Dienstag, 6. Dezember 2011

Televisionärer Dauerspaß – Meine 24 liebsten Disney-Serien (Teil VI)

Platz 19: Große Pause

Zahlreiche Disney-Serien der mittleren bis späten 90er-Jahre fanden ein frühes und jähes Ende. Es sei denn, sie basierten auf einem Kinofilm. Eine Ausnahme dieser Regel ist Große Pause: Von 1997 bis 2001 produzierte Disney 65 Episoden, Video-Produktionen (eigenständige Filme und die üblichen Episoden-Kompilationen mit Rahmanhandlung) und sogar einen Kinofilm rund um die Schul- und vor allem Pausenabenteuer von sechs Schülern der Third Street Grundschule irgendwo in einem Durchschnittsort in den USA.

Wenn man so möchte, ist Große Pause ein verspielter, weniger piefiger Vorläufer zu Fillmore! - verlegte Fillmore! das Konzept einer 70er-Polizeiserie in die Mittelstufe, übertrug Große Pause mehrere Beobachtungen aus der "echten" Welt und Versatzstücke aus an ältere Zuschauer gerichtete Filme und Serien in den Mikrokosmos Grundschule. Der Vorspann, und generell der Tonfall der Serie, bedient sich liebevoll bei Gesprengte Ketten, und auch wenn ich diesen Vergleich sonst nirgends zur Bestätigung vorfand, so "schmecke" ich beim Zusammenspiel der ins Extreme verzerrten Figuren auch immer wieder eine Prise Ein Käfig voller Narren raus. Gerade das (vom Vorspann mal abgesehen eher subtile) militärische Element von Große Pause funktioniert auch besser als die Cop-Parabel in Fillmore!, da sie nachfühlbarer ist: Zwischenzeitlich hat die Schule schließlich etwas von einer Militärausbildung. Da gibt es klar strukturierte Hierarchien, Drill Seargents, Kameradenschweine und hart zu erlernende Botschaften.

Während Fillmore! aber nahezu ausschließlich vom "Eine Polizeiserie ... in der Schule!"-Clou lebt, hat Große Pause noch einiges mehr zu bieten, als seine Parallelen zu Militär- und Gefängnisfilmen. So finde ich die Figuren deutlich besser definiert, als in jeder anderen "realistischen" Disney-Zeichentrickserie (oder unter welchen Kamm man die nach Doug-Prinzip erfundenen Serien scheren möchte). Die Hauptfiguren lassen sich zwar allesamt häufig verwendeten Archetypen zuschreiben, aber aufgrund ihrer großartigen Umsetzung sind es keineswegs Stereotypen, sondern sehr denkwürdige TV-Helden.

Da wäre zunächst TJ, der Streichekönig und Anführer der Gruppe, der Sportler Vince, die superschlaue Gretchen, die burschikose Spinelli, der sanfte Riese Mikey und "der Neue", Gus. Sie alle haben mit den üblichen, für sie natürlich weltbewegenden, Problemen des Grundschullebens zu kämpfen. Etwa der Änderung des Cafeteria-Speiseplans, der Verteilung von Spitznamen, neuen Kultspielen oder wild herumlaufenden Kindergartenkindern. Andere Folgen drehten sich speziell um eine der Hauptfiguren. So musste Mikey erfahren, dass sein Held aus seiner Lieblings-Kinderserie nur Fiktion ist; Gretchen nahm sich vor, sich als dumm zu verkaufen um nicht auf eine fremde Schule versetzt zu werden; Gus wurde mit seiner Vergangenheit als gefährlicher Völkerball-Spieler konfrontiert (in bester Spaghettiwestern-Manier) und so weiter, und so weiter.

Große Pause vollbrachte stets das Kunststück, eine der orignelleren, spritzigeren und frecheren Disney-Serien zu sein (ganz verrückte Dinge wie Raw Toonage mal ausgeschlossen) und dennoch ein wohliges Gefühl der Wärme, des Bekannten und der Herzlichkeit auszustrahlen. Es ist eine Wohlfühlserie, ohne dabei klebrig zu werden und den humoristischen Biss zu verlieren. Die Lektionen über Freundschaft, etwa in der Folge, in der TJ einen Aufsatz über seinen besten Freund schreiben soll und sich seine Kumpels auf den Kopf stellen, um gewählt zu werden, sind als Erwachsener natürlich vorhersehbar, aber stets sehr schön geschrieben und mit einem Selbstanspruch versehen, dass man sie auch als gehobenes Semester sehen kann.

Ab und an drehte Große Pause auch wieder durch: Als Gretchen einmal zum Nachsitzen musste, mutierte die Folge zu einem Film noir, inklusive kernigem Off-Kommentar und verschachteltem Kriminalfall, in einer anderen Folge kam das Bildungsministerium ganz im Stile eines Geheimdienstes in die Schule und verbat die Pause. Dass solche Folgen mit dem alltäglicheren Stoff wie "Mein erster Kuss" oder "Ich werde in meiner Spezialdisziplin besiegt, wie kann mein Ego das verkraften?" koexistieren kann, ohne dass die Serie zerfahren wirkt, zeugt von der Qualität der Skripts. Von allen schulzentrischen Cartoon-Serien (und bedenkt man, dass Kinder eigentlich ungern zur Schule gehen, gibt es verflixt viele) ist dies für mich eindeutig die beste!

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