Dienstag, 22. Januar 2019

Meine 50 Lieblingsfilme des Jahres 2018 (Teil I)

Ein wenig musste ich das Filmjahr 2018 noch sacken lassen, aber nun stürze ich mich endlich wieder ins Abenteuer namens Rangliste: An dieser Stelle breite ich vor euch meine Lieblingsfilme heraus, die 2018 ihren Weg nach Deutschland gefunden haben. Während ich 2015 und 2016 ganze 45 Produktionen in meiner Hitliste hatte, waren es 2017 "nur" 35 Stück, denn obwohl ich das Jahr vor allem auf den vorderen Rängen sehr stark fand, gab es einfach ein paar Filme weniger, die ich durch meine Jahresliste noch einmal ins Rampenlicht zerren wollte.

Dieses Mal jedoch gleiche ich das dann wohl aus, denn 2018 war in meinen Augen ein sehr vielseitiges, buntes Kinojahr voller gelungener Filme. Und wie immer gilt: Dies sind nicht zwingend die Filme, die ich in einen Filmkanon packen würde, der stellvertretend für 2018 steht und ein breites oder sehr filmaffines Publikum erreichen soll. Es sind auch nicht unbedingt die Filme, die mein Verstand als die größten Leistungen des Jahres erachtet. Es sind die Filme, die ich mit meinem Filmherzen in diese Vorauswahl und Reihenfolge gebracht habe. Es kostete sogar einiges Herzzerbrechen, meine Rangliste auf 50 Einträge klein zu schleifen. Aber hier sind wir nun ....

Platz 50: 1.000 Arten, Regen zu beschreiben (Regie: Isabel Prahl)

Ein reduziertes, deutsches Drama, das von einer zerrissenen Familie handelt, die sich wundert, weshalb einer von ihnen sein Zimmer nicht mehr verlassen möchte. Gut gespielt und einfühlsam, ist es ein sehr empfehlenswerter Film für alle, die sich nochmal vor Augen führen wollen, wie vielseitig das deutsche Kino sein kann.

Rang 49: Love, Simon (Regie: Greg Berlanti)

Eine filmhistorische Ewigkeit hat es gedauert, aber hier haben wir sie. Endlich! Die erste von einem der großen Hollywood-Studios gestützte Mainstream-Teenie-Romantikkomödie über eine schwule Hauptfigur. Kein Problemfilm, keine sorgenvolle Bestandsaufnahme darüber, wie schwer doch alles ist, sondern teils Status quo in aufgeschlosseneren Landstrichen, teils teeniekomödienhaft verschönerte Vision, wie es sein sollte, ohne völlig vor der Wirklichkeit die Augen zu verschließen. Das hat es einfach mal gebraucht, um die Welt der Teenie-Liebeskomödie aufzumischen. Insbesondere aber sind es Nick Robinsons feinfühliges Schauspiel, Jennifer Garner als Filmmutter, die man liebend gern in seinem Leben hätte, Katherine Langford als "Hege bitte keinen Kummer, Leah, in einem anderen Medienuniversum geht es dir so viel schlimmer, bitte, darf ich dir einen Trostkakao überreichen?! Alles wird gut!" und die intuitive Taktung, in der Love, Simon zwischen Familiarität, Spaß und Teenie-Liebespathos wechselt, die diesen Film trotz mancher ungelenker Momente in meine Tops heben.

Rang 48: Catch Me! (Regie: Jeff Tomsic)

Eine alberne Komödie über Erwachsene, die einmal im Jahr einen Monat lang wie Besessene Fangen spielen? Ja. Catch Me! ist eine mit albernen Dialogen und überzogenen Slapstickpassagen aufwartende Komödie über Erwachsene, die einmal im Jahr einen Monat lang wie Besessene Fangen spielen. Ist das Timing von Jeremy Renner, Ed Helms, Jon Hamm, Jake Johnson, Hannibal Buress, Annabelle Wallis, Isla Fisher, Rashida Jones und Leslie Bibb gut? Total. Vor allem aber ist Catch Me! eine im Popcornkomödien-Gewand verpackte Bestandsaufnahme einer Welt, in der zwischenmenschliche Kommunikation für viele Leute passé ist, wir Gefühle, Sorgen und schlechte Neuigkeiten runterschlucken und nur noch in Spielchen, Maskeraden und Floskeln den Kontakt mit unseren Engsten suchen. Auch das stupide Ideal des Mannes, der nicht über sich redet, wird gewitzt unterwandert. Aber sind wir ehrlich: Ein verspielt-galanter Jon Hamm und eine angepisste Isla Fisher sowie ein selbstironisch selbstsicherer Jeremy Renner machen einfach abartigen Spaß.

Rang 47: Mackie Messer - Brechts 3Groschenfilm (Regie: Joachim Lang)

Bertolt Brecht arbeitete nach dem immensen Erfolg seiner Dreigroschenoper an einer Adaption seines Bühnenstücks für die große Leinwand. Doch selbst der riesige Zweifel an der Filmbranche hegende Schriftsteller ("Die Filmindustrie ist zu doof und muss erst bankrott gehen") konnte wohl nicht ahnen, wie riesig die Steine sind, die ihm die Geschäftstreibenden in den Weg stellen sollten. Da Brecht befand, man könne nicht einfach eine Geschichte 1:1 in ein neues Medium übersetzen, sondern müsse sie umändern (womit Brecht heute der Erzfeind zahlreicher Internetkommentatoren wäre), warf man ihn schlussendlich über dem Rechtsweg aus seinem eigenen Filmprojekt heraus. Wie könnte ein Brecht-Gelehrter wie Joachim Lang die Dreigroschenoper über ein halbes Jahrhundert später besser verfilmen, als dass er Brechts Text nimmt, verformt, mit überdeutlichen Bezügen aufs Heute versieht und mit der wirklich wahren (frivol fiktionalisierten) Geschichte verschränkt, wie Brecht seinen Film plant? Die Ausstattung ist prächtig, der Ton originalgetreu (aber vielleicht nicht sinngemäß-)knarzig und Lars Eidinger hat im brillanten, süffisant-besserwisserischen und trocken-humorigen Bertolt Brecht wohl die Rolle seines Lebens gefunden. Nur der Mittelteil könnte was zielstrebiger und die Verfremdungseffekte könnten deutlich wilder und origineller sein. Trotzdem: Tolle Sache, für Brecht-Novizen wie für -Verehrende.

Rang 46: Vollblüter (Regie: Cory Finley)

Regisseur und Drehbuchautor Corey Finley hat sich prompt mit seinem Debüt einen Platz auf der Liste "Namen, die man sich merken muss" gesichert: Stilvoll unterkühlt, und doch brodelnd vor Zorn, ist Vollblüter eine schwarze Thrillerkomödie, die fast schon von Giorgos Lanthimos stammen könnte: Die Vorstadt-Teenagerinnen Lily (Anya Taylor-Joy) und Amanda (Olivia Cooke) sind gewieft, hübsch und wohlbehütet, also alles, was man sich in der Pubertät wünschen würde. Doch sie sind auch verzogen - sowie kaputte Gegensätze, die sich zu einem unheiligen Ganzen ergänzen: Die eine ist unter ihrer spröden, leisen Schale übertrieben verletzlich, die andere ist unter ihrer desinteressierten, zurückhaltenden Maske eine soziopathisch-stoische Jugendliche, die sich von nichts abschrecken lässt. Mit distanzierender Regiehand geführt und mit kunstvoll-atonalen Dialogen ist Vollblüter ein Film, den man entweder vom ersten Dialog an liebt oder beim besten Willen nicht zu greifen bekommt. Mich hat er gekriegt - und ich kann nicht abwarten, was Finley noch machen wird. Cooke und Taylor-Joy sind klasse in Vollblüter, und wer weiß, vielleicht wird Finley bei seinem nächsten Film noch konsequenter vorgehen?

Rang 45: American Animals (Regie: Bart Layton)

In den USA streng limitiert gestartet und dabei auf die Nase gefallen, kam diese Heist-Movie-Dekonstruktion in Deutschland im Rahmen des Fantasy Filmfests 2018 in die Kinos, ehe im Januar 2019 die Heimkinopremiere erfolgt. Nichts, das diesem Film großen Rummel einbringen würde, und so bleibt die Hoffnung, dass diese atmosphärisch komplexe Verarbeitung eines wahren Kunstdiebstahls sich irgendwie noch einen großen Namen erarbeitet und so nach und nach ein Publikum findet. Denn Evan Peters und Barry Keoghan sowie Blake Jenner gelingt es sehr gut, auf Basis von Bart Laytons Regieführung einen schweren Balanceakt zwischen Identifikationsfiguren und Mistkerlen zu begehen. Hier werden die Grundregeln der Ganovenposse aufgebaut, hinterfragt und eingerissen: American Animals erfindet das Rad nicht neu und ist in einem Minischwung an Filmen, die ihren eigenen Status aus "wahre Geschichte" demontieren, nicht der griffigste, wohl aber ein Vertreter, den man sich mal gegeben haben sollte!

Rang 44: Tully (Regie: Jason Reitman)

Da ist er ja endlich wieder: Mit seinem ersten Schwung an Filmen hat sich Jason Reitman zu einem meiner Lieblingen unter den heute aktiven Regisseuren gemausert, doch dann kamen der in meinen Augen zwar gut gespielte, jedoch melodramatisch-zähe Labor Day und der vollauf grausige, technophobe #Zeitgeist. Mit Tully habe ich aber endlich den Reitman zurückbekommen, den ich so mochte: Mit einer großartigen Charlize Theron als sich durch den Alltag kämpfende, müde Mutter und Mackenzie Foy als fast schon beunruhigend gut gelaunte, energiereiche "Nacht-Nanny" toll besetzt, erzählt Reitman vom Horror des Elternseins. Brüllende, hibbelige Kinder, unkooperatives Lehrpersonal, Schlafentzug und anstrengend-perfekte Vorführpärchen, die einem passiv unter die Nase reiben, wie einfach alles angeblich wäre. Reitman zeigt dies mit greifbarer Erschöpfung und ruhigem Witz, fängt es in prägnanten Bildern ein und ergänzt es um eine klug erzählte Geschichte darüber, dass nichts gegen das Erwachsenwerden spricht.

Rang 43: Die Schneiderin der Träume (Regie: Rohena Gera)

Die indische Regisseurin Rohena Gera vertieft in ihrem fiktionalen Regiedebüt das Thema ihrer Dokumentation What's Love Got To Do With It? und skizziert, wie im modernen Indien westliche und lokale Werte aufeinanderprallen und so das Liebesleben Einzelner beeinflussen. Das mit scharf beobachtender Gemächlichkeit erzählte Liebesdrama Die Schneiderin der Träume ist aber mehr als ein Soziogramm, es ist zudem eine lebensnah-ruhig gespielte, immens glaubwürdige und minutiös gespielte Romanze, bei der Körperhaltung, kleine Gesten und die Pausen zwischen den Sätzen weit mehr aussagen als die alltäglichen Sätze. Ein ruhiger, kluger, schöner Film frei von Kitsch.

Rang 42: Peter Hase (Regie: Will Gluck)

Für mich womöglich die positivste Überraschung des Kinojahres 2018: Die Trailer zu Peter Hase fand ich eher anstrengend, und allein mein Vertrauen in Rose Byrne und Domhnall Gleeson bewahrte mich davor, völlig lustlos ins Kino zu schleichen. Doch siehe da: Annie-Regisseur Will Gluck sorgte mit seiner temporeichen, frechen Komödie für eine echte Spaßbombe voller fesch abgewickeltem Slapstick und herrlichem Dialoghumor sowie einer feisten Dosis Selbstironie. Und bei aller Frechheit und Meta-Scherzerei bleiben die Figuren sympathisch und herzlich: Zwischen Gleeson und Byrne stimmt die Leinwandchemie, Peter Hases Entwicklung vom bugs-bunny-eskem Rebellen hin zu einem mitfühlenden Nachbarn ist plausibel und wenn in diesem Film Beziehungen gekittet werden, rührt es mich tatsächlich! Kurzum: Peter Hase ist das, was die nervigeren und weniger einfallsreichen Deadpool-Filme gerne wären: Ironische, alberne Dekonstruktionen ihres eigenen Genres, die mit Witz Klischees umfahren und dennoch einen emotional räsonierenden Kern haben. Und hätte sich Will Gluck den klobigen Einsatz von austauschbarer Chartmusik gespart, läge Peter Hase noch weiter vorne in meinen Charts.

Rang 41: Juliet, Naked (Regie: Jesse Peretz)

Aus der von mir so geliebten Kategorie "Filme, die früher Touchstone Pictures gemacht hätte, aber leider will Disney ja nicht" sowie aus der von mir ebenfalls so geliebten Sparte "Filme für einen Sonntagnachmittag unter der Wolldecke", präsentiere ich euch in diesem Jahresranking: Die Nick-Hornby-Adaption Juliet, Naked, die zu gleichen Teilen gewitzt ist wie feinfühlig. In dieser Dekonstruktion der obsessiven Fankultur und des verantwortungslosen Rockmusikerdaseins geht es um eine Frau, deren Beziehung eingeschlafen ist, und die eines Tages all ihren Frust an der neu entdeckten Demoversion des Lieblingsalbums ihres Freundes auslässt. Als ihre Onlinekritik das Interesse des Interpreten weckt, beginnt für die von Rose Byrne wundervoll gespielte Protagonistin eine ruhige, dennoch bewegte Reise zur Selbstverwirklichung. Chris O'Dowd und Ethan Hawke punkten in den männlichen Nebenrollen - und das Skript nimmt immer dann eine gezielte Wende, wann immer zu viel Kitsch oder zu forcierte Komik drohen. Einfach ein echt schöner Film.

Fortsetzung folgt ...

4 Kommentare:

Tolotos hat gesagt…

Ich hab dieses Jahr echt zu wenig mitgekriegt. Von den 6 Filmen, die ich nach dieser Beschreibung auf jeden Fall (Vollblüter, American Animals, Tully) oder vielleicht (Love, Simon; Mackie Messer; Juliet, Naked) sehen will, hatte ich vorher nur von der Hälfte gehört. Vielen Dank für die Inspiration!

Sir Donnerbold hat gesagt…

"American Animals" hatte ja auch quasi null Medienrepräsentation, sofern man nicht das Fantasy Filmfest besucht. "Vollblüter" hatte so miese Publikumszahlen, dass er rasch aus dem Kino verschwunden ist, selbiges gilt für "Tully". "Love, Simon" und "Juliet, Naked" konnte man vielleicht mitbekommen, "Mackie Messer" lief in diesem engen Korridor als gefühlt alle größeren oder interessanteren deutschen Filme der zweiten Jahreshälfte liefen und war ein Opfer der Startterminpolitik.

Viel Spaß beim Nachholen! :)

Tolotos hat gesagt…

Gut getroffen, Juliet, Naked und Love, Simon habe ich mitgekriegt. Zusätzlich noch Tully wegen Jason Reitman. Wenn ich zeitnah genug was nachhole, schreibe ich vielleicht auch was zum jeweiligen Film in einen Kommentar, aber wegen Backlog ist das nie klar...
Habe daher auch gezögert, ob ich kommentieren soll, weil ja nicht viel gehaltvolles im Kommentar steht, aber ich denke die Rückmeldung, dass der Beitrag interessant ist und mich weitergebracht hat, ist hoffentlich auch besser als nichts. Gerade diese Jahresrückblicke, ob auf die schlechtesten oder besten Filme lese ich hier im Blog immer sehr gerne (aber auch vieles andere). Von irgendeinem vorher unbekanntem Film erfährt man dabei meistens (ist natürlich nur bei der Bestenliste interessant, der Beitrag zu den schlechtesten Filmen ist eher aus humoristischen Gründen interessant. Oder manchmal auch, wenn ein kontroverser Eintrag darin ist. Auch falls man selbst den jeweiligen Film gut findet, ist es immer nützlich eine gute, gerne auch heftige Kritik dazu zu lesen).

Sir Donnerbold hat gesagt…

Nur her mit den Kommentaren, ich freu mich drüber. :)

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