Sonntag, 5. April 2015

Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere


Als Ende 2003 das herausragende Finale der Herr der Ringe-Trilogie in die Kinos kam, bestand Grund zur Annahme, dass sich Fantasyfreunde für immer von der filmischen Darstellung Mittelerdes verabschieden müssen. Selbst nachdem sich sämtliche Rechtsstreitigkeiten aufklärten, die einer Adaption des Tolkien-Romans Der Hobbit im Wege standen, sah es vorerst bitter aus für das Prequel zur Ringe-Saga. New Line Cinema versuchte zwischenzeitlich, Peter Jackson aus dem Projekt raus zu halten, die an der Produktion beteiligten MGM Studios bestanden dagegen auf sein Mitwirken. Schließlich erhielt Guillermo del Toro den Auftrag, Regie zu führen, während Jackson als ausführender Produzent und Ko-Autor angeheuert wurde. Die finanziellen Probleme MGMs verzögerten die Vorproduktion aber in enormen Maße, weshalb del Toro, der beim Filmdreh intensiven Gebrauch praktischer Effekte machen wollte, letztlich ausstieg.

Bekanntlich war dies jedoch nicht das Ende vom Lied. Peter Jackson willigte ein, doch den Regieposten zu übernehmen, die Finanzen MGMs stabilisierten sich und im März 2011 fiel dann endlich die erste Klappe. Zu diesem Zeitpunkt war die Verfilmung des kinderfreundlichen Tolkien-Klassikers noch als Zweiteiler geplant, im Juli 2012 ließen Warner Bros., New Line Cinema, MGM und Peter Jackson allerdings die Bombe platzen: Nach eifriger Überlegung wolle man letzten Endes eine Hobbit-Trilogie realisieren. Ein Entschluss, der ebenso oft umjubelt wie beklagt wurde. Vor allem Part eins litt in den Augen vieler Kritiker an Längen, Teil zwei dagegen kam bei der schreibenden Zunft dank der geschilderten Charakterentwicklung und sehr dynamischer Action wieder besser an. Die dritte und abschließende Runde präsentiert sich wiederum als opulentes Schlachtengemälde – aber als gebührender (erneuter) Abschied von Mittelerde bleibt sie klar hinter ihren Möglichkeiten. Selbst wenn es zügiger erzählt und daher nicht derart dröge ist wie Part eins, kann dieses Finale nämlich die Probleme der restlichen Hobbit-Filme nicht abschütteln.

Hin und wieder zurück
Es finden sich zudem neue Problemchen: Anders als die bisherigen Herr der Ringe- und Der Hobbit-Filme verzichtet dieses Abschlusskapitel auf einen Prolog, der die Themen dieses Films einführt und als atmosphärische Einstimmung dient. Stattdessen wirft Peter Jackson den Zuschauer direkt ins Geschehen – und dieses knüpft genau da an, wo Der Hobbit: Smaugs Einöde endete. Der sinistre Drache Smaug kreist über Seestadt, die er mit unbändiger Zerstörungslust in Brand setzt. Die ansässigen Menschen versuchen zu fliehen, einzig und allein der Bogenschütze Bard (Luke Evans) wagt einen Kampf gegen die Feuerechse. Die Attacke des gigantischen Schuppenviehs auf das beschauliche Städtchen ist eine effekttechnische Tour de Force, die nicht zuletzt dank des imposanten Drachen zu erstaunen weiß. Cutter Jabez Olssen findet jedoch im ersten Abschnitt dieses 144-minütigen Fantasyabenteuers keinen flüssigen Rhythmus, der Drachenangriff holpert daher tösend vor sich hin und funktioniert allein als stolzes Effektgewitter. Eine runde Grundstimmung entsteht erst nach dem Kampf Bards gegen Smaug, wenn kurzfristig die Dialoge und der Erzählfluss Oberhand gewinnen.

Während sich allmählich das magische Mittelerde-Gefühl einstellt, lässt das Autoren-Quartett Peter Jackson, Fran Walsh, Philippa Boyens und Guillermo del Toro die letzten Puzzleteile zusammenfallen, um das Grundthema der Vorlage auf der Leinwand abzubilden: Das rund 400-seitige Kinderbuch ist primär eine vor Gier warnende Anti-Kriegsparabel, was auch Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere nach seinem feurigen Intro mittelfristig spürbar macht. Zwergenführer Thorin Eichenschild (Richard Armitage) verfällt im zurückeroberten Einsamen Berg der „Drachenkrankheit“, die ihn mit Allmachtsfantasien erfüllt und Schätze über Menschlichkeit stellen lässt. Davon besessen lässt er den Eingang zu Erebor verbarrikadieren, so dass die Flüchtlinge aus der zerstörten Seestadt vor den Toren verharren müssen. Diese pochen aber darauf, dass Thorin sein einst gegebenes Wort hält und ihnen Zuflucht gewährt sowie einen Anteil auf die in Erebor geborgenen Reichtümer abgibt. Die Elben unter dem stoischen König Thranduil (Lee Pace) schlagen sich auf die Seite der Menschen – nicht nur, da sie als Erzfeinde der Zwerge jede Gelegenheit ergreifen, ihnen das Leben schwer zu machen, sondern auch, weil sich im mächtigen Berg auch Juwelen von hohem sentimentalen Wert befinden. Unterdessen macht der abscheuliche Ork Azog (Manu Bennett) seine gigantischen Armeen gen Erebor ziehen. Eine kolossale Schlacht steht bevor und der friedliche Hobbit Bilbo (Martin Freeman) sucht verzweifelt nach einem Weg, sie abzuwenden …

Kleine Helden, große Emotionen?
Im Vergleich zu den beiden Vorläufern ist das martialische Finale der Hobbit-Trilogie ein zweischneidiges Schwert. Einerseits kommt es dank der wuchtig in Szene gesetzten Kämpfe trotz massig Füllmaterial kaum zu derartigen Durchhängern wie in Eine unerwartete Reise, andererseits präsentiert sich dieses Fantasy-Schlachtenepos inhaltlich wie auch visuell einseitiger als Smaugs Einöde. Bilbos Charakterwandlung wurde bereits im mittleren Teil deutlich, ein Gros der Entwicklung Thorins liegt ebenso bereits hinter uns, so dass für Die Schlacht der fünf Heere allein der Schlussakkord übrigbleibt. Und auch wenn Jacksons erstaunliches Händchen für mitreißende Scharmützel ordentlich Kurzweil erlaubt, steckt somit weniger Substanz hinter diesem Fantasy-Epos, als die Laufzeit rechtfertigen würde. Der ursprünglich geplante Zweiteiler wäre höchstwahrscheinlich pointierter geraten.

Größter Leidtragender der gesteigerten Filmdauer ist Richard Armitrage als Thorin Eichenschild: Schon in den ersten beiden Filmen ein wenig sympathischer Zeitgenosse, wird aus dem arroganten Oberzwerg in Die Schlacht der fünf Heere ein besessener Betonkopf ohne jegliches Charisma. Dramatische Fallhöhe ist für diese Figur im Trilogiefinale durch ihre wenig einnehmende Zeichnung in den Vorläufern also nicht gegeben – wie soll man die Korruption eines Charakters bedauern, der schon von Beginn an wenig erfreulich war? Dass Thorins Wahn nunmehr in minutenlangen Monologen wiederholt unterstrichen wird und Jackson Armitrage mit großen, bösen Augen durch die Szenerie laufen lässt, grenzt dann an eine Farce. Weniger ist manchmal halt mehr – so wie es von Jackson letzten Endes umgesetzt wurde, ist Thorin nämlich kein tragisch-heroischer Charakter, sondern nur nervtötend. Wesentlich besser ist die Charakterisierung des bereits ergrauten, weisen Zwergs Balin (Ken Scott) geraten, der sich im Laufe der Filme langsam zu einem Vertrauten Bilbos entwickelte und in diesem Part Bedenken an Thorins Führungsstil äußern darf. Scott verleiht seiner Figur mit ausdrucksstarkem, aber nie überzeichneten Spiel Charakter und lässt ihn so aus der sonst arg eintönig skizzierten Masse kleinwüchsiger Bartträger herausstechen.

Auch Freeman verdient sich als junger Bilbo Beutlin erneut großes Lob, selbst wenn er im finalen Kapitel seiner Geschichte über lange Strecken zur Randfigur verkommt. Wenn Freeman aber auftaucht, ist dies jedes Mal eine wahre Freude: Mit Witz und Esprit belebt er jede seiner Szenen, gleichzeitig gelingt es ihm, durch ein sich schleichend veränderndes Mienenspiel aufzuzeigen, wie der Besitz des Einen Rings und die brutalen Ereignisse seiner unerwarteten Reise grundlegende Auswirkungen auf den Halbling haben. Wäre doch nur die Bilbo-Dosis durch das ganze Getöse dieser aufgeblähten Erzählung nicht dermaßen verwässert …


Auf in den Kampf!
Das Herzstück dieses Epos ist aber, wie der Untertitel verspricht, die in aller Ausführlichkeit erzählte Schlacht um Erebor. Egal, ob sich der agile Legolas (Orlando Bloom) alle Mühe gibt, seine faszinierenden Kampfchoreografien aus der Herr der Ringe-Trilogie mit neuen stylischen Kniffen zu übertreffen, oder ob Thorin Eichenschild in einem abwechslungsreich gestalteten Zweikampf seine Kräfte mit dem Anführer der Orks misst: Jackson versteht es, der Action dank zahlreicher „Wow!“-Momente einen hohen Unterhaltungsfaktor zu verleihen, ohne sie sie zu reinen Spaßnummern verkommen zu lassen. Durch Eskalation und dramatische Wenden gewinnt das Kampfgetümmel seine eigene, respektable Spannungskurve. Hinzu kommt, dass Jackson und Kameramann Andrew Lesnie durch imposante Total- sowie Großaufnahmen immer wieder die Imposanz (und Gefährlichkeit) des Ganzen zur Geltung bringen. Selbst wenn die überbordende Quantität der Schlachtszenen deutlich geringer ist als ihre inhaltliche Relevanz.

Das 3D, wohl das stärkste der Trilogie, tut sein übriges, und das detailverliebte, aufwändige Produktionsdesign ist – von den Orks abgesehen - über fast jeden Zweifel erhaben. Störend ist aber, wie schon in den ersten beiden Filmen, dass Jackson vor allem in turbulenten Augenblicken zu sehr auf Werkzeuge aus der Computertrickkiste zurückgreift, als dass das Aufeinandertreffen der fünf Heere an die Grandeur der alten Herr der Ringe-Filme heranreichen könnte. Wie zu erwarten war, komponierte Howard Shore aber auch dieses Mal einen Gänsehaut-Score, der atmosphärisch und fesselnd ist, so dass das fehlende dramaturgische Gewicht der Pixelmassen teilweise aufgewogen wird.

Ob Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere, oder die Hobbit-Trilogie generell, auch die Rückkehr weiterer Mittelerde-Veteranen wie Cate Blanchett, Hugo Weaving und Christopher Lee gebraucht hätte, ist hingegen fraglich. Denn obschon das Wiedersehen mit ihren ikonischen Figuren ein klarer Service an große Fans der Original-Trilogie darstellt, bereichert es die Prequel-Trilogie auf inhaltlicher Ebene nahezu überhaupt nicht – womit sie letztlich sogar Ballast darstellen. Schlussendlich besagen die Szenen rund um den Weißen Rat, der ein Aufbegehren Saurons befürchtet, nämlich allein, dass alle Erkenntnisse aus den Herr der Ringe-Filmen ohne weiteren Kommentar Gültigkeit haben. Ohne einen Erkenntnisgewinn dienen die Ratsszenen also nur dem Selbstzweck – wenngleich sie in Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere dann und wann optisch interessant und mit launigen Einfällen daherkommen.


Allen Ärgernissen zum Trotz: Sobald Bilbo und Gandalf Abschied voneinander nehmen und sich die Erzählung des kleinen Hobbits ihrem Ende nähert, fällt es schwer, nicht wehmütig werden. Aber Trost ist ja gegeben: Orientiert man sich nämlich an der inhaltlichen Chronologie, fängt das wahre Abenteuer erst noch an. Und anders als der erste Teil dieser Trilogie, die niemals eine Trilogie hätte werden dürfen, macht Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere tatsächlich Lust darauf, schnellstmöglich (wieder) staunend die Herr der Ringe-Reihe zu begutachten.

Diese Kritik basiert auf meiner Quotenmeter.de-Kinobesprechung des Films

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