Dienstag, 29. August 2017

Die Mitte der Welt


Nachdem in den vergangenen Jahren bereits die Rico, Oskar und …-Bücher des geachteten Autors Andreas Steinhöfel auf die Leinwand gelangt sind, findet nun auch sein gefeiertes Jugendbuch Die Mitte der Welt den Weg ins Kino. Regisseur und Drehbuchautor Jakob M. Erwa nimmt den gefeierten Roman, der in mehrere Sprachen übersetzt wurde, und konvertiert ihn behutsam von seinem Setting im Jahr 1998 ins Heute. Vor allem aber gelingt Erwa der schwierige Kunstgriff, aus dem beliebten Text ein durch und durch filmisches Unterfangen zu formen: Wo Steinhöfel sein mit Humor akzentuiertes Coming-of-Age-Drama sprachlich mit märchenhaften Motiven bereicherte, stürzt Erwa sein Publikum in ein durch Farben und Klänge induziertes, zu Herzen gehendes Pubertätsgefühlschaos.

Der 17-jährige Phil (Louis Hofmann) kehrt aus einem Sommercamp zurück – und ist davon überwältigt, wie sehr sich in der Zwischenzeit sein Zuhause verändert hat. Ein Sturm verwüstete Teile seines überschaubaren Heimatdorfs, in dem der Homosexuelle und seine aus Amerika stammende Späthippie-Mutter Glass (Sabine Timoteo) auffallen wie bunte Hunde. Und nicht nur das Landschaftsbild ist rauer geworden, sondern auch der Tonfall in der heimischen Villa Visible: Zwischen Glass und Phils Zwillingsschwester Dianne (Ada Philine Stappenbeck) herrscht absolute Funkstille. Selbst das befreundete Erwachsenenpärchen Tereza (Inka Friedrich) und Pascal (Nina Proll) weiß Phil nicht im Umgang mit dieser Situation zu helfen. Ablenkung von diesem Trubel findet Phil in seinem neuen Mitschüler Nicholas (stark: Jannik Schümann), in den er sich Hals über Kopf verliebt – obwohl seine Busenfreundin Kat (Svenja Jung) dringend vom ihrer Meinung nach merkwürdigen Typen abrät.

Phils Suche nach einer Stütze wird durch einen roten Faden zusammengehalten: In einer Lebensphase, in der zwar eigentlich nichts wahrlich bedrohliches passiert, aber so viele Kleinigkeiten an Phil nagen, dass er eben doch aus dem emotionalen Gleichgewicht gerät, versteift sich der Teenager mehr denn je auf eine Frage. Er will von seiner alleinerziehenden Mutter endlich erfahren, wer sein Vater ist. Aber wie eh und je blockt Glass. Sie hat den Mann, ohne den sie ihre zwei geliebten Kinder nicht bekommen hätte, völlig aus ihrem Leben verbannt: Glass führt etwa eine Liste all ihrer Liebhaber – mit Namen und Datum. Doch der Name, der rechnerisch sicher zum Datum von Phils und Diannes Zeugung gehört, ist unkenntlich gemacht. Diese beziehungszerstörerische Tendenz wird jedes Mal wach, wenn die sexuell offenherzige Glass intensivere Romanzen führt. Wie derzeit im Umgang mit Michael (Sascha Alexander Geršak), einem bärigen, gutherzigen Schreiner, der Glass nicht etwa trotz, sondern wegen all ihrer Macken liebt – und der gerade daher von ihr besonders hart angegangen wird.

Diese Ambiguität findet sich bei allen handlungsrelevanten Figuren in Die Mitte der Welt wieder: Glass, die liebende, vorurteilsfreie Mutter und launenhafte Liebhaberin, hat mit Dianne eine unterkühlte, strenge Teenagerin unter ihrem kunterbunten Dach leben – die aber ihrem Bruder, wenn er sie denn mal zu fassen kriegt, zur Seite steht. Die im Gegensatz zu Glass sehr vernunftbetonten Lesben Tereza und Pascal dienen Phil gewissermaßen als Ersatz für das zweite Elternteil – und fügen sich dennoch mit einem daueramüsierten Auftreten nahtlos in diese große, spleenige Patchworkfamilie ein. Die von Svenja Jung mit ansteckender Lebensfreude und Quirligkeit gespielte Kat ist eine überaus freundliche Seele, die es manchmal mit ihrer Albernheit übertreibt und die Phil gegenüber zuweilen sehr besitzergreifend sein kann. Und der von Phil vergötterte Nicholas? Der ist wortkarg, rätselhaft und gibt sich schroff sowie streng – hat im Umgang mit Phil jedoch auch eine zärtliche, zugleich beschützende Attitüde, die er an den Tag legen kann.

Solch ausdifferenzierte Figuren lassen sich im Jugendfilm sonst selten vorfinden – das allein würde Erwas Romanadaption von vielen vergleichbaren Produktionen abheben. Doch diese komplexe Skizzierung fällt noch positiver ins Gewicht, da sie so essentiell für den Ansatz des Österreichers ist: Er entwirft Die Mitte der Welt als Film, der voll und ganz dem Geist seines Protagonisten entsprungen sein könnte: Phil pubertiert, hat mit seiner eigenen Identität, mit der ersten großen Liebe und mit Veränderungen in seinem Umfeld zu kämpfen – und so fallen auch kleinere bis nichtigere Probleme schwer ins Gewicht. Erwa taucht seinen Film in diese flatterhafte Teenager-Stimmung, erzeugt Unsicherheit darüber, wie Phils soziale Kontakte zu ihm stehen und wie ihre Beziehung untereinander ist.

Der Autor und Regisseur überträgt diese emotionale Instabilität zudem auf den gesamten Film – tonal-narrativ sowie ästhetisch: Phasenweise spielt er mit der Vorstellung, dass sich rund um Visible gar mystische Dinge ereignen, inklusive dunklerer Bildsprache und ernster Musik. Andere Male ist Die Mitte der Welt ein „So schön ist mein Sommer“-YouTube-Clip mit Handkameraaufnahmen glücklicher Freunde, die rumalbern, während fetzige Popmusik läuft. Andere Passagen sind sehr überdreht, visualisieren Phils Gedankenwelt durch verspielte Collagen, dadurch, dass sich das gesamte Bild rot einfärbt oder surreale Szenen in bester Scrubs-Manier zeigen, was Phil sich gerade so vorstellt. Andere Male ist es ein subtiles, ruhiges Drama über Freundschaft und die Flexibilität des Familiengeflechts. Oder eine zärtliche Jugendromanze.

Dessen ungeachtet ist Die Mitte der Welt kein von pubertärer Hibbeligkeit übermannter, filmischer Flickenteppich: Hauptdarsteller Louis Hofmann erdet das Geschehen durch eine liebenswerte, zurückhaltende, facettenreiche Performance, die vor allem durch große Selbstverständlichkeit geprägt ist. Phil mag zwar verwirrt und genervt sein, allerdings ist er als jemand, der seine Familie liebt und auf seine Freunde zählt, alles andere als ein quengelnder Teenie. Er geht selbstverständlich mit seiner Homosexualität um, er spricht offen darüber, wenn er durch Nicholas‘ widersprüchliches Verhalten an sich zweifelt, er hält es für das Normalste auf der Welt, Mutter und Schwester mit seinem Wunsch zu nerven, sich endlich zu vertragen: Phil mag sich so fühlen, als sei er gerade orientierungslos und verloren, ist für das Publikum aber der charakterstarke Fels in der Brandung. Selbstredend zieht auch Phil irgendwann harsche Konsequenzen, wenn er vom Familienzwist zu sehr in Mitleidenschaft gezogen wird – primär führt er dies aber als Verwarnung an seine Vertrauten durch.

Eingebettet in malerische Bilder des begnadeten Kameramanns Ngo The Chau (Stereo) und durch teils sehr poetische Szenenübergänge und Montagen verformt, entwickelt Die Mitte der Welt somit eine melancholische Märchenstimmung, in der sich wohlbehütete, traumhafte Momente mit Situationen der Verletzlichkeit und welterschütternden Ärgernissen abwechseln. Nur eines wird nie dramatisiert: Phils sexuelle Identität. Die Mitte der Welt mag ein Coming-of-Age-, nicht aber ein Coming-out-Film sein. Erwas Film geht mit erfreulicher Gelassenheit mit Homosexualität um, zeigt Phils erstes Mal mit einer Sinnlichkeit und Hingabe, die sämtliche Sexszenen der jüngeren deutschen Kinovergangenheit blass und leblos dastehen lässt. Somit ist Die Mitte der Welt eine vorbildliche Ausnahme vom bisherigen Filmalltag: Er zeigt, dass Jugendliche viele Sorgen haben, und dass manche von ihnen auch rauf und runter analysiert werden müssen. Doch Sexualität sollte selbstredend und alltäglich sein.

Fazit: Ein schillerndes, emotional überschwängliches und zugleich klug geschriebenes Porträt eines Jugendlichen, der nach dem Mittelpunkt seines Daseins sucht: Ein großartiges Ensemble und eine wundervolle Bild- sowie Klangästhetik machen Die Mitte der Welt zu einem spleenigen, lebhaften Film mit melancholischen Zwischentönen.

Diese Kritik erschien zuerst bei Quotenmeter.de

Freitag, 25. August 2017

Freitag der Karibik #57

Ich liebe Geoff Zanelli für seine so spürbar ehrliche Passion in Sachen Pirates of the Caribbean! Hier lässt er Variety hinter die Kulissen der Scoreaufnahmen zu Salazars Rache blicken und lässt auch ein paar Worte über seine Ziele fallen.


Freitag, 18. August 2017

Freitag der Karibik #56




Die Pirates of the Caribbean-Filme haben das Gesicht des Disney-Konzerns langfristig verändert – darüber habe ich hier im Blog bereits ausführlich sinniert, und wie ihr mich kennt, wisst ihr: Dabei werde ich es nicht beruhen lassen. Aber einen faszinierenden Punkt habe ich an dieser Stelle noch nicht angeschnitten – es ist exakt diese Filmreihe, und eine auf hohem Niveau erlittene Schlappe, die dazu führte, dass Disney es zum Hollywoodsport gemacht hat, frühzeitig Starttermine mitzuteilen.

Um das genauer zu erläutern, müssen wirdas Rad der Zeit um einige Jahre zurückdrehen. Genauer gesagt zum Beginn der Dreharbeiten an den ersten beiden Fluch der Karibik-Fortsetzungen. Der interne Plan sieht zunächst vor, dass Pirates of the Caribbean – Dead Men's Chest (respektive Pirates of the Caribbean – Fluch der Karibik 2, oder, wie ich ihn ewig nennen werde: Pirates of the Caribbean – Die Truhe des Todes) am 7. Juli 2006 anläuft, der zunächst noch unbetitelte dritte Teil exakt ein Jahr später. Nachdem die Dreharbeiten zu Teil zwei der Piratenreihe abgeschlossen wurden und sich die Filmcrew komplett auf den dritten Film konzentrieren konnte, rutschte die interne Deadline für das letztlich als Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt veröffentlichte Epos allerdings ohne größere Vorwarnung nach vorne: Der US-Kinostart sollte bereits am 25. Mai 2007 erfolgen. Es war ein Schritt, der den Druck auf die Crew massiv erhöhen sollte, bedeutete er doch mehrere Wochen weniger Zeit für die Postproduktion – respektive ein deutliches Mehr an Überstunden in der finalen Phase.

Was ist geschehen? Wieso verkürzte Disney die Produktionszeit am bis dahin aufwändigsten Film der Studiogeschichte? Pirates of the Caribbean-Drehbuchautor Terry Rossio erläuterte nach Kinostart die halboffizielle Ereignisabfolge: "Angeblich wollte Disney nicht gegen Transformers und Harry Potter antreten", die zuvor für den 3. Juli 2007 beziehungsweise den 11. Juli 2007 angekündigt wurden. Der für Kinoproduktionen dieser Größenordnung als sehr attraktiv geltende Startmonat Mai war allerdings ebenfalls schon rappelvoll: Spider-Man 3 erklärte den 4. Mai 2007 als sein Eigentum, Shrek der Dritte den 18. Mai. Disney bliebe noch der 25. Mai, Memorial Day – bei Studiobossen ein umstrittener Kino-Starttermin: Er erhält zusätzliche Medienaufmerksamkeit, wirtschaftlich ist er jedoch weitaus mäßiger als besagter Presserummel um ihn suggerieren würde. Und im Sonderfall 2007 würde Disney riskieren, als dritter und letzter Film einen gesättigten Markt anzusprechen – die Marktforschung ergab nämlich, dass Spider-Man 3 und Shrek der Dritte weitestgehend dieselbe Zielgruppe ansprechen würden.

Rossio führt auf 'Wordplayer' weiter aus: "Der Plan war, Shrek der Dritte von seinem Starttermin zu verjagen", was weniger Konkurrenz an den Kinokassen bedeutet hätte. "Gerüchteweise gelang dieser Plan und [DreamWorks-Animation-Chef] Katzenberg beschloss, den Film zu verschieben", so Rossio. Doch das Glück war nicht mit den Piraten. Oder, genauer gesagt: Die Kommerzgötter hatten sich gegen sie verschworen: "Aber, wie Herr Gerücht behauptet, hat DreamWorks bereits seine Werbekampagne geplant und einen Werbedeal mit McDonald's abgeschlossen – und McDonald's wollte keine Änderung des Starttermins zulassen."

Also musste sich Disney mit dem Kinogedrängel Ende Mai 2007 zufrieden geben. Spider-Man 3 brach kurz zuvor die stattlichen Startrekorde, die 2006 der zweite Fluch der Karibik aufgestellt hat, und entgegen früherer Analysen und Erwartungen konnten Käpt'n Jack Sparrow und Konsorten diese Bestmarken mit Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt nicht wieder dem Disney-Konzern einverleiben.

Auch auf dem globalen Parkett fehlte dem Piraten-Monumentalfilm die letzte Puste: Anders als dem Vorgänger (sowie dem 2011 erschienenen Sequel Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten) gelang es ihm ganz knapp nicht, die Eine-Milliarde-Dollar-Grenze zu durchbrechen. Selbstredend lässt sich nur spekulieren, ob es allein am Starttermin lag oder vielleicht doch daran, was der Film bot oder wie sein Marketing gestaltet wurde – für Disney scheint die Sache indes klar zu sein: Das Studio rückte als letzter mit dem Starttermin heraus und zog den Kürzeren.

Und, welch Zufall: In den Folgejahren wurde es schrittweise für Disney zum Standard, mehrere Jahre im Voraus Starttermine mitzuteilen. Erst beschränkte sich diese Taktik auf Filme, die zu etablierten Marken gehören, nunmehr gilt sie für fast den gesamten Konzern-Output.

Donnerstag, 17. August 2017

The Promise


Das Historiendrama The Promise geriert Anfang des Jahres in die Negativschlagzeilen der Filmpresse, weil es zügig in die höheren Reihen der IMDb-Flopliste wanderte. Doch die von Hotel Ruanda-Regisseur Terry George inszenierte und verfasste, mehr als zweistündige Produktion ist nicht etwa so ein qualitativer Totalausfall wie die ebenfalls mit zahllosen Negativbewertungen bedachte Animationskomödie Emoji – Der Film, die sich im Userranking der bekannten Plattform einen Katastrophenrang sicherte. Stattdessen ist The Promise ein Paradebeispiel für die Unverlässlichkeit des Filmportals. Unmittelbar nach der Weltpremiere war der Film für Userwertungen freigegeben – und wies innerhalb weniger Sekunden mehr 1/10-Wertungen auf, als die Premiere überhaupt Besucher hatte. Kurze Zeit später hatte The Promise rund 70.000 Wertungen mit der Tiefstnote. Georges Versuche, sich mit den IMDb-Betreibern wegen dieser Hate-Wertungen auseinanderzusetzen, liefen schief – und so starteten er und diverse Prominente einen Aufruf, zum Ausgleich 10/10-Wertungen abzugeben, so dass sich die unehrlichen Abstimmungen gegenseitig aufwiegen.

Diese Hintergründe überschatten nicht etwa den eigentlichen Film und sein geschichtliches Thema – sie unterstreichen viel mehr, wie dringend eine Kinoproduktion wie The Promise gebraucht wird: Die Geschichte beginnt während der letzten Atemzüge des Ottomanischen Reiches und mündet letztlich darin, dass die Protagonisten Zeugen des Völkermordes an über einer Millionen Armenier während des Ersten Weltkrieges werden. Ähnlich, wie Deutschland beschämenderweise noch immer Probleme mit Geschichtsverleugnern hat, die den Holocaust als infame Lüge bezeichnen, gibt es noch immer viele Menschen, die diesen Genozid als fiktiv erachten – und da sich die Literatur und Filmkultur deutlich weniger mit dem Mord an zahlreichen Armeniern beschäftigt als mit den Schandtaten der Nationalsozialisten, haben die Geschichtsverdreher in diese Fall ein leichteres Spiel.

Die The Promise-IMDb-Misere ist eine Folge dessen: Das Geschichtsdrama wird in dunkleren Ecken des Internets als Propaganda bezeichnet, die eine erlogene Schandtat als Wahrheit darstellen würde. Diese sowieso schon ungeheuerlichen Kommentare sind angesichts des eigentlichen Schwerpunkt des Films noch kurioser, denn schlussendlich erzählt The Promise nur im Hintergrund von den wahren Gräueltaten – im Mittelpunkt des Films stehen fiktive Figuren und ihre Liebe zueinander: Der begabte Medizinstudent Michael (Oscar Isaac) verliebt sich Hals über Kopf in die attraktive Künstlerin Ana (Charlotte Le Bon), die aber bereits in einer Beziehung mit einem amerikanischen Fotojournalisten (Christian Bale) steckt. Dessen ungeachtet fangen Michael und Ana eine leidenschaftliche Affäre an – bis der Erste Weltkrieg eskaliert und die Herrschenden im Ottomansischen Reich Jagd auf Menschen mit armenischen Wurzeln macht, und somit auf Michael und Ana …

George fängt dieses Liebesdreieck zunächst mit einer altmodischen Melodramatik ein – in prachtvollen Bildern und mit schmachtender Musik. Überhaupt wirkt The Promise, wann immer das Drama nicht nah an die Kriegsschrecken heranfährt, bewusst altbacken und von der Exotik eines anderen Ortes zu einer anderen Zeit verzaubert. Das ist eine zweischneidige erzählerische Entscheidung. Der Ansatz, das dunkle Geschichtskapitel des Genozids an Armeniern während des Ersten Weltkrieges mit einer tragischen Liebesgeschichte zu verschränken, ist nur auf dem ersten Blick abgedroschen. Dutzende von wichtigen Geschichtskapiteln wurden durch die Verquickung einer (oft fiktiven) Romanze, und somit einem zwischenmenschlichen, privaten Schicksal, und der umfassenderen historische Tragödie begreifbar gemacht. Regisseur/Autor Terry George versucht mit The Promise, ein Ungleichgewicht zu beheben, indem er eine oft unter den Teppich des Verschweigens gekehrte Begebenheit genau so anpackt, wie schon viele andere zuvor.

Dennoch stolpert The Promise in der Umsetzung zuweilen über die eigenen Füße. Wenn der hervorragende Hauptdarsteller Oscar Isaac in den dreckig-ergreifenden Bildern des Kameramanns Javier Aguirresarobe die Grausamkeit der Ereignisse unmittelbar erkennt, ist dies viel ergreifender als die nach Lehrbuch konstruierte Dreiecksbeziehung, welche das genreaffine Publikum zuvor (und danach) durch ihre Austauschbarkeit zu distanzieren droht. Die an historischen Begebenheiten orientierten Szenen sind dank der passionierten Umsetzung aber genug, um die schwächeren Momente aufzuwiegen, wenn man dem Film denn eine Chance gibt. Dennoch wäre hier etwas weniger mehr gewesen – mit einer konzentrierteren Erzählung und einer etwas zügigeren Laufzeit würden die immer harscheren Tiefen, die unsere Protagonisten durchmachen, noch härtere Schläge in die Magengrube und daher eindringlicher.

The Promise ist ab sofort in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

Freitag, 11. August 2017

Freitag der Karibik #55


So. Lasst uns diese Rückblende auseinander nehmen ...

Für alle, die Pirates of the Caribbean - Salazars Rache noch nicht gesehen haben: Während der Schurke des Films, Käpt'n Salazar, und der vorübergehend mit ihm kooperierende Barbossa darauf warten, dass der einmalige Käpt'n Jack Sparrow dort aufkreuzt, wo sie ihn erwarten, berichtet Salazar dem nervösen Barbossa, weshalb er es auf den Dreadlock-Piraten abgesehen hat.

In den Pirates of the Caribbean-Filmen haben zuvor schon viele Figuren ihrem Gegenüber Geschichten erzählt. Pintel und Ragetti erzählen Barbossas Gefangenen, was mit Stiefelriemen Bill Turner geschehen ist. Gibbs schwadroniert, was er gehört hat, wie Jack einst nach Barbossas Meuterei von der Insel entkommen ist, auf welcher er ausgesetzt wurde. Stiefelriemen Bill Turner gewährt seinem früheren Kapitän einen Einblick darin, wie er in Davy Jones' Crew gelangt ist. Barbossa berichtet Jack vom Verlust der Black Pearl. Und, und, und ...

Doch stets, wenn Geschichten ausgepackt wurden, wurde dies als genau dies berichtet: Zwei Figuren unterhalten sich. Rückblenden waren den Pirates of the Caribbean-Filmen bis zum fünften Teil fremd. Einer der Gründe dafür: Die Autoren Ted Elliott und Terry Rossio mögen dieses Werkzeug aus der Kiste an erzählerischen Stilmitteln nicht. Und im Fall dieser Piratensaga kam hinzu, dass sie nie ein Weiterreichen an Informationen von einer Figur zur nächsten "authentisieren" wollten, indem sie das Erzählte zeigen und so als "unumstößlichen Fakt" präsentieren. Und in Gore Verbinski sowie Rob Marshall fanden sie zwei Regisseure, die ihnen darin zustimmten.

Salazars Rache stammt von einem neuen Kreativteam. Und sowohl Autor Jeff Nathanson als auch das Regie-Duo Joachim Rønning & Espen Sandberg dachten sich: Lasst uns aus diesem kurzen Gespräch eine ausgewachsene Rückblende machen, die nicht nur Salazars Motivation erklärt, sondern zudem zeigt, wie Jack Sparrow zu dem legendären Piraten wurde, der er ist.

Auch wenn ich es etwas schade finde, dass eine harte stilistische Entscheidung im fünften Part einer Filmreihe plötzlich über Bord geworfen wird, muss ich zugeben: Es ist eine starke Szene. Nicht zuletzt, weil ich sie als Wendepunkt, an dem aus "Edward Teagues Sohn" mit einer genialen Idee der sagenumwobene Jack Sparrow wird, gut erdacht finde. Auch Geoff Zanellis Musikuntermalung lässt bei mir in der Szene Gänsehaut entstehen. Und, ja, die Spezialeffekte in der Sequenz sind beeindruckend!

Denn dank der VFX-Firma lola reiht sich Pirates of the Caribbean neben Tron: Legacy sowie zahlreichen Marvel-Filmen in der Liste der Projekte ein, die bereits Darsteller digital verjüngt haben. Und zumindest für mich ist der verjüngte Depp das beste Beispiel für diesen aufwändigen Effekt: Zuerst drehte Depp die Szene, danach schlüpfte der 23-Jährige Anthony De La Torre in das Kostüm des jungen Sparrow, um Depps Spiel 1:1 nachzuahmen. Bei lola wurden die Bildinformationen anschließend zusammengesetzt und verschmolzen.

Die Technologie ist seit Tron: Legacy wirklich sehr weit gekommen!

Freitag, 4. August 2017

Freitag der Karibik #54

Bis Pirates of the Caribbean - Salazars Rache ins Heimkino gelangt, ist es noch etwas hin. Aber wie könnte man sich an einem Freitagnachmittag besser zum Vorbestellen überreden (oder zur erneuten Sichtung des Films im Kino) als mit ein wenig B-Roll-Footage, das einen Einblick in die Dreharbeiten ermöglicht?



Erstaunlich, wie viel von Bardems Figur praktisch umgesetzt wurde!