrägen, blödelnden und hintersinnigen Humor, Melancholie, romantischen Optimismus und Weltuntergangsdramatik abdeckt, kann aber nicht der Hauptdarsteller alleine tragen. Die Theaterautorin und Musikerin Scafaria empfiehlt sich mit ihrem Regiedebüt jedoch glücklicherweise als atmosphärische Drahtseiltänzerin. Zwar werden die tonalen Verschiebungen des Films, der als schräge "Wie sähe die Gesellschaft aus, wäre das Ende der Welt gewiss?"-Komödie beginnt und graduell zu einer inspirierten und liebevollen, aber auch ausweglosen Liebesgeschichte wird, manchen Zuschauer von der Handlung distanzieren, aber es ist ein konsequenter und, ist man willens sich darauf einzulassen, auch ein emotionaler Weg. Schließlich zeichnet der Film somit doch nach, wie so manch einer die Nachricht des Weltuntergangs aufnehmen würde. Eingangs impulsiv, dann einen Sinn suchend und schlussendlich, hoffentlich, mit seinem letzten Entschluss im Einklang. Die Stimmungsänderungen kommen in Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt zumeist aus den Figuren und der Handlung heraus und fühlen sich somit nicht aufgezwungen an, wenngleich es schade ist, dass Scafaria ihren humoristisch-angriffslustigen Blick auf das Endzeitszenario recht früh fallen lässt. Sobald sich Dodge und Penny auf die gemeinsame Reise machen, stolpern sie nur vereinzelt in skurrile Situationen (etwa in eine schrille Sause in einem hyperfreundlichen Restaurant), während der besonnenere Part Vorrang bekommt. Dieser ist dank der Hauptdarsteller, der natürlichen Dialoge und Scafarias einfühlsamer Inszenierung zwar tatsächlich der Hauptgrund, weshalb Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt so viel Nachhall entfaltet, allerdings könnte diese melancholische Liebeskomödie gegen Ende des zweiten Drittels doch etwas mehr schrägen Randhumor vertragen, um die Gefühle der Kernhandlung noch stärker zu unterstreichen.

Auch Keira Knightleys Darbietung stützt die atmosphärische Entwicklung der Geschichte. Ist Penny anfangs noch ein Paradenbeispiel für das "Manic Pixie Girl", eine zerstreute, zuckersüße, in ihrer Naivität aber auch anstrengende Zeitgenossin, gewinnt sie Szene für Szene an Erdung und offenbart den verletzlichen, inspirierenden Menschen hinter der quirligen Fassade. An Kollegin Natalie Portman, die in Garden State die womöglich beste Performance als wirres, gutherziges Mädel im Zentrum einer nachdenklich gestimmten Komödie abgab, reich Knightley hier nicht heran, dennoch wächst einem die eingangs kurzweilige, doch einsteitige Rolle mit Verlauf des Films mehr und mehr ans Herz.

Besondere Nennung verdient zudem die Songauswahl voll mit eingängigen Indie-Titeln und gedankenvollen, ruhigen Rockballaden, die Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt in ein angemessenes Klangkleid bettet.

Mit etwas mehr Biss in den Humorpassagen, mehr Schwung kurz vor dem berechtigterweise besonnenen Finale und einem früher klar werdenden, mehrschichtigen Profil für Penny wäre Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt absolute Pflicht für alle Freunde ruhiger Komödien. Dank der vielen Stärken, insbesondere den hoch emotionalen, nicht aber überdramatisierten, letzten zehn bis fünfzehn Minuten ist dieser optimistisch-realistische Gegenentwurf zu Melancholia trotzdem eine klare Empfehlung für jene, die in ihren Komödien auch leidvoll schluchzen können, Steve Carrell in seinen ruhigen Rollen lieben, Keira Knightley gerne öfter in kontemporären Geschichten sehen möchten oder die einfach nur das Ende der Welt mit einem heilsamen Gefühl der Geborgenheit erleben wollen.

Siehe auch:

2 Kommentare:

Zeitzeugin / Wortgezeiten hat gesagt…

Klingt interessant, notiere ich mir mal. danke für den Tipp :)

moep0r hat gesagt…

Hoert sich gut an, habe von dem Film bis dato leider noch gar nichts gehoert.

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