Freitag, 6. Juli 2012

Der erste Auswuchs von Disneys (kultig-)pubertärer Sinnkrise

Bevor Disney dank den Marvel Studios Milliarden von Dollar im Superheldengenre scheffelte, bevor Jerry Bruckheimer einen Kult-Schauspieler durch eine verfluchte Karibik torkeln ließ und dem Disney-Label so neue Zuschauerkreise erschloss ... Bevor eben dieser Überproduzent dem Disney-Konzern an Jugendliche und Erwachsene gerichtete Action-Blockbuster bescherte, die unter einem anderen Label veröffentlicht wurden, um den familientauglichen Disney-Markennamen nicht zu beschädigen, bevor Disney ein anderes Label nutzte, um nachdenkliche Tragikomödien sowie schroffe Komödien mit versoffenen Helden und blanken Hintern auf den Markt zu bringen ... Bevor Disney mit atypischen Realfilmen auf Knien herumrutschte und jugendliche Kinogänger um Aufmerksamkeit anflehte, wodurch kantige Kultfilme wie Tron oder liebenswerte Albernheiten wie Condorman entstanden, gab es einen Film, der Walt Disney Productions mit einem gewaltigen Schlag neue Möglichkeiten erbieten sollte und der nicht nur dazu gedacht war, finanziell überaus ergiebig zu sein, sondern den belächelten Studios ihre Achtung zurückerlangen sollte.

Stattdessen wurde er ein künstlerischer wie finanzieller Rückschlag, nach dem die Konzernleitung orientierungslos versuchte, die gesetzten Ziele mittels anderer Filme endlich zu erreichen, ohne durch die damit einhergehenden Risiken zu sehr anzuecken. Dieser Film ist ein skurriles Relikt seiner Zeit, welches nur wenigen bekannt ist, und jene, die von diesem kuriosen Stück Disney-Geschichte wissen, finden es entweder trashig oder rechnen ihm aus nostalgischer Milde einen trashigen Charme an. Dass es ein Haufen Weltraumschrott ist, steht für sehr viele Filmfans aber ohne merkliche Zweifel außer Frage.

Auch wenn es sich dabei wirklich um keinen Höhepunkt des Disney-Schaffens handelt, ist all dieser Negativismus übertrieben. Nicht nur, dass mit diesem Film eine faszinierende Ära der Konzerngeschichte anbrach und er über diese Epoche hinaus ein reichhaltiges Erbe nach sich zog, er hat trotz mancher Ungeschliffenheiten einige Qualitäten, die sogar ohne den größeren historischen Kontext für ihn sprechen.

Meine Damen und Herren, ich erbitte mir mehr Respekt für ...

Das schwarze Loch

Um wirklich zu begreifen, weshalb solch ein Film wie Das schwarze Loch entstand und welche Stellung er im Gesamtwerk des Disney-Konzerns einnimmt, ist Vorwissen darüber nötig, in welcher Lage sich das Unternehmen zu jener Zeit befand: Konnte sich Walt Disney Productions nach dem Tod des Namensgebers noch für einige Jahre gut mit Filmen über Wasser halten, welche die typische Formel wiederverwerteten, die Walts Kinoproduktionen in seinen letzten Jahren aufwiesen, erreichte diese Phase annehmbaren Erfolgs 1974 ihren Zenit. Mit Herbie groß in Fahrt (38,23 Millionen Dollar an den US-Kassen und somit Platz 9 der Jahrescharts), Castaway Cowboy und den Wiederaufführungen von Robinson Crusoe, der Amazonenhäuptling und Alice im Wunderland steigerten die Studios, obwohl sie von der Konkurrenz ob ihres zahnlosen Images und Kreativarmut belächelt wurden, ihren Gewinn um um 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

1975 jedoch änderte sich, zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit, das Gesicht Hollywoods von Grund auf: Nachdem in den Jahren zuvor die jungen Wilden der "New Hollywood"-Strömung dem klassischen Studiofilm die Stirn boten und den sauberen Hollywood-Film mit nachdenklichen, harschen und teils verstörenden Autorenfilmen in Bedrängnis brachten, formierte sich nun aus den gewachsenen (oder etwa gezähmten?) Regisseuren dieser Ära und den neu positionierten Vertretern des alten Hollywoods erstmals die moderne Blockbuster-Mentalität. Steven Spielbergs Der weiße Hai, alles andere als ein handzahmer Film und dennoch längst nicht so ungestüm wie die Denke des "New Hollywood", schrieb Geschichte, indem er als erste Produktion allein in den USA mehr als 100 Millionen Dollar einnahm. Auch Werke wie Einer flog übers Kuckucksnest, Rocky oder der neue Gewaltstandards setzende Taxi Driver deuteten an, dass sich die Kinowelt geändert hat, während Disney 1975 und 1976 weit unter ferner liefen abzubuchen war. Nicht ein Film schaffte es in die jeweiligen Jahres-Top-20, und auch wenn 1977 mit dem Freaky Friday-Original, Elliott, das Schmunzelmonster, dem dritten Herbie-Film und Bernard & Bianca ganz beachtlich schien, herrschten in der Konzernleitung Unstimmigkeiten. Präsident und Geschäftsführer Card Walker beharrte auf seiner Position, dass sich bei Disney nichts ändern dürfte, während Walts Neffe Roy E. Disney und Walts Schwiegersohn Ron Miller befürchteten, die Studios würden sich so in die Bedeutungslosigkeit manövrieren. Mit Star Wars, Die unheimliche Begegnung der dritten Art und Saturday Night Fever nahmen die Blockbuster-Einspielergebnisse erneut neue Formen an, doch kein Vertreter der neuen, erfolgreichen Hollywood-Riege vertraute seine Ideen Disney an, was wiederum zu immer größer werdenden finanziellen Schwierigkeiten führte, womit es allerdings noch schwerer werden würde, den Anschluss an die Mitbewerber zu halten.

Disneys Image verschlechterte sich derweil auch beim Kinopublikum, in dessen Auge aus dem geliebten Studio mit familientauglicher Qualitätsware allmählich ein ideenloser Verein von Kinderbespaßern wurde. Jugendliche verpönten in  Marktforschungsumfragen den Disney-Namen und schwörten, dass sie niemand in Kinovorstellungen von Disney-Filmen kriegen könnte. Dies alarmierte auch die konservativer eingestellten Entscheidungsträger in der Konzernleitung, so dass Ron Miller und Roy E. Disney ihren Willen bekamen und ein Projekt verwirklichen durften, das für die damaligen Disney-Studios ein wahrlich wagemutiges Experiment war: Die dramatische und vergleichsweise düstere Science-Fiction-Geschichte Das schwarze Loch rief nach einem PG-Rating, womit es die erste hauseigene Produktion Disneys werden sollte, die nicht ohne jegliche Alterseinschränkungen in die Kinos kommt. Außerdem wurde für den effektlastigen Film ein Budget von 20 Millionen Dollar genehmigt, das für Disneys damalige Verhältnisse eine große Unsumme darstellte. Der Disney-Markenname wurde im Marketing zur Seite gekehrt, um gezielt ein älteres Publikum in die Kinosäle zu locken.

Betrachtet man Das schwarze Loch vor diesem Hintergrund, erreicht dieser Streifen aus dem Jahr 1979 in mancherlei Bereichen mehr als nur ein achtbares Niveau. Zwar hat er manche inhaltliche Schnitzer, aber in seinen besseren Momenten ist Das schwarze Loch spürbar ambitioniert und zudem die faszinierende Filmwerdung eines Hollywood-Studios, das sich selbst neu erfinden möchte, ohne sich vollends von seiner ursprünglichen Identität zu lösen.

Die Geschichte handelt von der fünf Menschen und einen Roboter umfassenden Besatzung des Erkundungsraumschiffs USS Palomino, dass sich unter der Leitung von Captain Dan Holland (Robert Foster) sich auf der Suche nach kolonialisierbaren Planeten befindet. In der Nähe eines schwarzen Lochs bemerkt die Crew eine starre, von der Sogkraft des Lochs völlig unbeeinträchtigte Raumstation. Scheint sie zunächst unbemannt, leuchtet sie mit einem Mal hell auf. Wissenschaftlerin und Medium Doktor Kate McCraes (Yvette Mimieux) erkennt in der Station die stattliche USS Cygnus, welche seit zwanzig Jahren als vermisst galt und auf der einst ihr Vater zusammen mit dem begnadeten Dr. Hans Reinhardt (Maximilian Schell) arbeitete. Also beschließt die Besatzung der Palomino, die Cygnus zu erkunden. Der erste Eindruck der leergefegten, an eine gothische Kathedrale erinnernden Raumstation ist wenig vertrauenserweckend, doch dann wird die Mannschaft herzlich von einem etwas ungepflegten, wohl aber weiterhin äußerst eloquenten Dr. Rheinhardt begrüßt. Dieser erklärt, dass er seit vielen Jahren allein mit seinen Forschungs- und Wachrobotern an bahnbrechenden Erkenntnissen arbeitet und insbesondere über schwarze Löcher revolutionäre Theorien aufgestellt hat. Rheinhardts wissenschaftliche Behauptungen entzweien die Mitglieder der Palomino: Einige sind vom schwer nahbaren Genius fasziniert und wollen sich ihm anschließen, andere haben nur noch einen möglichst baldigen Aufbruch im Sinn ...

Eine Mannschaft, die auf ein von Gerüchten umwobenes, unheimliches Schiff stößt, dessen Kapitän ein belesener Zeitgenosse ist, dessen Wahn ebenso groß ist wie sein wissenschaftliches Genie. Die Parallelen zwischen Das schwarze Loch und 20.000 Meilen unter dem Meer sind schwer zu übersehen, und eigentlich ist es ein durchaus reizendes Konzept: Um die langsam in die Bedeutungslosigkeit abrutschenden, von einem Kinderimage geplagten Disney-Studios Ende der 70er wieder zurück auf den Schirm zu bringen, nahm man sich eines frühen Meilensteins der Konzerngeschichte an und verpackte ihn neu, indem man ihn in einem damals so enorm gefragten Sci-Fi-Gewand kleidete Mit Walt Disneys erstem vollständig auf US-Boden realisierten, reinen Spielfilm war man auch gut beraten, gilt dieser doch zu den geachtesten und ernstzunehmendsten Produktionen des Studios – und erfüllte somit alle Anforderungen, die man an eine Qualitäts- und Imageoffensive Disneys in den späten 70ern hätte stellen können. Der Film ist sogar eine derart gute Referenz für "Disney darf sich gerne mehr trauen, es hat schon einmal geklappt und Walt war begeistert", dass exakt dieser Klassiker auch herangezogen wurde, um 2003 Fluch der Karibik und sein PG-13-Rating durchzuwinken!

Das schwarze Loch ist dabei jedoch nicht einfach nur eine 1:1-Übertragung von 20.000 Meilen unter dem Meer, die schlicht ins Weltall verlagert wurde (wie es Jahrzehnte später bei Der Schatzplanet mit Robert Louis Stevensons Die Schatzinsel der Fall war), sondern bemüht sich um eigene Handlungswendungen, Figurenkonstellationen und auch eine eigenständige Atmosphäre. Letztere dürfte wohl auch ein wenig vom Mittelteil von 2001 inspiriert gewesen sein. Natürlich ist Disneys Sci-Fi-Thriller längst nicht so intellektuell und inhaltlich haben beide Werke kaum etwas gemein, aber die thematisch verkopft-trockene und sich klar von Star Trek und noch mehr vom Spaß-Ansatz von Star Wars Herangehensweise an die Gefahren und Wunder des Weltalls weisen doch einige Ähnlichkeiten auf. Die Menge an aufgeworfenen philosophischen Fragen dürfte ebenso kein Zufall sein, wenngleich manche auch der 20.000 Meilen-Inspiration geschuldet sein sollten: Die Figuren debattieren darüber, wo Menschlichkeit beginnt und wo sie aufhört sowie über das Verhältnis zwischen Macht und Wissen. Diese Fragen sind keineswegs aufgesetzt, sondern wachsen aus der Handlung heraus, was Das schwarze Loch in diesem Bereich jedoch schwächt, ist, wie hölzern die Dialoge von Jeb Rosebrook und Gerry Day diese Themen stellenweise ansprechen. Klar ein Fall von "Sehr gut gemeint, aber nur mittelprächtig gekonnt." Doch auch, wenn manche Wortwechsel was erzwungen sind, sind diese Debatten auch ein Qualitätsmerkmal von Das schwarze Loch, da sie davon zeugen, dass die Macher an mehr interessiert waren, als an einer Jugendliche anfixenden Spezialeffekt-Extravaganza. Das schwarze Loch kann zwischendurch sehr zynisch und nachdenklich werden, was ihn mit besser polierten Dialogen vom filmischen Pubertätssyndrom Disneys zu einem unterschätzten Geheimtipp gemacht hätte.

Der Schlusstwist überzeugt mich derweil völlig, es ist ein cooler Rausschmiss aus dem Film und bei aller Abgefahrenheit weniger urplötzlich und vor allem auch besser vorbereitet als das heimliche Vorbild, die Schlussequenz von 2001. Jaja, buhu, Sakrileg ...

Wie schon erwähnt, ist Das schwarze Loch trotzdessen kein strahlendes Glanzstück in der disney'schen Film-Schatztruhe. Man spürt dieser Produktion immer wieder an, zu welcher Zeit sie entstand – womit nicht bloß schlecht gealterte Elemente gemeint sind, sondern auch einige ungelenke, nicht völlig ausgeschliffene Punkte, die eine überdeutliche Sprache sprechen, wie unerfahren die damalige Studioleitung diesem relativ "erwachsenen" entgegnete. Viele Kritiken (heutige eher als jene aus der Entstehungszeit dieses ungewöhnlichen Disney-Films) bemängeln, dass V.I.N.C.E.N.T. und viel mehr noch B.O.B. L.F.28 mit der Brechstange in die Geschichte reingezwängte, unsinnige Figuren wären, die bloß als Kaufanreiz für Merchandising dienen sollten. So harsch würde ich mit den beiden Robotern nicht ins Gericht gehen – ohne zu wissen, weshalb sie in die Handlung eingefügt wurden, so dienen sie klar einem dramaturgischen Zweck. B.O.B. ist der einzige Verbündete der USS Palomino auf Rheinhardts Schiff und bringt auf diesem Weg die Handlung voran oder auch Licht ins Dunkel bezüglich der Roboterbesatzung und Rheinhardts Pläne, während V.I.N.C.E.N.T. sowohl für komödiantische Kurzweil sorgen soll, als auch die typischen Sci-Fi-Abenteueraufgaben eines Roboters erfüllt. Ja, er ist wohl ein Abklatsch von C3PO und R2D2 (in Personalunion!) und somit uninspiriert, überflüssig aber erscheint er mir nicht. Und in der deutschen Synchro ist er dank der stets freudigen Stimme von Wolfgang Ziffer weniger aufgeregt-nervig als im englischsprachigen Original.

Vollkommen deplatziert ist dagegen eine sinnlose Sequenz, in der V.I.N.C.E.N.T. gegen Rheinhardts Wächter-Roboter in einem Laser-Duell an einem Übungs-Schießstand antritt. Mit ihrem schleppendem Tempo ist diese Szene weder als auflockernde Actioneinlage dienlich, noch bietet sie auch nur irgendwelche Charakterexposition. Ähnlich dämlich sind Kates nur dann, wenn das Drehbuch sie gerade dringend braucht, eingesetzten telepathischen Fähigkeiten, auch manches des pseudo-wissenschaftlichen "Technobabble" an Bord der Palomino ist recht ungeschliffen. Irritierend ist auch, dass Regisseur Gary Nelso streckenweise durch die schaurige Musik und eine beengende Geräuschkulisse die beklommene Grundstimmung des Films erzeugt, in manchen Sequenzen aber plötzlich durch eine auffällige Stille die Kargheit eines 2001 1:1 imitieren will, was sich in diesen Film jedoch nicht einfügen mag.

Zu den großen Pluspunkten des Films gehört wiederum Maximilian Schell, der als bessesener Dr. Rheinhardt sowohl einschüchternd ist, als auch wunderbar theatralisch-kurzweilig. Die Crew der Palomino spielt ganz adäquat, wirklichen Eindruck hinterlässt bei mir nur Ernest Borgnine als der zweifelnde Jedermann Harry Booth, der die Crew aus journalistischem Interesse begleitet. Herausragend ist der Look von Das schwarze Loch, das für damalige Verhältnisse so enorme Budget wurde sehr effektiv eingesetzt. Das Setdesign unterstützt die unwohle Atmosphäre der Handlung sowie deren ernsten Implikationen und die Kameraarbeit von Frank V. Phillips wurde berechtigterweise mit einer Oscar-Nominierung bedacht. Ursprünglich war es geplant, die bei Star Wars verwendete Dykstraflex-Kamera von Industrial Light and Magic auszuleihen, da die Leihgebühren jedoch zu hoch waren, entwickelte Disneys Technikabteilung ein neues Kamerasystem, welches es erstmals ermöglichte, die Kamera über eine Maskenmalerei zu schwenken. Für die beeindruckenden Malereien und weitere der ansehnlichen Spezialeffekte war Disney-Veteran Peter Ellenshaw verantwortlich, den das Studio zu diesem Zweck sogar aus seiner nunmehr zehnjährigen Rente rausquatschte. Ellenshaw, sein Sohn Harrison, Art Cruickshank, Eustace Lycett, Danny Lee und Joe Hale und erhielten für ihre Arbeit eine Oscar-Nominierung. Zu ihren bahnbrechenden Leistungen gehörte auch der Vorspann, welcher die bis dahin längste computeranimierte Einstellung der Filmgeschichte darstellte. Und wer weiß, hätte man sich bei der Beleuchtung von Das schwarze Loch mehr Mühe gegeben und so in allen, statt nur in einigen Sequenzen, die Fäden an den schwebenden Robotern vertuscht ...

Auch Komponist John Barry hätte meiner Ansicht nach eine Nominierung verdient gehabt, insbesondere die Overtüre ist genial, aber auch im weiteren Filmverlauf kitzelt er mit seinen düsteren Melodien die Nerven der Zuschauer. Zum Glück erschien der Soundtrack mittlerweile erneut auf CD, sogar mit zuvor unveröffentlichtem Material!

Den Film selbst schleppt Disney in größeren Abständen immer wieder ans Licht der Öffentlichkeit, wenn es gilt, unter Fans halbwegs bekannte Katalogtitel zu entstauben. Größere Aufmerksamkeit erhielt Das schwarze Loch von Disney aber nach seinem Kinostart nicht, da er trotz die meisten anderen Disney-Produktionen jener Zeit in den Schatten stellenden 35 Millionen an den US-Kassen weiterhin unter den Erwartungen lief. Der erhoffte Aufstieg zu den Großen in Hollywood wurde nur ein laues Lüftchen, das für Platz 21 der Jahrescharts genügte. Erst auf den Schwingen des Vorab-Hypes zu Tron: Legacy gewann der Film an Priorität und das Studio bat Regisseur Joseph Kosinski darum, ein Remake zu verwirklichen. Darum wurde es mittlerweile allerdings wieder still.

Das schwarze Loch ist zu ungeschliffen, um ein heimliches Meisterwerk zu sein. Doch es das Ergebnis redlicher Bemühungen Disneys, sich selbst neu zu erschaffen. Die Grundidee ist packend, der Tonfall des Films überraschend ernsthaft und rückblickend hat diese Disney-Produktion auch einiges an spätem 70er-Charme. Das Studio wollte mit diesem filmischen Wendepunkt unbedingt erwachsener werden, stolperte in diesem Prozess jedoch noch ab und an. Trotzdem ist es ein grundsolider Sci-Fi-Streifen aus der zweiten Reihe, der klar den ersten Star Trek-Film übertölpelt. Die durchwachsenen Dialoge sind dank der großen Ambitionen des Films zu verzeihen, zumal Das schwarze Loch Fans des ungewöhnlicheren Disney-Schaffens jede Menge liebenswerte Eigenheiten bietet. Selbst wenn manche Sequenzen dröge sind, ist dies der Film, mit dem so vieles seinen Anfang nahm: Die verzweifelte Sinnkrise der Disney-Studios ist damit ebenso gemeint, wie ihre erfolgreiche Öffnung gegenüber einem neuen Publikum. Ohne Das schwarze Loch kein Tron, keine Gründung von Touchstone Pictures und somit auch kein Splash!, kein Falsches Spiel mit Roger Rabbit und kein Club der toten Dichter. Disney hätte keine Anlaufstelle für weniger familienorientierte Autoren, Produzenten und Regisseure gehabt, und so hätte auch nie Jerry Bruckheimer zum Konzern gefunden. Ohne Das schwarze Loch gäbe es kein Armageddon und vor allem auch kein Fluch der Karibik. 

Das schwarze Loch scheint ein Kuriosum zu sein, und vielleicht ist es das auch. Aber es ist ein mühevoll erstelltes, trotz Schwächen unterhaltendes Kuriosum mit versteckten Tiefen und überzeugender audiovisueller Komponente. Und der Grundstein für einen immer weiter wachsenden Flügel des Disney-Schaffens.

Und deshalb hat Das schwarze Loch mehr Respekt verdient.

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4 Kommentare:

Herbert de Vaucanson hat gesagt…

He, Sir Donnerbold, wie konntest Du am Freitag schon den Nachruf für Ernest Borgnine verfassen?
Auch bei Dir Mutantenfähigkeiten im passenden Moment?
Ansonsten bleibt mir fast nur, meinen Kommentar aus dem November zu wiederholen:

"Oh, was habe ich das schwarze Loch als zehnjähriger Stepke geliebt: Das Buch von Alan Dean Foster verschlungen, den Comic gesammelt, meine armen Eltern ins Kino gequatscht. Heute gönne ich mir noch gerne das eine oder andere Highlight des Films im Heimkino ... und spule schnell am öden Intro, den albernen Kampfrobotern und den beiden Zombies vorbei, die Kapitän und Steuermann der Palomino spielen. (Schell ist Cool: "Für alles gibt es einen Grund? Aber was ist der Grund für diesen Grund?" ... ;-) "

Meinen Respekt hat er!

Alex hat gesagt…

Ich hab dieses bizarre Stück Sci-Fi-Geschichte heute überraschend sehen können - in einer restaurierten HD-Fassung, wo wohl auch ein bisschen Wire Removal betrieben wurde. War begeistert von den Bauten, dem Design und (manchen) Effekten und hatte während des Guckens gedacht, dass hier vielleicht mehrere Regisseure am Werk waren und manche Szenen nachgedreht wurden, aber anscheinend entspringt es ja alles einem übermotivierten Hirn. Wie schön, dass es sowas gibt.

Sir Donnerbold hat gesagt…

Freut mich, dass dir der Film gefiel. Das "Da waren viele Hände am Werk"-Gefühl kann ich gut nachvollziehen. Wie sehr dazu ein einzelnes, übermotiviertes Hirn beitrug und wie sehr der Einfluss der sich uneinigen Konzernleitung (die einen wollten "edgy" werden, die anderen konservativ und harmlos bleiben), ist derweil eine ungelöste Frage.

Wie stehst du denn zu den (eingeschlafenen) Plänen des "Tron: Legacy"-Regisseurs Joseph Kosinski, den Film neu zu drehen? Hier würde mMn der "übermotiviertes Hirn"-Aspekt zweifelsfrei zustimmen, schon die Tron-Fortsetzung hatte sonderbare Stimmungswechsel (Michael Sheen), die dem Film eine mMn reizvolle Andersartigkeit verliehen.

Alex hat gesagt…

Hm. Bei "Tron: Legacy" war ich vom Look im Kino so weggeblasen, dass ich mich an die Story kaum erinnern kann. Ob das jetzt aus einem Guss war oder nicht, weiß ich gar nicht mehr. Die ganzen Meta-Diskussionen um den Film (http://realvirtuality.wordpress.com/2010/12/07/tronlegacy-my-favourite-quote-so-far/) fand ich interessanter als den Film selbst.

Ein Remake von "Black Hole" halte ich nicht für völlig abseitig, aber ich vermute, dass da nicht viel vom Original übrig bleiben würde. Denn die Grundstory (20.000 Meilen unter dem Weltraum) ist ja relativ simpel - und es sind eher die ungewöhnlichen Marker der Zeit, die den Film besonders machen als die Handlung, die man ja ähnlich schon oft gesehen hat.

Ist also die Frage, ob wir wirklich noch mehr Filme wie das 2012er "Total Recall" brauchen, oder ob Kosinski mit der Aussage des Films etwas anfangen kann, was sich auf die heutige Zeit übertragen lässt.

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