Freitag, 30. Juli 2010

Musikalisches Immergrün - Meine 333 liebsten Disney-Lieder (Teil LIII)

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Platz 25: Wie zeigst du deine Liebe? ("That's How You Know") aus Verwünscht
Musik von Alan Menken, Text von Stephen Schwartz (dt. Fassung von Fred Novello & Max Maria Snyder)

Die Musik in Verwünscht imitiert die Entwicklung des Gebrauchs von Gesangseinlagen in Disney-Animationsfilmen. Bei einer derartigen, kondensierten Retrospektive auf die Welt der Disneymusik darf selbstverständlich nicht auf ein Lied im Stil der Disney-Renaissance verzichtet werden. Und was wäre cleverer, als ausgerechnet die obligatorische, herzerfrischende Gute-Laune-Nummer in Anlehnung an die Alan-Menken-Ära der Disneymusik anzulehnen? So kommt es schließlich, dass in der Mitte von Kevin Limas teils gezeichneter, teils real gefilmter Musical-Romantikkomödie Verwünscht eine gigantische Showeinlage im New Yorker Central Park, die zu gleichen Teilen die überbordenden Broadway-Showstopper Menkens parodiert und liebevoll glorifiziert. Menken nimmt sich also selbst auf den Arm, während der dem, was die Trickfilmregisseure aus seinen Liedern machten, ehrfürchtig Tribut zollt. Wie kann man das als eingefleischter Disneyfan nicht atemberaubend finden? Der von Stephen Schwartz mit eingängigen, schnell fließenden Texten versehene Song vereint den unterhaltsamen Pomp und die mitreißende Energie solcher Nebenfigur-Stimmungsaufheller wie Unter dem Meer (Platz 37), Küss sie doch (Platz 120), Sei hier Gast (Platz 68), Nur ein kleiner Freundschaftsdienst oder In Sekunden auf Hundert (Platz 49) und vereint dies mit der schmachtenden Macht der Disney-Prinzessinnen. Die Ambiguität von Wie zeigst du deine Liebe? verstärkt sich sogar um ein vielfaches, wenn man die eigentliche Filmsequenz betrachtet, die sich gleichermaßen als gnadenlos überzogene Selbstparodie und etwas trockener als ernst gemeinte, heiter-bunte Musicaleinlage betrachten lässt, wie sie nunmal geschieht, wenn eine überspitzte Disneymärchentrickfigur in eine disnyfizierte Version des realen New Yorks platzt. Während ich Wie zeigst du deine Liebe? mittlerweile eher als die dick auftragende Hommage an die 90er-Disneyfilme goutiere, kam ich bei meinem ersten Kinobesuch gar nicht mehr aus dem höchst amüsierten Kichern heraus, denn die Geschütze, die während dieser Szene aufgefahren werden sind in ihrer geballten Quantität (und der quietschig-froh-selbstverständlichen Weise ihres Auftretens) einfach urkomisch. Es ist so, als stünde die ganze Zeit jemand rechtfertigend neben der Kamera, dass dies halt eine gigantische Disney-Musicaleinlage ist, und man deshalb vertraglich dazu verpflichtet wurde, ethnisch vielfältige Musikeinflüsse in die zuckrig-fröhliche Broadwaymelodie einzubauen. Weil diese karibischen Elemente ja schon in Arielle, die Meerjungfrau so gut ankamen. Und wer kann schon einer Mariachi-Band widerstehen? Die zwei Fans von Drei Caballeros da draußen ganz sicher nicht. Und die drei Takte alpiner Polka? Naja, wir hatten halt noch Geld übrig... Marktforschungen ergaben außerdem, dass die Tanzschritte aus Schritt und Tritt in Mary Poppins weiterhin beliebt sind, also kommen die genauso mit rein, wie der patentierte Disneyparaden-Prinzessinnen Winkgruß. Und sagte da jemand "Unrealistisch durchtrainierte, debil grinsende Bauarbeiter?" - Jepp, natürlich haben wir das! Wieso auch nicht?
Eigentlich ist dieses Lied eine hochkonzentrierte Zusammenfassung sämtlicher Disney-Tanznummern. Mit extra großem Ensemble. Weshalb die mittanzenden Passanten knallige Farben tragen? Es ist Disney! Und wir sind glücklich! GL-ÜCK-LICH! Glück ist farbenfroh!
Wie zeigst du deine Liebe? ist der Holzhammer, ach Quatsch, der PRESSLUFTHAMMER unter den frohgemuten Disney-Musicaleinlagen. Denn: Wer braucht schon Subtilität? Pfah, die wird völlig überschätzt!

Platz 24: So nah ("So Close") aus Verwünscht
Musik von Alan Menken, Text von Stephen Schwartz (dt. Fassung von Fred Novello & Max Maria Snyder)

Giselles Metamorphose zu einer "echten" jungen Frau ist abgeschlossen. Während sich die anderen Besucher des Balls in prunkvoller, barocker Garderobe kleidet, trägt die einst flippige Zeichentrick-Märchenfigur, die zuvor den ganzen Central Park zum Singen und Tanzen brachte, nun ein schlichtes, galantes lila Kleid ohne unnötige Schnörkel. Obwohl Regisseur Kevin Lima während des Tanzes einige Kameraeinstellungen aus der Ballsaalsequenz in Die Schöne und das Biest nachahmz, ist So nah keine Parodie auf Disneyballaden, sondern eine aufrichtige Liebesballade, die dazu dient Giselles emotionale Reise zu unterstreichen und zu unterstützen. Die Verwendung dieses nicht ganz modernen, und dennoch zeitgemäßen Liedes dient im Kontext der musikalischen Entwicklung von Verwünscht als Stellvertreter für die vergleichsweise junge Verwendung von handlungsrelevanten Songs aus dem Off in (Disney-)Animationsfilmen, wie etwa das Titellied aus Die Schöne und das Biest, Du hast'n Freund in mir (Platz 143) aus Toy Story oder I'm Still Here aus Der Schatzplanet.
Was so nah von der archetypischen Disneyballade unterscheidet, ist die emotionale Belastung, die in ihr mitschwingt. So nah ist ein Stück mit großen Bedenken, einer selbstauferlegten, eng gesteckten Grenze, wie weit es gefühlsmäßig ausbrechen darf. Auf ergreifende Weise ahmt So nah das Gefühl, etwas bedeutungsvolles beinahe geschafft zu haben, und letztlich doch zu scheitern. Das sehnsüchtige Zurückblicken auf das vor dem Scheitern empfundene Glück, die sterbende Hoffnung und der bittersüße Schmerz werden hier in einem zurückhaltenden 3/4-Walzer eindringlich musikalisch verarbeitet. Ein verletzliches, fragiles Lied, in dessen Noten ein nicht aufgeben wollender Keim freudiger Erwarzung mitschwingt, ebenso wie einfühlsame Aufgabe. Vielleicht ist Subtilität doch nicht so schlecht?

Platz 23: Prinz Ali ("Prince Ali") aus Aladdin
Musik von Alan Menken, Text von Howard Ashman (dt. Fassung von Frank Lenart)

Ein scherzhafter Gedanke, mit dem ich mir selbst manche etwas wundersame musikalischen Vorlieben erkläre, ist dass mir als Deutscher Marschmusik natürlich im Blut liegt. Das wäre eine logische Erläuterung, weshalb Disney-Paradenmusik in diesem Countdown so gut abschnitt (siehe dazu Platz 196, Platz 182, Platz 164 und Platz 36), schließlich geben diese Stücke eine klare Marschrichtung vor. Solche Musik findet sich aber nicht nur in den Disneyparks, sondern auch in Disneys Filmschaffen: Das vom Dschinni gesungene Lied Prinz Ali ist ein im Filmuniversum verankertes Beispiel für diese faszinierende Mischung aus voranschreitender Marschmusik und heiter-spaßiger Disneylaune. Und es ist das, man verzeihe mir das miese Wortspiel, Paradebeispiel für diese Mixtur, denn mit diesem Lied gibt Dschinni nicht nur den Takt für Aladdins spektakulären Prinzen-Einzug in Agrabah, sondern zaubert dem Publikum auch ein riesiges Grinsen auf's Gesicht, während die Füße unkontrolliert mitwippen.
Prinz Ali wird im Laufe des Films auch als gerissener Ersatz für den eigentlich obligatorischen Schurkensong verwendet. Obwohl Clements und Musker unbedingt eine Gesangseinlage für Dschafar haben wollten, fanden sie nie den richtigen, narrativen Platz für ein solches Lied. Und so gönnen sie ihm eine höhnische Reprise von Prinz Ali, in der ein triumphierender Dschafar Aladdins Tarnung hämisch demontiert.

Platz 22: Ich wär' so gern wie du ("I Wan'na Be Like You (The Monkey Song)") aus Das Dschungelbuch
Musik und Text von Richard M. & Robert B. Sherman (dt. Fassung von Heinrich Riethmüller)

Der liebste Disneyfilm der Deutschen hat bei mir keinen wirklich guten Stand. Ich mag ihn einzig und allein aufgrund der Musik. Natürlich sind die Lieder ein essentieller Teil des Disneyerlebnisses, doch an den zahlreichen fantastischen Disney-Trickfilmen, die ich so in mein Herz geschlossen habe, liebe ich mehr, als nur die Musik. Dramatische Momente wie in Der König der Löwen, herzhafte Lacher wie in Lilo & Stitch oder eine atemberaubende Optik wie in Dornröschen (um bloß ein paar Beispiele zu nennen) finde ich in Das Dschungelbuch nicht. Selbst mit dem wichtigen Element der liebenswürdigen Figuren hapert es ein wenig in Walts letztem Zeichentrickfilm. Natürlich sind Balu, Hathi, Kaa und Louie Kult, aber ohne ihre Songs besticht nur noch der schusselige Elefanten-Colonel. Vielleicht bin ich jedoch etwas zu harsch mit Das Dschungelbuch, denn allen Schwächen zum Trotz unterhält der Film ungebrochen Generationen von Kindern und Junggebliebenen, und auch ich habe meinen Gefallen am Film. Ist er halt eine bunte Lieder-Revue, was soll's, es gibt schlimmeres. Probier's Mal mit Gemütlichkeit (Platz 51) ist daraus die wohl meistziterte und meistgesummte Gesangseinlage, aber der swingende König der Primaten ist der Öffentlichkeit ebenfalls kein Kuriosum. Die mitreißenden Melodien des Swing und Dschungelrhythmus vereinenden Songs sind einfach zeitlos und King Louies heißer Scat (plus der amüsante Vocalese-Part des dazwischenplatzenden Affen) gibt Ich wär' so gern wie du die richtige Würze. Der Song ist voller Elan und das Vorzeige-Exempel dafür, wie man moderne Einflüsse in seine Zeichentrickklassiker einzuweben hat. Denn obwohl die Inspirationen für Ich wär' so gern wie du längst veraltet sind, wirkt King Louies ansteckende Swingnummer so frisch wie eh und je.
Aufgrund seines Tempos und seiner generellen Mentalität eignet sich Ich wär' so gern wie du außerdem mehr als wohl jeder andere klassische Disneysong für Rockcover. Seien es Ska, Punk oder jugendlicher Pop-Rock, zahlreiche Bands nahmen sich dieses Evergreens an, und das führte meistens zu sehr tollen Ergebnissen, wie etwa Smash Mouths spaßige Surfrock-Variante. Der beste King Louie ist und bleibt aber der großartige Klaus Havenstein. Seine Filmversion des Songs ist einfach perfekt, allein schon wegen seiner fantastischen Stimme, mit der er diesem Lied das richtige Volumen, den idealen Schwung und den reizvollen Hauch Kratzigkeit verleiht.

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Havensteins Lied wurde tatsächlich in Schlagerform veröffentlicht. Der Refrain blieb gleich, der andere Text wurde so verändert, daß es unklar blieb, ob nun King Louie oder der Mensch Klaus Havenstein singt.

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