Freitag, 31. Oktober 2014

Erlöse uns von dem Bösen


Obwohl Erlöse uns von dem Bösen bereits in Produktion war, bevor Gore VerbinskisWesternspektakel Lone Ranger in die Kinos kam, wirkt die Veröffentlichung dieses Horrorthrillers wie ein erst kürzlich geplantes Statement der Produzentenlegende Jerry Bruckheimer: In jüngerer Vergangenheit widmete sich der 70-Jährige vor allem Abenteuerfilmen für ein möglichst breit gefächertes Publikum. Mit dieser Taktik feierte Bruckheimer einige der größten Erfolge seiner Karriere (man denke an das Pirates of the Caribbean-Franchise), gleichwohl schnitten Filme wie Duell der Magier weit unter den wirtschaftlichen Erwartungen ab. Nachdem dann obendrein der kostspielige Lone Ranger in den USA nicht einmal 90 Millionen Dollar einnahm, beendete der Disney-Konzern von großem Pressegetöse begleitet seinen langjährigen First-Look-Deal mit dem Vermächtnis der Tempelritter-Produzenten.

Bruckheimer reagierte, zumindest in Pressestatements, gelassen auf das unschöne Ende seiner Kooperation mit Disney. Er habe die Zusammenarbeit sehr genossen, freue sich auf künftige gemeinsame Projekte wie den fünften Pirates of the Caribbean-Teil, und wolle diese Zäsur für eine stilistische Umorientierung nutzen. Kommende Kinoproduktionen Bruckheimers sollen wieder die Mentalität seiner früheren Filme wie The Rock, Con Air oder Beverly Hills Cop versprühen. Nun, etwas mehr als ein Jahr nach Lone Ranger kommt also Erlöse uns von dem Bösen daher, so als sei der Film ein überdeutliches Signal: Der familienunverträgliche Jerry Bruckheimer ist zurück – und mit ihm auch die Optik eines gestandenen 90er-Jahre-Thrillers für ältere Jugendliche und junge Erwachsene.

Erlöse uns von dem Bösen trägt jedoch nicht allein den Bruckheimer-Stempel, sondern ist mindestens ebenso sehr ein Scott-Derrickson-Film. Derrickson machte sich durch seine Regiearbeiten Der Exorzismus von Emily Rose und Sinister einen Namen als Spezialist dafür, archetypische Horroraspekte mit frischen Ansätzen zu versehen. Vor allem letztgenannter Film kokettierte über weite Strecken damit, den Stil genretechnischer Durchschnittsware zu imitieren, nur um dann mit immer ungewöhnlicheren, harscheren Entwicklungen letztlich doch sein ganz eigenes Ding durchzuziehen. Erlöse uns von dem Bösen ist in diesem Hinblick ein indirektes Sinister-Gegenstück: Horrorfans und Anhänger klassischer Copthriller werden einige Versatzstücke von Erlöse uns von dem Bösen aus früheren Filmen wiedererkennen. In dieser Zusammenstellung aber ergeben diese Elemente einen atmosphärisch dichten Spannungsfilm, der durch seinen Mix aus Dämonengrusel und Crimespannung ein fesselndes Konzept kreiert.

Die Grundlage für Bruckheimers Ausflug ins Horrorgenre (beziehungsweise Derricksons Ausflug in die Welt der Jerry-Bruckheimer-Ästhetik) ist das in Zusammenarbeit mit Lisa Collier Cool geschriebene Buch „Beware the Night“ des New Yorker Polizisten Ralph Sarchie. Sarchie behauptet, im Laufe seiner Polizeikarriere in Kontakt mit übernatürlichen Phänomenen gekommen zu sein, woraufhin er sich in die Praktiken des Exorzismus einweihen ließ. Lose an diesem vermeintlichen Sachbuch entlanghangelnd erzählt Erlöse uns von dem Bösen die Geschichte von Sarchies erstem andersweltlichen Fall, wobei Derrickson zu Gunsten des Thrills nach kurzer Eingewöhnungphase jegliche Ambiguität fallen lässt. In seinem Film muss die von Eric Bana verkörperte Leinwandversion Ralph Sarchies schon früh vom unkonventionell agierenden Priester Mendoza (Édgar Ramírez) erlernen, dass es auf der Welt zwei Arten des Bösen gibt: Das durch den Menschen ausgeübte sekundäre Böse und das unbegreifliche primäre Böse.

Und mit genau dieser Form der puren Boshaftigkeit bekommt es Sarchie erstmals tun, als er eines Nachts in einen Zoo gerufen wird, um herauszufinden, wieso eine heruntergekommene Frau urplötzlich ihr Kleinkind in ein Löwengehege geworfen hat. Während seiner Ermittlungen wird er von einem dürren, finster aussehenden Mann angegriffen, der spurlos in den Schatten verschwinden und offenbar Löwen Befehle erteilen kann. Dieser rätselhafte Mann namens Santino (Sean Harris) gibt Sarchie auch in den darauffolgenden Tagen Rätsel auf und mit jedem Auftauchen Santinos muss der ungläubige Sarchie mehr und mehr einsehen, dass er ohne den geistlichen Beistand Mendozas aufgeschmissen ist …

Die größte Stärke dieser Genremischung ist die schneidige Optik, die gekonnt die übliche Horrorfilmdüsternis mit der Videoclip-Dynamik eines jugendorientierten 90er-Thrillers vereint. Wer sich gelegentlich dabei erwischt, den Look größerer Actionthriller besagter Dekade zu vermissen, wird das matte Schwarz und die dunkel glänzenden Großstadtlichter in Erlöse uns von dem Bösen gewiss genießen. Kameramann Scott Kevan (Underworld: Awakening) und Regisseur Derrickson geben ihrem Film mit dieser Ästhetik durchgehend ein zwar aufpoliertes Äußeres, achten gleichwohl aber darauf, die Atmosphäre von Beginn an sehr beklemmend zu halten. Die dunkle Farbpalette, die bedrohlich fallenden Schatten und der elektronische Akzente setzende Score von Christopher Young (Drag Me to Hell) geben selten Gelegenheit zum Aufatmen – und da die audiovisuelle Komponente von Erlöse uns von dem Bösen eben nicht genretypisch dreckig daherkommt, erscheinen auch die üblichen Aufschreckmomente nur in wenigen Fällen klischeehaft.

In der ersten Filmhälfte macht sich Derrickson einen Spaß daraus, an der Spannungsschraube zu drehen und letztlich doch nur Figuren durchs Bild stolpern, Katzen aufschreien oder Stofftiere umfallen zu lassen. Je mehr Glauben der von Eric Bana verbissen gespielte Grobmotoriker Sarchie dem Übernatürlichen schenkt, desto öfter mischt sich jedoch echter Grusel zwischen die falschen Fährten, so dass sich die Spannung des Films zwischenzeitlich daraus generiert, dass man sich als Zuschauer fragt: Legt mich der Streifen nur wieder rein oder passiert gleich tatsächlich etwas Übles?

Obwohl Banas Rolle einen an Genrestandards gemessen plausibel voranschreitenden Glaubenswandel durchmacht und die stückchenweise erfolgenden Enthüllungen über seine inneren (sprichwörtlichen!) Dämonen überzeugend gespielt sind, ist der wahre Frontmann des Films Édgar Ramírez. Als irdisch-sündigen Genüssen nicht abgeneigter Priester mit Rockstaraura verleiht er Erlöse uns von dem Bösen ein Alleinstellungsmerkmal und den Charaktermomenten einen gewissen Pepp. Das Zusammenspiel zwischen Bana und Ramírez tröstet, auch dank einiger thematisch durchdachter Dialogpassagen, obendrein über die schalen Szenen hinweg, die sich um Banas über kurz oder lang in Gefahr geratene Vorzeigefamilie (Olivia Munn und Olivia Horton als Gattin und Tochter) drehen.

Während gerade im ersten Drittel die Versuche, das Dämonische mit dem Irdischen zu verbinden, oftmals flach fallen (so wird der Band 'The Doors' ein fragwürdiger Tribut gezollt), legt Derricksons Regiearbeit exponentiell an Treffsicherheit zu. Die Figuren gewinnen an Kontur, die Dramaturgie wird straffer und sobald Sarchie seinen ersten Exorzismus erlebt, ist Gänsehaut pur garantiert. Die in ausgedehnter Länge gezeigte Teufelsbekämpfung ist für sich betrachtet die wohl beste Dämonenaustreibung seit Der Exorzist. Nach diesem klang- und effektgewaltigen Höhepunkt spurtet Erlöse uns von dem Bösen dann auch rasch zur Ziellinie, so dass die Erinnerungen an die Stärken des Films möglichst präsent bleiben. Es lohnt sich also, nach den vielen ins Leere führenden Schockmomenten zu Beginn nicht den Glauben an Derricksons inszenatorisches Können zu verlieren.

[b]Fazit:[/b] Regisseur Scott Derrickson verzockt sich bei seinen Rückgriffen auf Genreklischees zwar anfangs ein bisschen, doch mit voranschreitender Laufzeit wird Erlöse uns von dem Bösen dank des zentralen Duos und der launigen Vereinigung von Crime- und Horroreementen immer stärker. Schlussendlich ist der Film genau das, was erwartet werden darf, wenn Jerry Bruckheimer mal einen Horrorfilm produziert: Dunkle Edeloptik, rasches Erzähltempo und ein bombastisches Finale.

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich habe "Erlöse uns von dem Bösen" neulich ebenfalls im Kino gesehen. Allerdings fand ich ihn eher mittelmäßig. Die Schockmomente fand' ich wirklich klasse, das Ende dagegen konnte mich fast gar nicht überzeugen.
Interessant, wie die Meinungen auseinander gehen können ;D

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