Freitag, 4. Januar 2008

"Death Proof"-Interpretation: Der Film, der eigentlich aus zwei halben Filmen besteht?

ACHTUNG! Mögliche SPOILER für Grindhouse bzw. Death Proof vorhanden!


Quentin Tarantinos Beitrag zum herrlichen Grindhouse-Projekt liefert dem willigen Filmfan mehr Stoff zur Diskussion und Analyse, als so manch hochkomplizierter und verzwickter Thriller aus der Arthouse-Nische.
Denn der Film funktioniert nicht nur auf der werkimmanenten Ebene, auf der man lediglich der Geschichte folgt sowie auf der üblichen, aber selten beachteten Ebene, auf der die einzelnen, stilistischen Mittel analysiert werden, wie etwa der Schnitt oder die Kameraeinstellungen.

Nein, Death Proof ist ein dreidimensionaler Film - zusätzlich konfrontiert er den Zuschauer, sofern er sich darauf einlässt, mit der Ebene, die ich nachfolgend als Grindhouse-Ebene bezeichnen möchte.

Wie mittlerweile allseits bekannt sein sollte, ist Death Proof Teil einer Hommage an die amerikanischen Billigkinos, in denen Exploitation-Filme liefen. Dementsprechend stellt Death Proof den Look und das Gefühl eben jener Produktionen nach. Die offensichtlichsten Grindhouse-Effekte sind die Bildkratzer und Tonsprünge im Laufe des Films, doch es gibt noch mehr zu entdecken, wenn man genauer hinsieht.

Auffällig ist jedoch, dass die erste Hälfte des Films wesentlich verschmutzter wirkt, als die zweite Hälfte, die zu Beginn lediglich etwas überstrahlt und zu farbintensiv wirkt.

Nun stieß ich im Internet auf eine sehr gewagte, aber nachvollziehbare Theorie:

"Death Proof" is deadly serious, but I have a theory about its structure. A buddy of mine suggested that "Death Proof" is actually two halves of two different movies spliced together. He got the idea from a Tarantino interview where he said that sometimes actors would go to a foreign coutry for four weeks and make like three or four movies of different genres. The first half of "Death Proof" is a slasher movie. The second half is an entirely different movie. It's as if someone spliced two movies that just so happen to star Kurt Russell and involved cars. The Russell character is never reffered to as Stuntman Mike in the second half of the movie. Aand the car doesn't seem to be as deathproof as it was earlier in the movie. If you read the movie this way then it becomes something entirely different and possibly quite brilliant. It's as if Tarantion took the "Missing Reel" gag and broughti it to its natural conclusion.


(Die Quelle)
(Die Quelle der Quelle, für all diejenigen, die etwas mehr Zeit haben)

Demnach sind die beiden Hälften des Films auf der Grindhouse-Ebene "in Wahrheit" Teile zweier gänzlich unterschiedlicher Filme, die bloß Kurt Russel und die Präsenz jeweils eines schwarzen Autos gemeinsam haben.
Weiter gedacht bedeutet dies, dass während der Film, aus dem die erste Hälfte geschnitten wurde, in schlechtem Zustand war, der andere Film (möglicherweise auch ein neuerer) in besserer Verfassung war.

Klingt im ersten Moment etwas an den Haaren herbeigezogen? Sicherlich, aber eigentlich geht die Rechnung auf. In den 70er Jahren war es nicht unüblich, dass manche Darsteller immer und immer wieder sehr ähnliche Figuren gespielt haben, aber nicht exakt die selbe Figur.
(Eigentlich ist das auch heute ab und an noch so, und böse Zungen würden nun vorschlagen, man könne aus MIB und Independance Day einen neuen Will-Smith-Alien-Film schneiden...)

Außerdem gingen die Kinoverleiher damals noch eigennütziger mit dem Material um, als heute. Darauf wird ja bereits im Vorspann von Death Proof angespielt, in dem eigentlich ein völlig anderer Titel eingeblendet wird, bevor ziemlich diletantisch das "Death Proof"-Logo reingeschnitten wird.

Des weiteren trinkt Russels Figur in der zweiten Filmhälfte Alkohol (etwas, das er laut der ersten Hälfte niemals tut). Schließlich und letztlich wird, wie im obigen Zitat bereits gesagt, Stuntman Mike in der zweiten Hälfte nie beim Namen genannt und das Auto, das er fährt ist auch nicht so sorgvoll vorbereitet wie das aus dem ersten Teil. Ist er also in der zweiten Hälfte vielleicht gar nicht Stuntman Mike?

Vermeintlich störend ist, dass Russel sich in der Schwarz-Weiß-Sequenz zu Beginn der zweiten Hälfte sehr verdächtig benimmt und es auch sonst größere Parallelen zur ersten Hälfte gibt, als im restlichen Film.
Die Theorie wurde von einem Amerikaner aufgestellt, so dass sich dieser Fauxpas erklären lässt. Besagte, scheinbar die Theorie hindernde, Szene kommt nämlich nicht im US-Cut des Films vor.

Beim genaueren Überlegen muss ich jedoch sagen, dass die in schwarz-weiß gehaltene Sequenz der Theorie bei weitem nicht so sehr schadet, wie man zunächst denkt. Es muss ja einen Grund geben, dass diese ziemlich lange Sequenz komplett ohne Farbe abläuft. Selbst mit den übertriebendsten Abnutzungserscheinungen und Schnittfehlern auf der Grindhouse-Ebene kann man das nicht erklären, da das schwarz-weiß sehr sauber ist (fast so wie in Sin City) und nicht etwa ein grieseliges, zur Farbe zurückschwenkendes irgendetwas an Grau, so wie es bei einem sehr überstrapaziertem Videoband passieren könnte. Zudem müsste an diesen Stellen das Bild wackeln, was es aber nicht tut.

Viel mehr könnte es sein, dass uns diese Szene auf der Grindhouse-Ebene erklären soll, dass der Verleih vielleicht kalte Füße bekommen hat, man würde seine "Aus 2 mach 1"-Methode durchschauen und hat deshalb für ein oder zwei Drehtage die Schauspieler herbeigeordert um einen Übergang zwischen den Teilen zu schaffen. Die aus dem nichts engagierten Drehbuchautoren haben am Tag vorher ein bisschen vom Film zu sehen bekommen und versuchten zwanghaft Parallelen zur ersten Hälfte herbeizuzaubern, wobei sie streckenweise überzogen haben (Mike und die Füße).
Da so ein kleiner Exploitation-Verleih aber nicht viel Geld hat, musste man beim Drehen auf günstigeren Schwarz-Weiß-Film zurückgreifen. Was trotzdem niemanden daran gehindert hat, irgendwie aus der neuen Szene Profit zu schlagen und in der kurzen Laufzeit möglichst viel Product-Placement unterzubringen (was man im restlichen Film eher mit der Lupe suchen muss, sofern es nicht um Autos geht).


Soviel also zur Theorie. Inwiefern sie der Praxis standhalten kann, werde ich prüfen, sobald ich meine Death Proof-DVD habe. Die Luxusversion in der Ölkanne enthält übrigens neben dem Film und der Bonus-Disc noch eine Trailer-DVD (für richtige Filme, es sind leider nicht die Fake-Trailer), eine Postkarte und ein Duftbäumchen.

Der Kauf lohnt sich also.

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2 Kommentare:

milan8888 hat gesagt…

Ich glaub ich muß mir den Film nochmal ansehen

C.H. hat gesagt…

Das ist das erste mal, dass mir diese Interprewation untergekommen ist. Ich selbst verstehe "Death Proof" ebenfalls als zweigeteilten Film. In der ersten Hälfte folgt Tarantino imho den bekannten Genre-Muster des Grindhouse-Kinos, die er dann in der zweiten Hälfte ironisch verkehrt. Deswegen auch die kurze Schwarz-Weiß-Sequenz in der sich dieser Wechsel ankündigt, wie ja dann auch der zweite Teil von sämtlichen "visuellen Fehlern" befreit ist. Inhaltlich wird schließlich aus dem Jäger der Gejagte - Nicht zuletzt wegen dieser Doppeldeutigkeit ist "Death Proof" ein ebenso interessanter, wie unterhaltsamer Film.

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