Sonntag, 20. März 2016

Meine Lieblingsfilme 2015 (Teil I)

Die 88. Academy Awards liegen hinter uns, nun denkt endgültig niemand mehr über das Filmjahr 2015 nach. Schließlich hat das Filmjahr 2016 schon begonnen, ist allmählich warm gelaufen und steht kurz vor seinem ersten Schub an Blockbustern.

Was war das? Niemand denkt mehr über das Filmjahr 2015 nach? Nein! Fast niemand denkt über das Filmjahr 2015 nach. Ein Filmblogger aber steckt mit seinen Gedanken noch immer in den Kinomonaten 2015 fest. Denn seine Hitliste steht noch immer aus. Einerseits, weil er seine Favoriten noch hat sacken lassen wollen. Und andererseits, weil ihn allerlei Pflichten außerhalb seines Blogs eingeholt haben. Doch nun gibt es kein Hin und kein Her mehr, keine Widerrede und kein Vertrösten: Endlich blickt besagter Blogger zurück und nennt seine Lieblingsfilme des Jahres 2015. Und, welch Überraschung: Dieser Blogger, von dem die Rede ist, bin ich!

Ja, ich habe meine Tops 2015 lange vor mich hergeschoben, teils gewollt, teils, weil dauernd was dazwischen gekommen ist. Aber nun geht es los! Und wie immer gilt: Die Filme, um die es sich hier dreht, sind nicht zwangsweise die kulturell bedeutungsvollsten, die handwerklich makellosesten oder die außergewöhnlichsten Produktionen des Jahres. Die Frage, die darüber entscheidet, wo sich ein 2015 in Deutschland regulär auf den Markt gekommener Film platziert, lautet ganz schlicht: Wie stark lässt dieser Kino- oder Direct-to-DVD-Start mein Herzen höher schlagen?

Klar soweit?! Na ... dann ... loooos!

Platz 45: Cinderella (Regie: Kenneth Branagh)

Aller guten Dinge sind drei: Tim Burtons Alice im Wunderland, der Anfang der aktuellen Welle an Disney-Realneuverfilmungen bereits im Meisterwerke-Kanon abgehandelter Geschichten, war enttäuschend. Maleficent - Die dunkle Fee war eine absolute Katastrophe. Und Cinderella? Kenneth Branagh verwirklichte mit diesem auf Ironie und aufgesetzter Düsternis verzichtenden Kostümfilm eine visuell opulente Neuumsetzung des Märchenklassikers: Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die in einer Zeit aufwächst, in der Frauen kaum Möglichkeiten haben, gesellschaftlich aufzusteigen. Während die Titelheldin es mit Freundlichkeit und Durchhaltevermögen versucht, setzt die von Cate Blanchett genussvoll selbstverliebt gespielte Stiefmutter auf Manipulation und Gehässigkeit. Der Einstieg in diese Geschichte ist etwas zäh, doch sobald der Prolog hinter einem liegt, entfaltet Cinderella einen altmodischen Charme, obwohl er zugleich etwas vom geschlechterpolitischen Staub der altbekannten Geschichte wegpustet.

Platz 44: True Story (Regie: Rupert Goold)

Der deutsche Untertitel Spiel um Macht ist grober Unfug. Wenn True Story schon einen Untertitel bekommen muss, so wäre Die Suche nach Wahrheit oder meinetwegen auch Kampf mit Fakten viel zutreffender: In Rupert Goolds Justiz-/Journalismus-Kammerspielthrillerdrama dreht sich alles um einen in Ungnade gefallenen Journalisten und einen Mann, der des mehrfachen Mordes angeklagt ist. Für den von Jonah Hill versiert gespielten Journalisten steht sein Ruf auf dem Spiel: Er will mit einem Bericht über den vermeintlichen Mörder beweisen, dass er noch immer faktenorientiert arbeitet, nachdem er in einem Artikel über Kinderarbeit in Afrika zwei Personen zu einer einzelnen zusammengefasst hat. James Francos ebenso oft charismatisch wie eiskalt auftretender Angeklagter wiederum muss auf Emotionalität pochen, um vor Gericht eine Chance zu haben. Die Suche nach Antworten im verfahrenen Mordfall, sowie der knifflige Umgang mit der Frage, was als "Wahrheit" durchgeht, werden in diesem extrem verdichteten Skript eloquent und facettenreich ausgearbeitet. Kein Thriller für nebenher, sondern ein Fall, wo sich die Suspense aus Nachdenklichkeit generiert!

Platz 43: Crimson Peak (Regie: Guillermo del Toro)

Hätte del Toro doch nur von den verflixten Digitaltricks die Finger gelassen! Crimson Peak ist eine wunderschöne Gothic-Romanze voller bitterer Ironie, einem melancholischen Verständnis des Übernatürlichen und einer vergnüglich übertriebenen Schurkenrolle, die der kühlen, zierlichen Protagonistin gegenübersteht. Mia Wasikowska besticht in dieser Hauptrolle, Jessica Chastain und Tom Hiddleston gefallen mir sehr als okkult wirkendes Geschwisterpaar und das Produktionsdesign dieses bittersüßen Films ist umwerfend! Es ist eine Produktion, die völlig aus der Zeit gefallen ist und so genauso gut in den 30ern hätte anlaufen können. Bis auf die CG-Geister, die auch genau danach aussehen und somit die Retro-Atmosphäre wiederholt attackieren. Wäre Stop-Motion so schwer gewesen?
 
Platz 42: Es ist kompliziert! (Regie: Ben Palmer)

Simon Pegg und Lake Bell in einer britischen Bilderbuch-Romantikkomödie: Gepfefferter Dialogwitz, leicht exzentrische, aber glaubwürdige Hauptfiguren, schrille Nebenrollen und nahtlos in die Geschichte eingewobene, treffende Beobachtungen über den Wahnsinn, den wir Partnersuche nennen. Oder "Über die letzte Trennung hinwegkommen". Oder "Kennenlernen". Ben Palmers unverdient im Kino untergegangener Wohlfühlfilm wird hoffentlich noch zum kultigen Geheimtipp, denn Es ist kompliziert! ist idealer Stoff für verregnete Tage. Oder Phasen, in denen man sich wie im Regen stehen gelassen fühlt.

Platz 41: Man lernt nie aus (Regie: Nancy Meyers)

Einer von Quentin Tarantinos Lieblingsfilmen des Jahres 2015. Und obendrein ein Vertreter der filmischen Gattung, die ich gerne nenne: "Filme, die heute andere Studios machen müssen, weil Touchstone Pictures ja leider nur noch ein Schatten seiner selbst ist". Denn Nancy Meyers' unaufgeregte Komödie über einen Rentner, der nicht vor Langeweile umkommen möchte, und sich daher bei einem Internet-Modeversandhaus als Praktikant bewirbt, strahlt solch ein Feeling aus wie die Touchstone-Komödien Vater der Braut, Noch drei Männer, noch ein Baby oder Green Card. Die Figuren sind mir im Laufe der 121 unaufgeregten Minuten sehr ans Herz gewachsen, und auch wenn die Produktion nicht vor Innovation platzt, so vermeidet sie auch die größten Klischees: Robert De Niro und Anne Hathaway spielen hier zwei Archetypen, die dank kleiner Gesten überraschend echt wirken, und wann immer eine pathetische Lektion oder eine überdramatische Wende folgen könnte, geht dieser "Slice of Life"-Streifen rasch einen anderen Weg. Einfach charmant!

Platz 40: Die Melodie des Meeres (Regie: Tomm Moore)

Der zweite Langfilm von Tomm Moore, dem Regisseur des bezaubernden Animationsfilm-Juwels Das Geheimnis von Kells ist ein ebenso berückend schön gezeichnetes Märchen wie die grüne, irische Sage, die damals im Oscar-Rennen mitmischte. Die ebenfalls Oscar-nominierte Melodie des Meeres ist nicht ganz so unvergleichlich wie ihr Vorgänger, und zwischenzeitlich sind mir die Kabbeleien des zentralen Geschwisterpaares zu anstrengend. Doch mit bezirzender Musik, bildhübschen Zeichnungen und einer reizvollen Mythologie ist dies trotzdem ein Muss für jeden Animationsfan!

Platz 39: The Gift (Regie: Joel Edgerton)

Joel Edgerton hat sich mit diesem Low-Budget-Thriller für mich von einem Hollywood-Irgendwer zu einer Persönlichkeit gewandelt, die es dringend zu beobachten gilt! Der australische Produzent, Drehbuchautor und Schauspieler lieferte mit seinem Regiedebüt The Gift eine höchst atmosphärische Geschichte ab, der ich zweifelsohne Hitchcock-Qualitäten zuschreiben möchte. Rebecca Hall und Jason Bateman spielen in der Produktion aus der Filmschmiede Blumhouse ein Ehepaar, das nach kleineren Schwierigkeiten nach einem Umzug neu anfangen möchte. Als aber ein alter Schulbekannter (gespielt von Joel Edgerton) auf die Beiden trifft und sich als wahre Klette erweist, wird aus dem erhofften Neubeginn ein Nervenbelastungstest. Was anfangs so simpel klingt, wird nach und nach zu einem gewaltigen moralischen Dilemma mit hoher Spannung, klug geschriebenen Figuren und einer kleinen Prise Zynismus. Edgerton, weiter so!

Platz 38: Der Babadook (Regie: Jennifer Kent)

Die intelligente, unprätentiöse Version von Ich seh, Ich seh: Jennifer Kent erzählt mit diesem unter die Haut gehenden Film zugleich ein Erziehungsdrama über Verlust und Schuldgefühle, einen Psychothriller über eine Mutter, die von ihrem quengelnden Sohn in den Wahnsinn getrieben wird, ein düsteres Stück Suspensekino über einen Jungen, dem seine Mutter die kalte Schulter zeigt, und einen übernatürlichen Horrorfilm. Ganz gleich, aus welchem Blickwinkel Der Babadook nun bestaunt wird: Eine beklemmende Inszenierung, erschütterndes Schauspiel und das mehrdimensionale Skript machen diesen Film zu einer sehr, sehr effektiven Schauermär. Selbst wenn mir die Parabel zwischendurch etwas zu lautstark transportiert wird: Die psychologisch wirkenden Schockeffekte machen das zumeist wieder wett!

Platz 37: Am grünen Rand der Welt (Regie: Thomas Vinterberg)

Der beste Miramax-Film, den Miramax nicht gemacht hat, seit vielen, vielen Jahren: Thomas Vinterbergs Romanadaption hätte in den 90er-Jahren mit Sicherheit knapp ein Dutzend Oscar-Nominierungen eingeheimst. Und wäre halt von den Weinsteins produziert worden. Die Dreiecksgeschichte im Historienfilmgewand ist bitter, romantisch und schwelgerisch, mit atemberaubenden Landschaftsaufnahmen, wunderschönen Kostümen und Gänsehaut erzeugender Musik. Carey Mulligan, Michael Schoenarts und Michael Sheen spielen allesamt sehr gut auf und gemeinhin ist Am grünen Rand der Welt schlicht ein Film, bei dem man richtig schön die Seele bauen lassen kann - wobei unter der Wolldecken-Einkuschel-Stimmung auch ausgefeilte Figurenzeichnungen warten sowie eine ansehnliche Aussage darüber, wie weit unser Frauenbild mittlerweile gekommen ist.

Platz 36: Spy – Susan Cooper Undercover (Regie: Paul Feig)

Es tut mir so, so, so leid, dass Paul Feigs Agentenkomödie der Einzug in die Top 35 verwehrt bleibt. Stundenlang habe ich darüber nachgedacht, gegen welche der noch folgenden Produktionen ich Spy - Susan Cooper Undercover austauschen könnte, aber letztlich habe ich mich nicht durchringen können. Die Gagqualitäten dieser verrückten, wilden, temporeichen Genrepersiflage soll das jedoch nicht schmälern: Melissa McCarthy darf hier endlich wieder eine runde Figur, statt eine Karikatur spielen. Jude Law ist urkomisch als semi-fähiger Bond-Verschnitt, Jason Statham ist als Selbstparodie unfassbar lustig und Rose Byrne hat den Spaß ihres Lebens in einer garstigen Schurkenrolle. Guter Slapstick, hervorragender Dialogwitz und ein zügiges Erzähltempo: So darf auch Feigs Ghostbusters werden. Nur gern mit besseren CG-Effekten.

Das war der erste Streich. Der Rest meiner Hitliste folgt (nahezu) sogleich!

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