Dienstag, 25. Dezember 2012

Die schlechtesten Kinofilme 2012

Hier ist sie wieder, die alljährliche Filmliste, in deren Vorfeld ich zu deklamieren habe, dass der Postingtitel inakkurat ist. Eigentlich müsste er "Die mich am meisten langweilenden, nervenden und in Zorn versetzenden Filme des Jahres 2012" lauten, jedoch ist das schlichtweg kein griffiger Titel. So lange ich kein Vollzeit-Filmkritiker bin, sondern mein Geld auch mit Meldungen über das deutsche Fernsehgeschehen verdiene, habe ich die Bürde, mich nicht völlig auf meine Passion konzentrieren zu dürfen.

Es ist zwar auch eine Freude, offensichtliche Floplisten-Kandidaten wie Breaking Dawn  Teil 2, Zettl, New Kids Nitro (für diese "Ehrennennung" hagelt es sicher wieder einmal böse Kommentare), Devil Inside oder Der Chaos-Dad nicht sehen zu müssen, aber es schränkt natürlich etwas die Bandbreite dieser Liste ein. Dessen ungeachtet sind meine Abneigungen gegen die unten stehenden Filme intensiv und ehrlich. Sicherlich hätte mir Adam Sandlers Pädo-Komödie das Grausen gelehrt, dennoch habe ich mich auch schon während folgenden Produktionen nach einem raschen Ende gesehnt. Manche meiner Hassfilme des Jahres sind naheliegende Titel, andere werden vielleicht überraschen. Doch es ist meine Liste der filmischen Abneigungen, und da kann sowas vorkommen.

Sparen wir uns weitere Umschweife, los geht sie, die Parade des verfehlten Kinogenuss:

Platz 12: Dark Shadows (Regie: Tim Burton)
Mit Abstand der harmloseste Kandidat in dieser Liste, trotzdem ohne Frage ein wahres Ärgernis meines Kinojahres: Tim Burtons Leinwandadaption der US-Kult-Gothic-Seifenoper Dark Shadows versuchte verzweifelt, den inhaltlichen Stoff für zwei Serienstaffeln in rund 100 Filmminuten zu quetschen. Das brachte nicht nur gehetzte Figurenentwicklungen mit sich, sondern eine Vielzahl an ineffektiven Plottwists sowie während des laufenden Films abgewürgte Handlungsfäden, die den interessanteren Momenten die Luft abwürgen. Erschwerend kommt hinzu, dass Burton sich offensichtlich nicht entscheiden konnte, ob er eine Hommage, eine Parodie oder eine auf Kinoniveau gehobene, besonders atmosphärische Version des Dark Shadows-Stoffs erzählen wollte. Wäre dieses Stimmungskauderwelsch nicht so erschreckend dröge erzählt, würde es nerven statt langweilen. Insofern hatte das Gespann Burton/Depp Glück im Unglück. Auf der Habenseite stehen derweil eine trockenhumorige Chloë Mortez und eine mit weltoffenen Augen bezaubernde Bella Heathcote in der Rolle der Quotennormalen sowie eine ihre übertriebene Boshaftigkeit sichtlich genießende Eva Green, die den Schurkenpart ausfüllt. Unser aller Liebling Johnny Depp agiert derweil auf Autopilot. Viel Potential, viele maue Gags, sehr viel Ödnis. Das war er also, der so heiß ersehnte Burton-Depp-Vampirfilm.

Platz 11: Ice Age 4 – Voll verschoben (Regie: Steve Martino & Mike Thurmeier)
Jaja, da stöhnt irgendwo wieder jemand auf: "Klar, dass unser voreingenommener Disney-Fan was gegen erfolgreiche Konkurrenzprodukte hat!" Und es schockiert mich tatsächlich, dass diese witzarme und lieblose Ausschlachtung des einst sympathischen Ice Age-Franchises allein in Deutschland 6,6 Millionen Menschen in die Kinos lockte. Nicht aber, weil ich es Nicht-Disney-Produktionen nicht gönne, sondern mich der qualitative Verfall zwischen Part 3 und 4 deprimiert. Hatte der wilde und chaotische Drittling der Eiszeitreihe frische Ideen, besteht Ice Age 4 aus ausgelutschter, saudämlicher Pseudo-Familiendramatik, platten Dialogen und ziellosen Füllsequenzen (wie etwa einer der miesesten Gesangseinlagen der vergangenen Kinojahre). Sogar Säbelzahneichhörnchen Scrat verlor etwas von seinem Old-School-Cartoonslapstick-Charme und tauschte ihn gegen eine Schmerzparade aus. Mit dem Brecheisen reingeprügelte Chartmusik ist ebenfalls kein Zeichen für ein Passionsprojekt. Mit diesem Streifen waren die Blue Sky Studios klar nur auf den schnellen Heller aus. Was Ice Age 4 vor meiner Flop 10 bewahrt? Süße Hamster mit Anarcho-Humor und Sids laute, freche Oma.

Platz 10: Mann tut was Mann kann (Regie: Marc Rothemund)
Deutsche Romantikkomödien sind selten originell. Umso ärgerlicher, wenn eine halbwegs reizvolle Idee (eine Gruppe gänzlich unterschiedlicher Männer hält WG-Ratssitzungen über Liebesprobleme) durch dröges Pacing und zahllose Füllszenen, die von den eigentlichen Liebesstorys ablenken, sowie flach fallende Gags gnadenlos auf die Nase fällt. Jan Josef Liefers kann noch so ein toller Schwerenöter sein, wenn um ihn herum alle Liebesstorys romantikbefreit sind, die Pointen einen Bart haben, über den sie selbst stolpern können und die Handlung einfach nicht ihren Hintern hoch kriegt, macht sich schnell Langeweile breit. Viel, viel Langeweile. Zum Ende hin rast die Story dann unplausibel und voller Klischees zur Ziellinie. Und das Ganze holt in Deutschland mehr Leute in die Kinosäle als The Artist, Die MuppetsRalph reichts oder Argo.

Platz 9: Zorn der Titanen (Regie: Jonathan Liebesman)
Die ... der Titanen-Reihe hat beste Chancen, als das langweiligste Kinofranchise aller Zeiten in die Geschichte einzugehen. Teil zwei bietet hölzerne Dialoge, undynamische Action und einen vollkommen blassen Helden. Zwar macht die Szene im kompliziertesten Irrgarten der griechischen Mythologie Spaß, doch viel zu rasch wird die Gefahr gebannt, ebenso, wie auch große Schlachten abrupt zu ihrem Ende kommen, während die unterkühlten Szenen gekünstelter Dramatik laufen und laufen und laufen. Die Effekte sind von sehr wechselhafter Qualität und allein Bill Nighy weiß, mit der nötigen Dosis Augenzwinkern für Spaß zu sorgen. Dreimal darf man raten, welcher Schauspieler bloß für eine winzige Gastrolle unterschrieb. Kleiner Trost: Mit 302 Millionen Dollar Einnahmen weltweit schnitt Zorn der Titanen wesentlich schlechter an den Kinokassen ab als der Vorgänger, der auf der Welle des 3D-Hypes fast eine halbe Milliarde generierte.

Platz 8: Snow White and the Huntsman (Regie: Rupert Sanders)
Das Undenkbare ist wahr geworden: Spieglein, Spieglein, dessen Trailer eher an die Werke von Aaron Seltzer und Jason Friedberg erinnerten, ist der besser der 2012 veröffentlichten Schneewittchen-Filme. Gewiss, das Werk des aus einem mir unerklärlichen Grund viel diskutierten Tarsem Singh ist dumm und auf jeden guten Gag kommen drei miese. Aber alles in allem würde ich die naiv-fantasievolle Produktion als "weitgehend harmlos" bezeichnen. Ein anschaubarer Familienfilm, wenn man wirklich nichts besseres zu tun hat. Universals Großproduktion Snow White and the Huntsman dagegen? Kristen Stewart schlafwandelt sich durch den gesamten Film, mutiert urplötzlich zur Actionheldin, bekommt letzten Endes aber dennoch kaum etwas alleine gebacken. Die Mythologie des Films ist kopflos aus Versatzstücken anderer Streifen zusammengezimmert, Regisseur Rupert Sanders hat keinerlei Gefühl für Schwung oder Atmosphäre und das Drehbuch hat den Spannungsbogen eines nassen Handtuchs. 120 Minuten Trägheit, die auch noch eine Fortsetzung bekommen. Ohweh, ohweh ...

Platz 7: Türkisch für Anfänger – Der Film (Regie: Bora Dagtekin)
Wie kann es geschehen, dass die Kinoadaption einer mehrfach preisgekrönten Serie, die mit Charme, Einsicht und Ironie den Irrsinn der Integrationsdebatte behandelte, in Stereotypen ersäuft und die Hauptfiguren zu zweidimensionalen Nervensägen degradiert? Autorenwechsel? Ein den Stoff nicht achtender Regisseur? Nicht in diesem Fall, denn hinter dem Türkisch für Anfänger-Film mit seinen unsympathischen Helden und anstrengenden Gags stecken die Macher der geachteten Serie. Was auch immer geschah, ich habe mich im Kino ungeheuerlich gequält, denn weder sind die Kinoversionen von Cem und Lena erträglich, noch bekommen sie es hin, auch nach zehnfach angedeuteter Lösung ihre Liebesgeschichte auf die Reihe zu kriegen.

Platz 6: Das gibt Ärger (Regie: McG)
Eine schüchterne, selbstständige und eigenköpfige, moderne Frau mit klassischen Werten und Hang zu altmodischer Romantik steht zwischen zwei (miteinander befreundeten) Männern. Sie ist das typische Mädel von Nebenan, in Rollkragenpullis eingekuschelt und mit treuherzigen Augen ... die sich in heißer Unterwäsche auf der Küchenzeile knallen lässt. Einer ihrer Lover ist ein Bär von einem Mann, kernig, kräftig, superlieb und total der Familienmensch. Der andere Kerl ist ein eleganter, moderner Casanova, der das Abenteuer liebt ... und Frauen in Videotheken angräbt und superhöflich ist. Halt, einen Moment. Verstehe ich das richtig, dass jede der drei Figuren für jeden möglichen Kinogänger massives (kalkuliertes und vom Drehbuch niemals glaubwürdig vermitteltes) Identifikationspotential bietet? Ja. Jede Figur ist alles zugleich und somit letztlich nichts. Wie der Film. Eine Romantik-Buddyactionkomödie mit handzahmer Action und seelenloser Romantik sowie einer Filmfreundschaft, bei der man sich fragt, weshalb sich die beiden Typen eigentlich mögen. Grausige Figurenzeichnung, keine Seele und ein Ende, dass man nach den ersten fünf Filmminuten bereits vom Vorschlaghammer vorgesagt bekommt. Das passiert, wenn man am Reißbrett einen Film mit möglichst großem Zielpublikum entwirft.

Platz 5: Savages (Regie: Oliver Stone)
Eine Erzählerin, die man am liebsten erwürgen würde, ein kesser Grundplot, der ins Unendliche gezogen wird und eine aufgesetzt stylische Kameraführung. Der einstige Regiegott Oliver Stone findet in dieser pseudophilosophischen Gangstergeschichte ein neues Tief. Und Blake Livley brennt sich in ihrer Rolle der "O" als die unerträglichste Leinwandschlampe des bisherigen Filmjahrzehnts ein. Wo ist all das Talent hin, das sie in The Town bewies?

Platz 4: Spy Kids 4D – Alle Zeit der Welt (Regie: Robert Rodriguez)
Dieser Film stinkt!

Platz 3: Rock of Ages (Regie: Adam Shankman)
Wie kann ein Musical, das ein Hohelied auf Glam Rock und Hair Metal singt, so weit oben auf meiner Jahres-Flopliste landen? Um es grob zu überschlagen: Eine leblose Story über ein Dorfmädchen, das Rocksängerin werden will aber stattdessen als Kellnerin arbeiten muss, die von einer Vielzahl blutleerer Nebenstorys erdrückt wird. Eine von Leinwandchemie befreite Liebesgeschichte, die aufgrund eines dieser gestelzten Missverständnisse aufgehalten und in die Länge gezogen wird. Hauptdarsteller ohne jede Persönlichkeit. Schwunglos abgefilmte Tanzeinlagen. Lieder, die keine Reevanz für den Plot haben. Und das Schlimmste: Klassiker und Kleinode der Glam-Rock- und Hair-Metal-Ära, denen im Studio jeglicher Charakter weggemischt wurde. Highlight des Films: Tom Cruise singt als runtergekommener und egomanischer Rockstar in den Hintern und die, öööööhm, Jukebox einer unschuldigen, lieblichen Musikjournalistin (Malin Åkerman).

Platz 2: Project X (Regie: Nima Nourizadeh)
Man nehme: Einen persönlichkeitslosen Langweiler, einen gestörten Nerd und einen prahlerischen Egomanen, dessen Vokabular einzig aus Vulgaritäten besteht und sein Drecksmaul nicht eine Sekunde halten kann. Dieses unsympathische und keinesfalls harmonierende Trio feiert eine Party, die mit Wackelkameras abgefilmt wird, entgeist und unentwegt von der Verbalscheiße der weltfremden Figuren kommentiert wird. Ein Partyfilm soll den Zuschauer denken lassen "Ich will in die Leinwand springen und mitmachen". Dieser Film lässt mich denken "Ich will in die Leinwand springen und diese Quasselstrippe erwürgen!" Wer Zeit damit verschwenden will, Assis beim Scheiße anstellen und Müll labern zuzuschauen, kann diverse Dokusoaps und Fake-Dokus im Privatfernsehen schauen ... oder Project X, das Berlin  Tag & Nacht unter den Teenagerkomödien. Einzig Martin Klebba kann diesen Film vor einem Logenplatz in meiner ewigen Hassliste bewahren.

Platz 1: Extrem laut und unglaublich nah (Regie: Stephen Daldry)
Vom Regisseur von Der Vorleser, dem keinesfalls konstruierten Drama über eine analphabetische Nazi-Aufseherin, die nach dem Holocaust ein unscheinbares Leben führt, einen Minderjährigen knallt, ihn ermutigt, in die Justiz zu gehen und ihm wiederbegegnet, als sie für ihre Kriegsverbrechen vor Gericht muss, wo er wiederum feststellt, dass ihm seine erste sexuelle Erfahrung weiterhin die liebste ist, kommt nun: Die herzzerreißende Geschichte des autistischen Enkels eines deutsch-jüdischen Holocaust-Flüchtlings, dessen verspielter, liebevoller Vater bei den Anschlägen des 11. September ums Leben kommt, und der daraufhin versucht, seine Trauer zu überwältigen, indem er zusammen mit einem stummen, menschenscheuen Rentner das letzte Rätsel löst, dass er von ihm aufgegeben bekommen hat.

Ich habe ja zugegeben allein schon aus Prinzip eine Abneigung gegen Extrem laut und unglaublich nah, weil in diesen Stoff mit dem Brecheisen allerhand thematische Brandherde gezwungen werden, ohne, dass es notwendig wäre. Das hat der Film zwar der Buchvorlage zu verdanken, aber wer ein gekünstelt-melodramatisches Buch verfilmt, ist selber Schuld, wenn sich die Adaption die an die Vorlage gerichtete Kritik ebenfalls anhören muss. Entweder man verbessert das Buch oder lässt den Müll links liegen. Wieso muss Oskar (!) ein Autist und Nachkomme von jüdischen Holocaust-Zeugen sein? Weshalb stirbt der Vater ausgerechnet durch die Anschläge des 11. Septembers? Muss man die potentiell lebensbejahende (oder eventuell genauso berechnende) Geschichte eines Jungen, der das letzte Rätsel seines geliebten Vaters lösen möchte, mit all diesem zusätzlichen Ballast zu einem klebrigen Betroffenheitsmelodram befördern?

Das alles würde für einen Platz auf meiner Hassliste genügen, jedoch ist es die Umsetzung, die Extrem laut und unglaublich nah die Spitzenposition auf dieser Höllenliste sichert. Alexandre Desplat, der sich in jüngster Vergangenheit mit The Ides of March, Moonrise Kingdom und Argo meine Sympathien erarbeitete, komponierte einen klebrigen, das Einmaleins der inspirierenden Filmmusik abhakenden Flöten-Score, der einigen Diabetikern das Anschauen dieses Films schwer machen sollte. Daldry inszeniert diese Geschichte, die am ehesten noch als "eine quirlige Sache geschah in New York, als der ganze Big Apple versuchte, eine Tragödie zu verarbeiten"-Anekdote funktionieren könnte, mit all seinem visuellen Poesiekitsch als wäre sie eine bedeutungsschwangere Parabel. In Zeitlupe gefilmtes Schaukeln, verloren in die Kamera blickende New Yorker, kleine Haushaltsunfälle, die ein Zeichen aus dem Jenseits sein könnten ... Die Bildnisse von Extrem laut und unglaublich nah sind allerdings lächerlich flach: Ein Schlüssel, der nach allerlei Irrwegen zur Lösung von Oskars Trauerbewältigungsproblemen führt. Ein Umschlag mit der Aufschrift "Black", die den (in der Romanvorlage wesentlich mehr als hier) in die Farbe Weiß vernarrten Oskar zu einer schwarzen Frau führt (wow, deep shit!), die Schaukel als Symbol der Freiheit (weil man ja so beschwingt rauf und runter schaukelt!) und, oh, welche Ironie, ausgerechnet ein Stummer kann sich besser mit Oskar verständigen als der Rest der Welt.

Die Widersprüche sind es dann, die dieses hinterlistige Stück Oscar-Bettelei verraten. Die Hauptfigur wimmert zum Beispiel, dass sie vor ihrer Begegnung mit dem Stummen (Max von Sydow, der so viel Würde mitbringt, wie man es in diesem Film kann) niemandem ihre Geschichte erzählen konnte ... nachdem sie mehrere Filmminuten damit verbrachte, Wildfremde anzuquatschen und mit seiner Geschichte zu belästigen. Was die Frage aufwirft, in welcher Realität dieser Film spielt, in dem der autistische Junge frisch Geschiedenen, Taubstummen, Trinkern und Trauernden mit seinen Sorgen vollquakt, ohne dass sie davon genervt sind. Zudem macht es Oskar ungeheuerlich unsympathisch, dass er immer wieder anmerkt, wie sehr es ihn ankotzt, wenn ihn die Fremden mit ihrer Story belästigen und dass der Stumme somit viel angenehmer sei. Wobei auch er ihn stört, weil er altersbedingt langsam ist. Außerdem schreit das Drecksblag unentwegt, stellt dreiste Forderungen, rennt mit einem klimpernden Tamborin durch die Welt, beschimpft seine trauernde Mutter, weil sie es wagt, ihre Trauer durch Schlaf zu bekämpfen und es ist ein unerträglicher Besserwisser. Es gibt keinen Funken Charisma im Leib dieser Nervensäge, und das nicht einmal in einem realistischen "Trauernde Kinder sind so"-Stil, denn dafür argumentiert Oskar zu erwachsen. Er ist einfach bloß Mitglied der Bella-Swan-Benimmschule für ichbezogene Arschgeigen. Und der ganze Film beruht darauf, dass man Mitleid für Oskar empfindet. Oder sich von der Fülle an schwerwiegenden, gesellschaftlichen Themen blenden lässt.

Ein Dutzend hirnverbrannter Komödien und lärmender Actionfilme kann nicht schlimmer sein als diese Ausgeburt eiskalt kalkulierter Gefühlsmanipulation.

Siehe auch:

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es ist wirklich - hmm - erstaunlich, wie wenig Mühe du dir offenbar gegeben hast, sowohl das Buch als auch den Film "Extrem laut und unglaublich nah" zu verstehen. Allein die absurde Feststellung, dass der Schlüssel zu irgendeiner Lösung führe, dass der ganze Film eine Aussage trage... "demonstrates a level of ineptitude that borders on the imbecilic. And I mean that in a very caring way."

Die Vorstellung, dass Schlüssel zur Lösung führen, ist Jonathan Safran Foer so sehr zuwider wie mir Tomaten. Und es ist traurig, dass du als verständiger Analyst der filmischen Pop-Kultur offenbar genau das annimmst.

Ich habe das Buch unzählige Male gelesen, es ist eines der wunderbarsten, die ich kenne. Und der Film, wenn er auch nicht alle Aspekte behandeln kann, zieht doch die Grundlinie heraus und stellt sie, wie ich finde, keineswegs melodramatisch, sondern intensiv dar. Die Geschichte eines Jungen, der in dieser so komplexen modernen Welt nach einem Sinn sucht, den es nicht gibt. Er konstruiert sich (und damit der Geschichte) eine Dramaturgie, die letztlich aber an der Realität scheitern muss. Wo der Schlüssel hineinpasst, hat nichts mit dem Tod seines Vaters zu tun und verleiht diesem Verlust noch viel weniger einen Sinn. Er vermag es nicht, diesem Ereignis Sinn zu verleihen, aber vielleicht hat er am Ende eine Möglichkeit gefunden, die Sinnlosigkeit zumindest aushalten zu können und nicht mehr daran zugrunde zu gehen, oder als Drecksbalg unentwegt zu schreien, dreiste Forderungen zu stellen oder mit klimperndem Tambourin durch die Welt zu rennen. Es geht nicht um irgendwelche schwerwiegenden gesellschaftlichen Themen, sondern es geht um Oskar. Gefühlsmanipulation ist übrigens ja wohl jeder Film; ich wundere mich, dass du diesen Begriff als Kritik verwendest.
Warum der 11. September? Warum Holocaust? Der Film kann das nur ankratzen, aber für mich geht es dabei darum, Oskars Leben als Feder im Winde von großen Katastrophen darzustellen, die die Moderne hervorgebracht hat. Katastrophen, die allgegenwärtig sind und denen sich niemand in unserem zugrunde gehenden Abendland entziehen kann.

Naja, wie meine Oma zu sagen pflegt: "Es gibt sone und sone." Du bist mit deiner Auffassung ja nicht allein. Ich fühlte mich nur in der Pflicht, dieses Werk zumindest ein wenig zu verteidigen.

Sir Donnerbold hat gesagt…

Wenn der Autor sagt, dass der Schlüssel kein Symbol ist, dann intensiviert es ja nur meine Aussage, dass Daldrys bedeutungsschwangere Umsetzung der Story noch mehr Schaden zufügt. Denn all diese das Ding bestaunende Aufnahmen, die Bildmontage und Desplats "uhhh, bedeutsam!"-Musik verkaufen den Schlüssel als ... naja, Schlüssel zu Oskars Sorgen in einer Welt voller nicht zum Schlüssel passenden Schlüssellöchern.

Anonym hat gesagt…

Aber ist das nicht wundervoll? Das ist es ja gerade, die Illusion, die erzeugt wird. Die Illusion, der Oskar sich hingibt und mit ihm die Zuschauer/Leser. Am Ende geht das aber nicht auf, dann ist die Geschichte vorbei und wir sind in der Realität. Nur so hätte man das überhaupt verfilmen können.

Aber man kann es natürlich einfach auch so sehen wie du :P

Sir Donnerbold hat gesagt…

PS: Und zur Gefühlsmanipulation - man muss ja nicht die Metaebene mit einbringen, dass ich erst in Gemütslage A bin, mir einen Film anschaue und dann durch Fiktion oder das bewusste Nacherzählen wahrer Dinge künstlich, ohne dass mir selbst etwas geschieht, in Lage B versetzt werde. Zu argumentieren, dass man Filmen somit generell keine Manipulation mehr vorwerfen kann, weil es ja generell ihr Zweck wäre, ist, [hier dein Zitat einsetzen].

Auf einer Ebene, wo es darum geht, die Erzählung selbst zu bewerten, gibt es eben doch den Unterschied zwischen ehrlichen Filmen und Gefühlsmanipulation. Am leichtesten ist der Unterschied bei Filmmusik zu beschreiben: Es gibt Musik, die dem Pubikum die Gefühlslage vordiktiert und Musik, die die durch den filmischen Inhalt gegebene Emotion intensiviert. Ganz simples Beispiel: Schreckmomente in Horrorfilmen. Kommt der große Tusch nachdem der Killer aus dem Schrank springt (Publikumslage: "Ah, ein Killer! Ah, laut! Ah, ich hab Panik!") oder zuvor ("Ah, laut, ich habe Angst! Oh, Killer!").

Und dieser Betroffenheitsfilm ist meiner Ansicht nach halt von Beginn bis Schluss der unehrlichsten Gefühlsmanipulation schuldig. Mir ist das biestige Kind scheißegal, doch dauernd schiebt Daldry mir Argumente ins Gesicht, weshalb ich gefälligst zu heulen habe, denn wäre das alles echt und ich weiterhin desinteressiert, müsste ich ja ein richtig böser Kerl sein. Beispiel: Die ganze Anrufbeantwortersache. Anfangs noch völlig bodenständig und wäre Oskar sympathischer und/oder Tom Hanks als Vaterfigur glaubwürdiger (er zieht eine reine Patch-Adams-Nummer ab, wenn du mich fragst), würde mich das berühren. Dabei kann man es belassen. Doch dann kommen immer mehr Flashbacks, die Anrufe werden verstörender und dann die mit überdramatischer Musik unterlegte "Enthüllung", dass Oskar den Anruf nicht annehmen konnte - too much.

Ganz zu schweigen halt vom "tragedy name dropping". Statt sich auf Schreibkünste zu verlassen und mich durch die beschriebenen Umstände und die Persönlichkeiten der Figuren dazu zu bringen, mich betroffen zu fühlen, hauen mir Daldry und Foer Schlagwörter um die Ohren, die mich aufgrund ihrer realen Konnotationen mies zu fühlen haben, ganz gleich, wo die Bindung zu den Figuren liegt. "Holocaust! Taub! Stumm! 9/11! Sei traurig!" - das ist Gefühlsmanipulation, die eben nicht in dieser Form der Grundlage des Geschichtenerzählens entspricht, sondern unnötig krass und somit als Kritik rauszustellen ist.

(Ich gönne dir natürlich dennoch deinen Genuss dieses Werks, aber wenn du dich sorgst, ich hätte es nichtmal zu verstehen versucht, möchte ich gerne versuchen, meine Kritik noch etwas genauer erläutern.)

Sir Donnerbold hat gesagt…

SPOILER! SPOILER!

Oh, schnell, wie du antwortest.

Insofern zum zweiten Kommentar: Würde das klebrige Melodrama am Ende zur Realität zurückkehren, würde es mich vielleicht wenigstens mit Daldrys übertriebener Symbolik versöhnen. Aber das Ende spielt ja noch immer auf dieser gierig auf Filmpreise schielenden "ich lege so viel Bedeutung rein wie möglich"-Handwerksebene. Er bekommt ja seine nicht mehr erhoffte Botschaft von Dad, die in ihrem Wortlaut rein zufällig nicht nur zum Ende eines Spiels passt, sondern auch ein Abschied für immer sein könnte und dann schaukelt er in Zeitlupe von Desplats Klängen begleitet zwischen Himmel und Erde rum. Hat für mich nichts von "... und das Blag lernte die Realität kennen." ;-)

Anonym hat gesagt…

Höhö :)
Du hast schon recht, was die Gefühlsmanipulation im Allgemeinen anbelangt, aber im Besonderen sehe ich das in diesem Film nicht. Ich meine, ja, er trägt dick auf, aber für mich entstand Betroffenheit hauptsächlich durch die Figur Oskar. Die Anrufbeantworter-Geschichte halte ich nicht für too much, sondern einfach für den Höhepunkt. Denn irgendetwas stimmt ja nicht mit dem Anrufbeantworter, das wird ja schon bei der ersten Szene suggeriert. Und ich empfand das einfach als eine schöne Idee als Strukturelement.
Du legst ihm zur Last, dass er vom 11. September handelt, was er aber nunmal einfach tut. Wer sich daran aufgeilt und diesen Film als einen 11.-September-Film bezeichnet, dem kann ich natürlich auch nicht helfen. Das ist lediglich der absolut austauschbare Background, der aber den Autor des Buches vermutlich sehr bewegt hat.

Aber ich denke, ich sehe deinen Kritikpunkt, besonders im Hinblick auf das Ende. Das werde ich mir nochmal anschauen und durch meinen Kopf gehen lassen.

Deine Kritik ging mir hauptsächlich auch einfach zu weit, weil du den Stoff an sich kritisiert hast, Oskar beschimpft hast und diesem Werk jeglichen Inhalt abgesprochen hast. Ich meine, Platz 1 auf dieser infamen Liste ist schon eine krasse Aussage. Und das hat dieser Film nach meiner Ansicht einfach nicht verdient. Und bei dem Buch hört bei mir nun wirklich der Spaß auf ;)

Ich fühle mich jedenfalls geehrt, dass du auf meine Brabbeleien so ausführlich geantwortet hast :)

Sir Donnerbold hat gesagt…

Ich lege dem Film gar nicht zur Last, dass er den 11. September behandelt. Ich fände es nicht zu früh, dieses Ereignis zu thematisieren und habe zum Beispiel kein Problem mit "Flug 93". Ich kritisiere, dass der Film sich mit thematischen Federn schmückt, an denen er eigentlich nicht interessiert ist, und sich somit eine Dramatik ergaunert, die er nicht verdient hat. Völlig austauschbar scheint mir 9/11 in diesem Werk nämlich auch nicht, mit welcher verletzten Ehrfurcht von "dem Tag" gesprochen wird oder welches Betroffenheitsgefühl das Bild auslösen will, wenn die Kamera die New Yorker Skyline zeigt. Klarer gesagt: Mich stört, dass der Film 9/11 als billige Abkürzung zu den Tränenkanälen der Zuschauer nutzt, ohne sich ehrlich um das Ereignis zu sorgen. Ich verorte die Thematisierung von 9/11 also in der ärgerlichen Grauzone: Es ist weder beiläufiger Kommentar (wie in Spike Lees großartigem "25 Stunden", der perfekt die Post-9/11-Stimmung zeigt, ohne wirklich ein 9/11-Film zu sein), noch zentrales Thema (Flug 93). Man addiere dann noch die ganzen anderen geborgten emotionalen Schlagwörter, und aus "emotionale Trauerbewältigung vor x-beliebigem Hintergrund" wird ein kalkulierter Betroffenheitsfilm. Meiner Meinung nach.

Und wir haben vielleicht einen völlig anderen Kindergeschmack, was ja auch völlig in Ordnung ist ... (und von mir sehr seltsam formuliert wurde) ... Aber jede Szene, in der Oskar mehr als ein paar Worte zu sagen hat, kam für mich Fingernägeln auf einer Tafel gleich, war mir unerträglicher als die Erzählung von "Savage"-O und sogar lästiger als das "Kokowääh"-Gör. Deshalb stehe ich zu meiner Beschimpfung Oskars - denn wenn mich eine Kinderfigur mehr stört als der Schweiger-Spross, dann muss das was bedeuten. *g*

Puuuh, wieder in Rage geschrieben. Um aber nicht missverstanden zu werden: Vielen Dank für die ausführlichen Kommentare und sei mir für meinen Hass auf Buch/Film nicht zu böse. :-)

Luanalara hat gesagt…

"Dark Shadows" wird auch n meinem Rückblick auftauchen, ebenfalls nicht gerade positiv. Ich habe mich kurzfristig ganz gut unterhalten gefühlt, aber im Gegensatz zu vielen anderen Depp-Burton-Arbeiten ließ der Film mich komplett kalt. Aber Eva Green war schon toll.

"Ice Age 4", hm, hab schon recht viel gelacht (war sogar 2x drin, aber nur aufgrund des Besuches einer Freundin), so im Nachhinein nervte die Teenager-Dramatik aber doch sehr. Extrem vorhersehbar. Die Oma war toll, die Hamster auch, Scrat fand ich die meiste Zeit auch sehr unterhaltsam. Das Piratenlied war ... unglaublich schlecht.

"Snow White..." ist der absolut perfekte Film für einen MST-Abend! Wirklich! Wir habe es ausprobiert. Man kann sich den ganzen Film hindurch großartig über die absolute Unlogik lustig machen und nebenbei ein Trinkspiel einbauen - nimm nen Schluck, wenn wieder was absolut dreist aus einem anderen Film geklaut ist. Trink das ganze Glas aus, wenn es sich dabei um "Herr der Ringe" handelt.

Tja und alles andere hab ich nicht gesehen. *g*
Jetzt les ich mir eure ellenlange Diskussion über deine Nr. 1 durch.^^

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