Deutschquote. Auch wenn die Diskussionen um ein Minimum an deutschsprachigen Liedern im Radio längst wieder abgeebnet sind, so ist die Frage nach dem Stand der deutschen Produktionen in der Welt der Unterhaltungsmedien weiterhin aktuell. Sowohl in der Musik, wo in den vergangenen Jahren der deutschsprachige Gesang ein Revival erlebt, als auch im Filmbereich. Obwohl mit Der Schuh des Manitu und (T)Raumschiff Surprise - Periode 1 gleich zwei deutsche Megablockbuster innerhalb dieses Jahrzehnts entstanden, so wandelte sich der deutsche Kinomarkt und nicht nur die Kinolust generell sank, sondern auch die Lust auf deutsches Kino.
Aber auch aus dem Ausland hört man immer wieder Stimmen, wie übermächtig Hollywood in Zeiten der Filmpiraterie wurde. Denn während man einen riesigen Actionblockbuster lieber im Kino sieht, als mies gebrannt auf dem heimischen PC, so sind eigenheimische Dramen und Komödchen nicht gerade Filme, die einen Filmpiraten aus dem PC-Sessel hieven.
Jedoch stellt sich an dieser Stelle auch die Frage, ob diese simplen, immer wieder im vorbeigehen erhaschten Behauptungen, die nationale Kinoindustrie hätte arge Probleme, denn auch wirklich stimmen. Viel zu oft werden irgendwo Probleme behandelt, wo keine sind - mit teils chaotischen Ergebnissen.
Wie es dem deutschen Marktanteil im Kino ergeht lässt sich schnell herausfinden. Die deutsche Webseite Insidekino.de listet die deutschen Besucherzahlen auch in Jahresbestenlisten auf. Und die FFA errechnet in ihrem Jahresbericht nicht nur die Gesamtbesucherzahl auf, sondern auch den prozentualen Anteil von deutschen Produktionen an den Kinobesuchen eines Jahres.
Und um es kurz zu machen: Wenn man nach dem Marktanteil deutscher Produktionen an der gesamten Besucherzahl geht, so ist jegliche Sorge um den deutschen Film passé.
In den Jahren 2002 bis 2007 stieg der deutsche "Marktanteil" von 10,2% auf 21% an, Tiefpunkt zwischen diesen Jahren war 2005 (14,4%), im Jahr darauf gab es einen Ausreißer nach oben (26,2%).
In den 90er Jahren betrug der deutsche Marktanteil insgesamt 9,5%, bestes Jahr war 1996 mit 19% (in diesem Jahr lief Knockin' on Heaven's Door im Kino), das schlechteste Jahr war 1998 mit 6,7%, die man hauptsächlich dem einzigen deutschen Hit in diesem Jahr, Lola rennt, zu Verdanken hatte.
Auch wenn man noch weiter in die Zeit zurückgeht, sieht die derzeitige Quote eher beeindruckend, denn fürchterlich aus: Seit 1972 wurde bis einschließlich 2003 in nur drei Jahren die 20%-Hürde übersprungen. Seit 2003 wurde sie drei weitere Male überwunden.
Die aktuellen Zahlen knicken nur dann ein, wenn man sie mit 1968 bis 1971 vergleicht, als der deutsche Film zwischen 35% und 69% des Kinomarktanteils für sich einnahm.
Nun kommen aber sicherlich wieder jene Nörgler auf, die behaupten, dass der aktuelle Kinomarkt nicht so leicht mit dem von früher zu vergleichen sei. Der Kinomarkt ist generell schwächer, da sei es für den deutschen Film auch leichter, mehr Anteile an diesem schwachen Geschäft zu erreichen.
Ich möchte erwidern. Wieso sollte der schlechte Kinomarkt dem deutschen Film zu gute kommen? Ja, die Besucherzahlen sind rückläufig, und ja, das ist ein Grund zum klagen. Doch wenn die Leute allgemein weniger ins Kino gehen, sind deutsche Filme genauso sehr betroffen wie Hollywoodfilme - oder sogar aus den oben genannten Gründen noch mehr. Dass der Marktanteil steigt hat also nichts mit den niedrigeren Besucherzahlen zu tun. Rein theoretisch müsste der Marktanteil ja eher gleich bleiben, anstatt zu steigen.
Es muss also andere Gründe geben. Durchaus in Erwägung zu ziehen ist, dass nun viel mehr Filme ins Kino kommen, mitunter auch mit hohem Werbebudget - vor allem seitens der Privatsender. Dies kann durchaus den Eindruck verfälschen - der deutsche Film an sich ist nicht wirklich stärker, sondern einfach nur weitläufiger geworden.
Deshalb sollte man neben dem Marktanteil auch die Kinojahreshitlisten begutachten. In der Theorie könnte der deutsche Film so hohe Marktanteile erreichen, ohne dass es auch nur einen einzigen Hit aus Deutschland gab. Man muss ja nur genug Filme veröffentlichen.
Lasst uns deshalb einige Kinojahre begutachten. Wieviele Besucher hatten die erfolgreichsten Filme des Jahres, wo befinden sich die besucherstärksten deutschen Filme?
Die Top 10 von 2007 sind zum Beispiel recht enttäuschend - obwohl 2007 ein hervorragendes Filmjahr war, bewegen sich die Top Ten der Besucherhitliste bloß zwischen 7 und 2,4 Millionen Zuschauern. Erfolgreichster deutscher Film war Keinohrhasen mit nahezu 6 Millionen Besuchern (und Platz 4 in den Jahrescharts), und diese magische Marke wird er im Laufe des kommenden Kino-Openair-Sommers sicher noch brechen. Die wilden Kerle 4 sind mit 2,4 Millionen Zuschauern der zweiterfolgreichste deutsche Film 2007 und auf Platz 10 der Jahrescharts.
2006 war, wie weiter oben bereits erwähnt, ein besonders gutes Jahr für den deutschen Film: Das Parfum, 7 Zwerge - Der Wald ist nicht genug und Deutschland. Ein Sommermärchen lockten 5,5 bzw über 3,5 Millionen Leute ins Kino. Und Das Leben der Anderen schaffte 2,3 Millionen Zuschauer und ist trotzdem "nur" auf Platz 11 der Jahrescharts.
Im Jahr 2005 dagegen gab es wirklich ein Bild, wie es viele Nörgler generell vermuten: Nur ein Film (Die weiße Massai) schaffte es über 2 Millionen Zuschauer zu erreichen. Die 14,4 % Anteil des deutschen Films am Kinomarkt 2005 ist insgesamt der Masse zu verdanken. Acht Filme erreichten ein Publikum zwischen 1,5 und 1 Million Zuschauer, 17 weitere Filme landeten in den Top 150 des Kinojahres.
Über das Jahr 2004 muss gar nicht weiter diskutiert werden: 3 der fünf erfolgreichsten Filme des Jahres stammten aus Deutschland: (T)Raumschiff Surprise - Periode 1 (9,1 Mio.), 7 Zwerge (6,7 Mio.) und Der Untergang (4,6 Mio.).
Dies kann man noch lange weiterführen: 2003 gab es mit Goodbye, Lenin, Das Wunder von Bern und Luther drei große deutsche Hits, während 2002 mit Bibi Blocksberg (2,2 Mio.) etwas schlechter dasteht, vor allem im Vergleich mit 2001 (Der Schuh des Manitu, 11,7 Mio. Zuschauer, die deutsche Koproduktion Die zauberhafte Welt der Amelie lockt über 3 Millionen ins Kino).
Und so weiter, und so weiter: Nur 2000, 1998, 1995 und 1992 schafft es kein deutscher Film über die 3 Millionen-Grenze - der größte deutsche Hit von 1992 (Otto - Der Liebesfilm) kommt mit seinen 2,9 Millionen Besuchern trotzdem in die Top Ten des Jahres. Und schon sind wir wieder in den 80ern, in denen nur zweimal kein deutscher Film mehr als 3 Millionen Zuschauer (das Minimum um eine "goldene Leinwand" zu erhalten - das Statussymbol für Publikumserfolg) hatte. Und 1987 reichten den Supernasen Mike Krüger und Thomas Gottschalk ihre 2,7 Millionen Besucher aus um auf Platz 6 der Jahrescharts zu gelangen.
Um den deutschen Film steht es also keineswegs schlecht - er hatte nie größere Probleme. Zumindest wirtschaftlich.
Und auch im restlichen Europa stehen eigene Produktionen unter einem guten Stern, vor allem in den osteuropäischen Staaten und Frankreich. Dort räumt momentan "Bienvenue chez les ch'tis" an den Kinokassen ab wie kaum ein Film zuvor. Mit 18,57 Millionen Besuchern steht die Komödie derzeit nur noch hinter Titanic (20,7 Mio.).
Nationale Produktionen werden also einfach nur unterschätzt - vor allem Komödien locken immer wieder Zuschauer in die Kinos. Wenn man sich also Sorgen machen möchte, dann eher um die Qualität oder Vielfältigkeit des nationalen Kinos. Denn dort gibt es tatsächlich bei uns in Deutschland ein gewisses Problem. Das ist jedoch nicht sonderlich neu.
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