Samstag, 6. April 2024

Mediatheken-Tipps (6. April 2024)

Zeit der Unschuld (Romantisches Kostümdrama, 1993) Eines der größten Rätsel des digitalen Filmdiskurses sind für mich lautstark gegen andere Filmschaffende oder einzelne Filmreihen wetternde Martin-Scorsese-Fans, die sich in ihrer berechtigten Passion für die Regielegende aber ausschließlich auf seine Gangsterfilme beziehen. Damit ignorieren sie doch den Großteil seiner Vita! Mit Zeit der Unschuld hat 3sat derzeit einen der Macho-unfreundlichsten Filme Scorseses im Portfolio: Ein mit Daniel Day-Lewis, Michelle Pfeiffer und Winona Ryder formidabel besetztes, schwelgerisches ausgestattetes Liebesdrama mit famosen Bildern des Kameramanns Michael Ballhaus und einer Vision von Liebe, die zwischen irrational-intensiv und scheu-codiert-kommuniziert changiert. 3sat-Mediathek, abrufbar bis zum 7. April 2024

Herzensbrecher (Komödie, 2010) Xavier Dolan, mal von seiner leichten Seite - hinter und vor der Kamera einer Liebes-, Freundschafts- und Eifersuchtskomödie: Marie (Monia Chokri) und Francis (Xavier Dolan) sind eng befreundet, verlieben sich jedoch auf einer Party in denselben Typen - und das, obwohl sie beide auch einiges an ihm zu kritteln haben. Jugendlich-peppiger Film über Leute, die sich in ihren frühen 20ern noch eine pubertäre Kopflosigkeit in Liebesdingen bewahrt haben (respektive noch darunter leiden) - mit großem Stilwillen eines jung-ungestümen Regisseurs. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 17. April 2024

I Killed My Mother (Autobiografisch angehauchtes Drama, 2009) Im Heimkino sind einige Xavier-Dolan-Filme leider schwer zu ergattern. Umso schöner, dass die ARD-Mediathek derzeit alten Fans Rewatches ermöglicht und Dolan-Neugierigen es leicht macht, quer in seine Vita einzusteigen. I Killed My Mother ist Dolans womöglich persönlichster Film: Er verfasste das Skript im Alter von nur 16 Jahren und verarbeitete darin seine Beziehung zu seiner Mutter. Das Ergebnis: Ein eindrucksvolles Coming-of-Age-Drama mit ein paar harsch reingrätschenden, charismatischen Passagen voller Humor. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 17. April 2024

The Painter and the Thief (Dokumentation, 2020) Eine fesselnde, unfassbar-wahre Geschichte über Kunst, Rechtsprechung, Reue, Vergebung und Einfühlungsvermögen: Die Malerin Barbora Kysilkova wird bestohlen. Einer der Täter wird gefasst, ist voller Reue. Die Malerin ist gerührt und will ihn malen. Es entsteht eine sonderbare Freundschaft, die aber nicht frei von dornigen Momenten ist. Ungeheuerlich starker Film, eine meiner liebsten Dokumentationen des Jahrhunderts. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 23. April 2024

Das Fest (Rabenschwarze Tragikomödie, 1998) Nicht Lars von Trier, sondern Thomas Vinterberg brachte Dogma 95 im Kino ins Rollen: Unter strengen (und oftmals gebrochenen) künstlerischen Gesetzen sollten pure, den Kunstschaffenden gehörende Filme entstehen. Dem auf dem ersten Blick doch was bitter-aufgesetzten Anklang der Dogma-95-Regeln zum Trotz eröffnete diese Bewegung mit einem finsterkomischen Film, der weniger nachdenklich ist, als unwohlig-fesselnde Erfahrung: Das Fest beginnt als Alltagssituation-Streitfilm über die sich anmaulenden Gästinnen und Gäste einer Familienfeier. Doch nach und nach kommen unschöne Wahrheiten ans Licht, die Vinterberg (wie er es generell so gut beherrscht) mit Respekt für das unbequeme Thema anfasst, und doch mit Galgenhumor versieht. Daher nicht zwingend geeignet für verletzte Seelen, auch wenn namhafte Größen im Bereich der Familienpsychologie dem Film attestieren, in seiner Darstellung erstaunlich akkurat zu sein. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 24. April 2024

Inside Llewyn Davis (Trockenkomisches Musikdrama, 2013) Herbstlich-spröder Einblick in eine turbulente Woche im Leben eines Folkmusikers (brillant: Oscar Isaac), der ein wenig vom Pech verfolgt ist, sich aber auch immer wieder selbst im Weg steht - ohne dass man ihn dafür hassen könnte. Ein Highlight im Schaffen der Coen-Brüder voller Ohrwürmer, Katzen-Content und dichter Atmosphäre. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 4. Mai 2024

Warum Mediatheken-Tipps? Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender sind ein unablässig sprudelnder Quell an sehenswerten Produktionen. Ob Spielfilm, Dokumentarfilm, Reportage, Konzertfilm, Serie, oder oder oder. Doch nicht nur, dass man da leicht den Überblick verlieren kann: Ich kenne einige Menschen, die den Mediatheken kaum oder gar keine Beachtung schenken. Mit dieser Artikelreihe möchte ich Orientierung bieten, ebenso wie Anreiz, sich vermehrt mit den Mediatheken zu befassen. Dazu gebe ich wöchentlich sechs Anschautipps.

Wieso sechs Tipps? Ich möchte, dass diese Artikelreihe händelbar bleibt. Für mich, damit ich sie neben meinen anderweitigen Verpflichtungen verfassen kann. Und für euch: Ich will euch nicht mit Anschautipps erschlagen. Sechs Tipps halte ich indes für umsetzbar: Selbst, wer alle Tipps ansprechend findet, kann sich täglich einen davon angucken, und hat dennoch bis zur nächsten Ausgabe der Reihe auch einen Tag "mediathekenfrei". 

Die Mediatheken-Tipps erheben selbstredend keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt viel mehr zu sehen, als ich hier Woche für Woche nennen könnte.

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