Dienstag, 31. Januar 2017

Nocturnal Animals


Tom Ford: Berühmter Designer am Tag, von Cineasten gefeierter Regisseur bei Nacht? Dieses Doppelleben bot sich dem Texaner Ende der 2000er-Dekade an: Der frühere Gucci-Designer, der Mitte des vergangenen Jahrzehnts seine eigene Marke gründete, stieß 2009 mit seinem Debütfilm A Single Man in beachtliche Sphären vor. Das galant inszenierte, kühl, jedoch feinfühlig erzählte Drama mit Colin Firth und Julianne Moore wurde zumeist mit positiven Kritiken bedacht und gewann zahlreiche Filmpreise. Mit etwas Abstand zur Erstveröffentlichung entfaltete A Single Man seine Wirkung noch stärker – und wird seither regelmäßig in Kritikerbestenlisten als einer der eindringlichsten Filme dieses Jahrhunderts genannt.

Tom Ford wollte sein Ausnahmewerk nicht für sich allein stehen lassen – und arbeitete, nach eigenen Angaben, an einer schockierenden, schonungslosen und tolldreisten Komödie, deren Titel allein selbst hartgesottenen Cineasten die Schamesröte ins Gesicht treiben würde. Der Modedesigner scheiterte jedoch an der Finanzierung dieses Projekts. Und so dauerte es nunmehr sieben Jahre, bis er mit seinem Plan B endlich seinen zweiten Kinofilm rausbringt – eine Enttäuschung. Nocturnal Animals ist zwar keineswegs so mau, dass der Traum von Fords Doppelleben zum Albtraum wird. Doch die Adaption eines Romans von Austin Wright weckt vor allem Neugier auf Fords aufgegebene Schockkomödie, während das schwerfällig in Szene gesetzte Rätsel dieser Fiktion-innerhalb-einer-Fiktion viel schneller gelöst und vergessen ist, als einem lieb sein kann.

Mit behäbigem Erzähltempo, das vor allem aufgrund der jegliche Regung der Hauptfigur Susan Morrow (Amy Adams) unterstreichenden, dramatischen Pausen im Mittelteil arg ins Stocken gerät, nimmt Nocturnal Animals eine zweifach verheiratete Kunsthändlerin in den Fokus. Diese fristet trotz Reichtum, Anerkennung und einem stilvoll eingerichteten Zuhause ein unglückliches Dasein. Ihr Mann Hutton Morrow (Lone Ranger-Hauptdarsteller Armie Hammer in einer verschwindend kleinen Nebenrolle) ist stets auf Geschäftsreise. Ihre Beziehung zu ihrer Mutter (pointiert-biestig: Laura Linney) ist vergiftet. Die Arbeit erfüllt sie nicht mehr. Da kommt Ablenkung durch ihren Ex-Mann Edward Sheffield (Jake Gyllenhaal) gerade recht.

Dieser konnte Susan mit seinen Träumen von einer Schriftstellerkarriere Susan nicht langfristig glücklich machen – hatte er in ihren Augen doch zu wenig Talent, um seine Ziele zu erreichen. Nun aber schickt er Susan das Manuskript zu einem Roman namens Nocturnal Animals. Dieser hat eine niederschmetternde, brutale und hoffnungslose Geschichte, die Susan gewidmet ist. Diese verschlingt Edwards Erzählung eines Mannes, dem von Südstaatenrowdys Frau und Kind genommen werden – und grübelt nach, was genau zwischen ihr und Edward eigentlich schief gelaufen ist.

Die Binnengeschichte, in der Jake Gyllenhaal mit glaubwürdiger Verzweiflung aufspielt, ist mit meilenweitem Abstand der stärkere Part von Fords zweiter Regiearbeit. Dies ist vor allem den Darstellern zu verdanken. Aaron Taylor-Johnson hat als Ganganführer Ray Marcus zwar wenig mit echten Südstaatenrüpeln gemeinsam, brilliert jedoch als manngewordene Verkörperung eines Schundheft-Schurken: Muskulös, schmierig und Reden schwingend ist er eine körperliche Bedrohung, die auch gekonnt auf die Nerven geht. Isla Fisher und Ellie Bamber wissen, als Edwards Familie mit greifbarer Verängstigung, Taylor-Johnsons Fiesling noch boshafter aussehen zu lassen, und ein keinerlei Subtilitäten kennender Michael Shannon macht als abgehärteter Südstaaten-Bulle sündhaft viel Spaß.

Zudem gelingt es Ford, trotz mancher die Illusion störender Anschlussfehler, die Geschichte-innerhalb-der-Geschichte wenigstens in Akt eins hochspannend umzusetzen: Er lässt das Aufeinandertreffen zwischen hilfloser Familie und sich in ihrer Abartigkeit suhlender Rüpel nervenaufreibend-detailliert ablaufen, lässt die Szene stets auf dem jeweils am intensivsten spielenden Darsteller ruhen. Minutiöse Schnittarbeit schürt die Spannung, was zusammen mit den staubigen Nachtbildern für einen schlichten, schlanken Thriller sorgt. Nachdem die Situation eskaliert ist, fallen die ausgiebigen, doch apathischer inszenierten Nachwehen zwar in Sachen Suspense stark ab, dennoch sorgt die im Hintergrund stehende Frage: „Wie geht’s wohl weiter?“ weiterhin für ausreichend Drive.

Die Rahmengeschichte hingegen kommt eher wie eine schlechte Parodie von Tom Fords Regieführungsstil daher, die von jemandem verbrochen wurde, der nur von A Single Man gehört, ihn aber nie gesehen hat: Geschmackvoll, leicht exzentrisch eingekleidete, hübsche Menschen starren bedeutungsschwer an der Kamera vorbei, die sie in kühlen, dunklen Bildern verewigt. Gelegentlich Seufzen sie betrübt oder besorgt, andere Male lassen sie sperrige Dialoge von sich, die den Plot forciert vorantreiben.

Vor allem Amy Adams, die erst kürzlich mit Arrival daran erinnert hat, dass sie eine Weltklassemimin ist, muss einem leid tun: Sie bekommt die undankbare Aufgabe zugeteilt, die viel spannendere Binnengeschichte immer wieder zu unterbrechen, indem sie, von den soeben gelesenen Romanseiten schockiert, ihre Brille abnimmt. Oder mit betont nachdenklichem Gesichtsausdruck nach einem Weinglas greift. Oder aufseufzt und ins Leere blickt. Die eingestreuten Rückblicke auf Susans Beziehung zu Edward geben Adams mehr zu tun, darunter ein schwarzhumoriges Dinner mit ihrer Filmmutter Laura Linney, allerdings sind sie erzählerischer Ballast, da sie doppelt und dreifach das vermitteln, was zuvor durch Edwards Roman impliziert wurde.

Das abschließende Drittel pfeffert dem Publikum letztlich visuelle Erläuterungen von Edwards Vorhaben und Susans unausgesprochenem Befinden um die Ohren, so dass die eingangs fesselnde, mysteriöse Wechselwirkung zwischen Rahmen- und Binnengeschichte zum Witz verkommt: Tom Ford befolgt das kleine Einmaleins des Lehrbuchs für „Fiktion-in-der-Fiktion“, verkauft es dessen ungeachtet mittels theatralischer Performances und zähem Storytelling als Differentialgleichung für Fortgeschrittene. Die weit im Voraus telegrafierte, angesichts der schalen Charakterzeichnung in der Rahmengeschichte keinerlei Dramatik mit sich bringende, Schlusspointe setzt Nocturnal Animals dann die Krone der Enttäuschung auf. Bleibt nur zu hoffen, dass sich irgendwelche Geldgeber von Seamus McGarveys formidabler Kameraarbeit haben bezirzen lassen, so dass sie das Scheckbuch zücken und Ford das nötige Geld für seine Rüpelkomödie überweisen. Die wird dann vielleicht eine filmische Beleidigung im erstrebenswerten Sinne.

Fazit: Eine spannende Binnengeschichte, die in einer lachhaft simplen Beziehung zu ihrer schwerfällig dargebotenen Rahmengeschichte steht: Nocturnal Animals ist Edelschund, der als Arthouse-Geniestreich posiert.

Diese Kritik erschien zuerst bei Quotenmeter.de

Sonntag, 29. Januar 2017

Meine Lieblingsfilme 2016 (Teil I)

Jahr für Jahr wird an irgendeiner Stelle über den Stand der Filmkunst geschluchzt, gejammert, gewimmert und geklagt: Zu viele Blockbuster, seufzen die Einen. Zu wenig Kassenschlager, die dem Kino das Überleben sichern, meckern die Anderen. Kinofilme seien völlig ideenlos und hätten sich von Fernsehserien überholen lassen, mosert Seite A. So viele Kinofilme seien so findungsreich und kreativ, gingen jedoch an der Masse vorbei, krächzt Seite B.

An dieser Stelle sei einmal nicht geklagt, geschimpft oder gewimmert. Hier soll einfach gefeiert werden: 2016 mag hinsichtlich der großen Franchise-Produktionen öfter versagt als obsiegt haben, das lässt sich nicht bestreiten. Aber abseits der kreativen Flops mit Ansage sowie den auffälligen, jedoch schnell verschmerzten Enttäuschungen starteten 2016 zahlreiche sehenswerte, unterhaltsame, einfallsreiche, spannende, kluge oder schlichtweg bildhübsche Filme.

Und eine Auswahl davon will ich euch nun endlich vorstellen: 45 Filme, die 2016 in Deutschland ihre Kinopremiere feierten oder direkt unzeremoniell auf DVD und Blu-ray geparkt wurden, und die mein Filmliebhaberherz besonders hoch schlagen lassen! Ich erkläre es alle Jahre wieder, aber sicher ist sicher: Dies sind nicht die 45 Filme, die ich, wäre ich in einem Komitee zur Kuratierung kulturell imposanter Kinoproduktionen, meinen Vorgesetzten als schützenswert vorschlagen würde. Es sind auch nicht zwingend (aber vielleicht stellenweise) die 45 Filme, die ich aufgrund meines Verständnisses des cineastischen Kunsthandwerks am stärksten feiere. Es sind, so einfach kann es sein, die 45 Filme, die ich ganz persönlich, hochsubjektiv und frei aus meinem Herzen heraus am meisten verehre.

Klar soweit? Dann haltet euch fest, denn euch erwartet ein kunterbuntes, positiv-eklektisches Sammelsurium!

Platz 45: Radio Heimat (Regie: Matthias Kutschmann)

Das Marketing positionierte Radio Heimat als vergangenheitsverliebte Geschichte über Jugendpeinlichkeiten. Doch damit hat es dieser Coming-of-Age-Komödie Unrecht getan: Matthias Kutschmann adaptierte den gleichnamigen Roman in Form eines neckisch sowie tief in 80er-Zeitkolorit sowie Ruhrgebiet/Niederrhein-Lokalkolorit getauchten Kinospaßes, der sein Gewand liebevoll neckt. Menschen sind überall doof, es war schon immer alles nicht perfekt - und im NRW der 80er-Jahre halt auf diese Weise. Mit einer dysfunktionalen Chaostruppe aus Freunden im Mittelpunkt, die alle ihre ersten Gehversuche in ernsten Beziehungen machen, Jugendschabernack und raffinierter Situations- sowie Dialogkomik und glaubwürdigen ruhigeren Momenten ist Radio Heimat trotz mancher dramaturgischer Ecken und Kanten ein feiner Film geworden, der nicht nur Nostalgikern und NRWlern ein munteres Grinsen abringen dürfte.

Platz 44: Die Winzlinge – Operation Zuckerdose (Regie: Thomas Szabo)

Ein Film, der mein Trickfilmliebhaberherz vor Freude jubeln lässt: Stilisierte, verflixt süße Krabbeltiere agieren vor einem realen Hintergrund - und dies komplett ohne Text. Allein die Charakteranimation und originelles Sounddesign bringen diese Geschichte über einen Marienkäfer, der sich mit einer Ameisentruppe anfreundet, zum Leben. Zuckersüß, ein Paradebeispiel dafür, wie gut Trickfilme ohne Dialoge funktionieren können und obendrein ein sehr amüsant-knuffiges Abenteuer, das einem zwangsweise ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Platz 43: Der Nachtmahr (Regie: Akiz)

Ein Film, wie eine zum Rave mutierte, gothische Bösenachtmär: Eine Jugendliche wird nach einer zügellosen Partynacht von Albträumen geplagt und fühlt sich stets verfolgt. Regisseur Akiz, der hiermit eine thematische Trilogie eröffnet, beginnt Der Nachtmahr intensiv, manisch, laut. Nimmt dann das Tempo raus, um durch farbintensive Bilder und schleichende Spannung eine auf die Psyche gehende Suspense zu erzeugen, ehe er eine modernisierte, doch im Kern altmodische Variante des "Protagonist(in) und ihr seltsames Wesen" erzählt, die jeder ganz frei interpretieren darf. Ehe es wieder verwirrend wird und wir den Film mit aufgeregten Fragen verlassen. So kann Indie-Kinodeutschland also sein!

Platz 42: Elliot, der Drache (Regie: David Lowery)

Ein Film, der den Disney-Zauber atmet, und der dennoch so anders wirkt: David Lowery inszeniert diese in einem Country-Bilderbuch-80er-Jahre-Setting spielenden Film auf bezaubernde, mit großen Augen staunende Weise. Und trotzdem ist diese "Ein Waisenjunge und sein Drache"-Story unaufgeregt, beiläufig, schlicht. Unpathetische, schlichte Dialoge, eine malerische, aber geerdete Optik: Elliot, der Drache ist eine gelungene Ehe aus Sundance-Material und Disney-Stoff.

Platz 41: Collide (Regie: Eran Creevy)

Ein dummer, lauter Actionfilm, der weiß, was er ist, was sein Publikum will und was er liefern kann: Eran Creevys Collide verzichtet auf all das, was so viele moderne Hollywood-Actionfilme aus der zweiten Reihe falsch machen. Wo etwa ein Mechanic: Resurrection viel zu viel Zeit für seine hohle Lovestory aufwendet, beginnt Collide mit einem hochkonzentrierten, videoclipartig gefilmten und geschnittenen, musikalisch wuchtig untermalten Abriss seiner Alibistory. Dann wirft er noch etwas Selbstironie und einen wahnwitzig agierenden Ben Kingsley dazu, schon düst Nicholas Hoult durch Deutschland, um Felicity Jones zu retten. Saucoole Stunts, eine gute Dosis Humor, ein turbulentes Erzähltempo. Kein weiteres Trara. Ein Film wie ein Energy Shot: Sicher nichts, wovon man lange zehren kann, aber meine Fresse, rüttelt der wach!

Platz 40: Don't Breathe (Regie: Fede Álvarez)

Fede Álvarez ist nun offiziell einer der Regisseure, bei denen ich prompt hellhörig werde: Nach dem furios-splatterigen, daher schonungslos unterhaltsamen Evil Dead-Remake bringt Álvarez einen sorgsam konstruierten, atmosphärischen Thriller mit Horrorelementen raus, der seine High-Concept-Prämisse strengstens und konsequent verfolgt. Eine Gruppe Jugendlicher bricht bei einem alten, blinden Kriegsveteran ein, nicht wissend, dass dieser nicht nur wehrhaft, sondern unerbitterlich ist. Mit nervenaufreibenden Setpieces, einer packenden Kameraarbeit und einer wundervoll-fiesen Klangkulisse ist Don't Breathe ein dringender Tipp für alle Fans des Spannungskinos.

Platz 39: Popstar: Never Stop Never Stopping (Regie: Akiva Schaffer und Jorma Taccone)

Die Comedy-Musikkombo The Lonely Island haut mit ihrem eigenen Film ein voller Ohrwürmer steckendes Lachfest heraus: Die Fake-Dokumentation über einen überheblichen Popstar, der seine früheren Bandmitglieder im Stich ließ, gigantischen Soloerfolg feierte und nun verzweifelt versucht, auf diesem Hoch zu bleiben, ist eine herrlich bescheuerte Showbiz-Persiflage. Eine dramaturgische Fallhöhe gibt es zwar nicht, dafür einige Songs, die mir seit Monaten nicht mehr aus dem Kopf gehen. Klasse!
Platz 38: The Big Short (Regie: Adam McKay)

Ein satirisch angehauchtes, mit Galgenhumor bereichertes, fassungsloses Wirtschaftsdrama über jene, die den Wirtschaftscrash der späten 00er-Jahre vorhergesehen haben und für bescheuert erklärt wurden: Anchorman-Regisseur Adam McKay seziert und erklärt, wie die Blase geplatzt ist, was es über das Wirtschaftssystem aussagt, dass es dazu kommen konnte, und wie schockierend es ist, dass keine größeren Konsequenzen gezogen wurden. Mit feschen Metaspielereien versehen und vom Spitzencast so ansehnlich gespielt, wie es die eher funktionale Figurenzeichnung zulässt, ist The Big Short ebenso aufreibend wie spritzig.

Platz 37: How to Be a Single (Regie: Christian Ditter)

Eine Wonne von einem Film: Christian Ditter verneigt sich vor dem (romantisierten) New York City und erzählt vier verknüpfte, höchst unterschiedliche Geschichten von Singlefrauen. Da wäre die jahrelang glücklich vergebene, sich nun als Single neu entdecken wollende Alice (Dakota Johnson), die übertrieben anhängliche Lucy (Alison Brie), das Partygirl Robin (Rebel Wilson) und die Singlefrau Meg, die Mutter werden will (Leslie Mann). Der Cast ist gut aufgelegt, die Gags sitzen und die Romanzen entwickeln sich anders, als ich erwartet hätte. Mit einer gesunden Dosis Selbstironie und einer weit überdurchschnittlichen, farbenfrohen Optik ist How to be a Single eine der rarer werdenden Ausnahme-RomComs.

Platz 36: Brooklyn (Regie: John Crowley)

Aus der Kategorie "Filme, die Miramax in seinen Glanzzeiten gemacht hätte" bringt uns John Crowley die nachdenkliche, einfühlsam erzählte Geschichte einer jungen Frau, die in die USA auswandert, um ein neues Leben zu beginnen. Im New York der frühen 50er-Jahre arbeitet sie hart, um genug Geld zu verdienen, so dass sie ihrer Familie in ihrer alten Heimat finanzielle Unterstützung leisten kann. Hin und hergerissen zwischen Tatendrang, sich in die neue Kultur einzugewöhnen, und den Versuchen, ihre Wurzeln nicht zu vergessen, verliebt sie sich obendrein in einen leidenschaftlichen jungen Mann - doch diese Beziehung droht, durch einen Besuch in ihrer alten Heimat zu zerbrechen. Wundervoll gespielt, bildhübsch fotografiert und ein brennender, unterschwelliger Kommentar auf unser Heute.

Fortsetzung folgt!

Freitag, 27. Januar 2017

Freitag der Karibik #27

Hans Zimmers Tournee gehörte für mich zu den Highlights meines Jahres 2016: Der Oscar-Preisträger präsentierte seinen Fans eine regelrechte, fetzige, laute, farbintensive Rockshow eines Filmmusikkonzerts. Der Höhepunkt schlechthin? Für mich natürlich die Pirates of the Caribbean-Sektion, die die erste Hälfte des Konzerts beenden durfte und bei mir die dickste Gänsehaut meines Lebens provozierte.

Hans-Zimmer-Fans war so emsig, den Kölner Auftritt in guter Qualität mitzufilmen. Sehet, höret, genießet!


Sonntag, 22. Januar 2017

Oscars 2017: Meine Prognose für die Nominierungen bei den 89. Academy Awards


Am Dienstagnachmittag ist es so weit: Die Oscar-Nominierungen werden verkündet - und zwar in einer neuen Form: Als vorproduziertes Video, in dem Experten aus verschiedenen filmischen Fachgebieten die Bedeutung dessen erklären. Ich bin gespannt, ob diese Form auf Dauer die Live-Verkündung in Form einer Präsentation ersetzen wird. Ebenso bin ich gespannt, wie gut meine Prognose dieses Jahr ausfällt ...

Bester Tonschnitt:
  • Arrival
  • Deadpool
  • Hacksaw Ridge
  • The Jungle Book
  • Rogue One: A Star Wars Story
Musicals spielen in dieser Kategorie bei den Oscars normalerweise keine Rolle, sondern laute, eine komplexe Klangkulisse aufweisende "Bester Film"-Anwärter im Drama- oder Genre-Segment sowie Action. Arrival sollte allein schon aufgrund der Aliengeräusche nahezu garantiert sein als Anwärter. Deepwater Horizon dürfte in dieser Kategorie Chancen haben, einen meiner fünf Filme rauszukegeln.

Bester Ton:

  • Arrival
  • Deepwater Horizon
  • Hacksaw Ridge
  • La La Land
  • Rogue One: A Star Wars Story
Alternativ könnten The Jungle Book, einer der "echten" Marvel-Filme, Deadpool oder Sully mitmischen.

Bester animierter Kurzfilm:
  • The Head Vanishes
  • Inner Workings
  • Pearl
  • Sour Tes Doigts
  • Piper
Beste Kurz-Dokumentation:
  • Extremis
  • 4.1 Miles
  • Joe's Violin
  • The Mute's House
  • Watani: My Homeland
Beste Dokumentation:
  • Cameraperson
  • I Am Not Your Negro
  • Life Animated
  • O.J.: Made in America
  • The 13th
Bester Kurzfilm:
  • Bon Voyage
  • Graffitti
  • Nocture in Black
  • Timecode
  • The Way of Tea
Bester fremdsprachiger Film:
  • Mein Leben als Zucchini, Schweiz
  • The Salesman, Iran
  • Tanna, Australien
  • Toni Erdmann, Deutschland
  • Unter dem Sand, Dänemark

Bester Animationsfilm:
  • Findet Dorie
  • Kubo - Der tapfere Samurai
  • The Red Turtle
  • Vaiana
  • Zoomania
Die Academy reagierte zuletzt abweisend auf Fortsetzungen, andererseits traf Findet Dorie in den USA ganz offensichtlich einen Nerv, wie die Kritiken und das Einspielergebnis zeigen. Ich wäre nicht überrascht, sollte Findet Dorie Platz für den Schweizer Film Mein Leben als Zucchini machen ...

Beste Effekte:
  • Arrival
  • Doctor Strange
  • The Jungle Book
  • Kubo - Der tapfere Samurai
  • Rogue One: A Star Wars Story
Zuletzt wurde Nightmare before Christmas als reiner Animationsfilm in dieser Sparte nominiert. Dass Kubo in der Shortlist ist und nach der miesen Kinoauswertung immer mehr in der Branche über ihn gesprochen wird, sehe ich als Indiz, dass er sehr geachtet wird und den Sprung in diese Liste schaffen könnte.

Bester Song:
  • Running aus Hidden Figures
  • Audition (The Fools Who Dream) aus La La Land
  • City of Stars aus La La Land
  • Drive It Like You Stole It aus Sing Street
  • How Far I'll Go aus Vaiana
Beste Originalmusik:
  • BFG - Big Friendly Giant, John Williams
  • Florence Foster Jenkins, Alexandre Desplat
  • Jackie, Mica Levi
  • La La Land, Justin Hurwitz
  • Moonlight, Nicolas Britell
John Williams wird praktisch immer nominiert, wenn er sich qualifiziert, also fürchte ich, dass auch seine miese BFG-Leistung eine Nominierung erhält. Jackie könnte durch den Score eines bekannteren Komponisten gekippt werden, nur bin ich ratlos, für wen genau ...

Beste Ausstattung:
  • Arrival
  • Hail, Caesar!
  • La La Land
  • Jackie
  • Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind
Bestes Make-up und Hairstyling:
  • Deadpool
  • Florence Foster Jenkins
  • Star Trek Beyond
Bester Schnitt:
  • Arrival
  • Hacksaw Ridge
  • Hell or High Water
  • La La Land
  • Manchester by the Sea
Beste Kostüme:
  • Florence Foster Jenkins
  • Hail, Caesar!
  • Hidden Figures
  • Jackie
  • La La Land
Beste Kamera:
  • Arrival, Bradford Young
  • Jackie, Stéphane Fontaine
  • Moonlight, James Laxton
  • La La Land, Linus Landgren
  • Lion, Greig Fraser

Bestes Original-Drehbuch:
- Hell or High Water, Taylor Sheridan
- Jackie, Noah Oppenheim
- La La Land, Damien Chazelle
- The Lobster, Efthymis Filippou & Yorgos Lanthimos
- Manchester By The Sea, Kenneth Lonergan

Bestes adaptiertes Drehbuch:
- Arrival, Eric Heisserer
- Fences, August Wilson
- Hidden Figures, Allison Schroeder und Theodore Melfi
- Lion, Luke Davies
- Moonlight, Barry Jenkins

Bester Nebendarsteller:
- Mahershala Ali, Moonlight
- Jeff Bridges, Hell or High Water
- Hugh Grant, Florence Foster Jenkins
- Lucas Hedges, Manchester By The Sea
- Dev Patel, Lion

Beste Nebendarstellerin:
- Viola Davis, Fences
- Naomie Harris, Moonlight
- Nicole Kidman, Lion
- Octavia Spencer, Hidden Figures
- Michelle Williams, Manchester by the Sea

Bester Hauptdarsteller:
- Casey Affleck, Manchester by the Sea
- Ryan Gosling, La La Land
- Andrew Garfield, Hacksaw Ridge
- Viggo Mortensen, Captain Fantastic
- Denzel Washington, Fences

Beste Hauptdarstellerin:
- Amy Adams, Arrival
- Isabelle Huppert, Elle
- Natalie Portman, Jackie
- Emma Stone, La La Land
- Meryl Streep, Florence Foster Jenkins

Beste Regie:
- Damien Chazelle, La La Land
- Barry Jenkins, Moonlight
- Kenneth Lonergan, Manchester by the Sea
- Denis Villeneuve, Arrival
- Denzel Washington, Fences

Die ersten vier halte ich für sicher, Washington könnte durch Garth Davis (Lion), Martin Scorsese (Silence), David Mackenzie (Hell or High Water), Pablo Larrain (Jackie), Mel Gibson (Hacksaw Ridge) oder Jeff Nichols (Loving) gekickt werden. Oder durch Tom Ford (Nocturnal Animals). Oder Clint Eastwood (Sully) ...

Bester Film:

  • Arrival
  • Fences
  • Hell or High Water
  • Hidden Figures
  • La La Land
  • Lion
  • Manchester by the Sea
  • Moonlight
  • (Slot neun bleibt leer)
  • (Slot zehn bleibt leer)
Alles, was ich im erweiterten Regie-Rennen habe, könnte auch beim besten Film mitmachen, und sollte es endlich wieder Zeit für einen Animationsfilm im Rennen sein, dann jetzt - Zoomania könnte einigen Oscar-Votern aus der besorgten Seele sprechen ...

Freitag, 20. Januar 2017

Freitag der Karibik #26

Lasst uns mal kurz was nostalgisch werden, liebe Pirates-Fans. Na, habt ihr damals auch diesen Sketch so geliebt wie ich?

Hach. Simpler times ...

Montag, 16. Januar 2017

Split


M. Night Shyamalan – man kann von seinen Filmen halten, was man mag. Man kann sie alle mies finden, sie alle gut finden oder sich die Haare raufen, wie unbeständig die Qualität dessen ist, was der indischstämmige Regisseur so rausbringt. Aber ich schätze, dass sich die meisten Filmliebhaber einig werden dürften: Shyamalan ist eine faszinierende Personalie im Hollywood-Geschäft. Nicht trotz, sondern gerade aufgrund seiner makelhaften Vita:

Zu Beginn seines Schaffens von Kritikerzunft und Publikum als Wunderkind gefeiert und nächster Spielberg oder Hitchcock gehandelt, geriet seine Karriere nach einer Phase des intensiven Hypes ins Trudeln. Die Kritiken wurden galliger, die Einnahmen ließen nach – aus dem Wunderkind wurde dem Konsens nach ein Frustrationsgrund, ein Name, den es zu meiden gilt, eine Witzfigur und zwischenzeitlich ein wenig geschätzter Auftragsregisseur. Im schaurig-lustigen Found-Footage-Film The Visit brachte Shyamalan 2014 dann seine Handschrift wieder stärker zum Vorschein – und wurde mit einem (wenngleich nicht unumstrittenen) Kritiker-Achtungserfolg sowie einem zufriedenstellenden Einspielergebnis an den Kinokassen belohnt.

Interessantester Punkt an The Visit: Der FSK-ab-12-Jahren-Gruselfilm lässt sich als Parabel auf Shyamalans Beziehung zu seinen Kritikern lesen, welche die Höhen und Tiefen dieses Mit- und Gegeneinanders skizziert. Wie passend, dass Split den selbstreflektiven Faden weiterspinnt: Der Kammerspielthriller über einen unter dissoziativer Identitätsstörung leidenden Entführer dreier Jugendlicher, wirft wiederholt die These in den Raum, dass jene, die verletzt oder sonstwie beschädigt sind, sich wirklich gesegnet fühlen dürfen. Makellosigkeit als uninteressanter Aspekt; Schäden, die zu Größe führen: Diese von handelnden Figuren geäußerten Gedanken könnten aus Shyamalans Innerstem sprechen; davon zeugen, dass der Filmemacher mit seinem Karriereknick leben kann und hofft, dass er aus Schaden klug geworden ist.

Auf Split trifft die "Es sind die Makel, die einen erst interessant machen"-Weisheit nur bedingt zu. Ja, ich würde behaupten, dass wir diesen Film (mit all seinen Stärken und Schwächen) wohl nicht oder zumindest in einer gänzlich anderen, weniger überraschenden Form bekommen hätten, wäre Shyamalans Karriere nach The Sixth Sense nach Plan verlaufen. Ohne Shyamalans Unmut über Disneys Vermarktung des Mysterythrillers Unbreakable, ohne Disneys Enttäuschung über dessen Einspielergebnis. Ohne das kurze Signs-Hoch und den radikalen The Village-Backlash und ohne alles, was daraufhin folgte. Ohne dass sich Shyamalan als Regisseur verformt und dann wieder unter anderen Vorzeichen sseinen alten Stil neu aufbaut. Und somit wäre die Kinowelt um einen völlig verwunderlichen Film ärmer geworden. Dennoch: Split erarbeitet sich so drastische Abzüge in der B-Note, dass ich mir sehr wohl eine geschliffenere Version des Films wünsche.

Die Geschichte beginnt, als drei Jugendliche (zwei enge Freunde und eine aus Mitleid ebenfalls zur Geburtstagsfeier eingeladene Außenseiterin) von einem Fremden entführt und eingekerkert werden. Während die beiden Freundinnen Claire (Haley Lu Richardson) und Marcia (Jessica Sula) vor Angst austicken, bleibt Casey (Anya Taylor-Joy) eiskalt und versucht, die Lage zu überblicken. Alsbald stellen die drei Mädchen fest, dass ihr Entführer (James McAvoy) unter Persönlichkeitsspaltung leidet: Mal ist er befehlshaberisch und hat einen Sauberkeitsfimmel, im nächsten Moment handelt er wie ein verspielter, etwas naiver Junge. Casey hofft, diese unberechenbare Art ihres Entführers ausnutzen zu können, um frei zu kommen ... Parallel dazu versucht die Psychologin Dr. Karen Fletcher (Betty Buckley), ihre Kollegen davon zu überzeugen, dass eine dissoziative Persönlichkeitsstörung ungeahnte Möglichkeiten mit sich bringt ...

Als jemand, der deutlich mehr Shyamalan-Filme mag als der gemeine Durchschnitt, freut es mich, dass Split endlich wieder wie eine typische Regiearbeit des The Sixth Sense-Machers aussieht: Der Hitchcock-Liebhaber verlässt sich wieder auf weite Winkel, lange Einstellungen und eine kalte, distanzierte Regieführung. Dies allein wird schon in Verbindung mit der etwas entrückten Dialogsprache wieder die Geister scheiden: Shyamalan-Figuren (wie auch Nolan-Figuren) reden wie gedruckt. Diese etwas befremdliche Wortwahl kann in misslungeneren Filmen peinlich wirken, in gelungenen Fällen die beunruhigende Stimmung der Erzählung stützen. In Split wechselt es für mich wiederholt: Während ich es Anya Taylor-Joy durchweg abkaufe und unter anderem auch McAvoys Kindespersönlichkeit sowie den finster dreinblickenden Ordnungsfanatiker beklemmend finde, sind andere seiner Persönlichkeiten irritierend übertrieben. Wenn sich der Entführer etwa als Frau fühlt, grenzt der feminine Gestus des X-Men-Darstellers an einen Vaudeville-Act, was im Zusammenspiel mit den gestelzten Dialogen den Suspensefaktor von Split hemmt.

Besonders schwer tu ich mich jedoch mit Betty Buckley, die ähnlich comichaft aufspielt wie in The Happening, wo ich sie aber (im Gegensatz zu den meisten Kritikern) als wandelnden WTF-Moment gegen Ende des Films begrüßt habe. In Split ist sie mit weit aufgerissenen Augen und "Liebe, sorgevolle Oma"-Singsang in der Stimme dagegen ein wunder Punkt: Ich kaufe ihr die Figur der aufgeschlossenen, einer Entdeckung nahen Psychologin partout nicht ab, und wenn sie die schrägeren Theorien innerhalb der Story erläutert, fällt es mir aufgrund Buckleys Darbietung doppelt schwer, sie zu schlucken. Weniger wäre an dieser Stelle mehr gewesen.

Die eingestreuten Rückblenden auf Caseys Kindheit lassen unterdessen etwas Lost-Feeling aufkommen - zumindest in dem Sinne, dass das mysteriöse gegenwärtige Geschehen durch die stückweise vermittelte Hintergrundgeschichte der Protagonistin an Spannung und emotionaler Doppelbödigkeit gewinnt. In erster Linie sind es aber Caseys Versuche, die Oberhand in der zunehmend eskalierenden Situation zu gewinnen, die dank Taylor-Joys nuanciertem Spiel Split fesselnd machen. Wenn Shyamalan seine Aufmerksamkeit aber der auf dem Poster und im Trailer beschworenen 24. Persönlichkeit von McAvoys Rolle widmet, wird die so mühevoll konstruierte Suspense radikal eingerissen: Die zurückhaltende Inszenierung weicht in diesen Szenen einem schnelleren, ungelenk realisiertem Stil - je aggressiver McAvoys Figur handelt, desto unbeholfener wählt Shyamalan die Einstellungsgrößen aus, was es mir zunehmend erschwert hat, mich noch länger auf die mit immer gröberen Strichen gezeichnete Story einzulassen.

Und so macht Shyamalan vorübergehend den viel versprechenden Anfang wieder zunichte: Aufgrund des mitunter anmaßenden Overactings, das sich durch die Erwachsenenrollen zieht, und der vor allem im Finale szenenweise ratlos wirkenden Inszenierung stürzt Split in der zweiten Hälfte mehrfach in den unwohlen Bereich der Fremdscham.

Dennoch ist jedem Shyamalan-Komplettisten sowie Fans seiner früheren Filme dringend dazu geraten, sich diesen Thriller schnellstmöglich im Kino anzuschauen und alles dafür zu tun, jeglichen Spoilern aus dem Weg zu gehen! Denn im letzten Drittel stapeln sich die Wendungen und Enthüllungen – und ich muss sagen: So sehr ich aufgrund der genannten Makel in Split zwischenzeitlich gelitten habe: Das allerletzte i-Tüpfelchen habe ich tatsächlich nicht kommen sehen – und es war mir eine ungeheuerliche Freude, diesen Moment ungespoilert erleben zu dürfen!

Es ist obendrein die Art Twist, die nicht nur schwer vorherzusagen ist, sondern die, die zum zuvor Gesehenen passt und es auf den Kopf stellt. Einige Szenen des Films, die mich vor Ärger und Unglauben im Kinosessel haben rumwälzen lassen, musste ich somit neu überdenken - und ich fand sie plötzlich deutlich besser. Das macht aber längst nicht alle Patzer in Split vergessen. Es gibt einfach zu viele misslungene Szenen, die sich mir zu eklatant aufdrängen. Zu oft übertreiben es MyAvoy und vor allem Buckley, öfters handeln Figuren völlig gegen jede Vernunft, nur, damit sich die Situation weiter zuspitzen kann, zu oft denke ich: "Ey, Shyamalan, wenn du das, was nun passiert, nicht zeigen willst, dann schneide weg oder suche dir eine elegant kaschierende Kameraeinstellung aus, aber löse das Problem doch nicht dermaßen ungelenk" ...

Aber: Ja! Der Schluss, der war mir das Durchstehen all dieser Tiefen wert!

Split ist ab dem 26. Januar 2017 in vielen deutschen Kinos zu sehen.

Sonntag, 15. Januar 2017

Oscars 2017: Die möglichen Anwärter auf den Goldjungen in der Sparte "Beste Kostüme"


"Think big!" In kaum einer Kategorie hat diese Oscar-Weisheit solch eine Gültigkeit wie hier: Wer in der Kostüm-Sparte nominiert werden will, sollte auf Aufwand und Pracht setzen. Und da die Gilde der Kostümfachleute sogleich drei Filmkategorien bei ihrem Gewerkschaftspreis kennt, haben wir Oscar-Liebhaber einen umfangreichen Pool, aus dem wir die Filme für unsere Prognosen fischen können ... Dieses Jahr sind nominiert:

Bestes Kostümdesign in einem Historienfilm:
  • The Dressmaker – Marion Boyce, Margot Wilson
  • Florence Foster Jenkins – Consolata Boyle
  • Hail, Caesar! – Mary Zophres
  • Hidden Figures – Renee Ehrlich Kalfus
  • Jackie – Madeline Fontaine
Bestes Kostümdesign in einem kontemporären Film:
  • Absolutely Fabulous: The Movie – Rebecca Hale
  • Captain Fantastic – Courtney Hoffman
  • La La Land – Mary Zophres
  • Lion – Cappi Ireland
  • Nocturnal Animals – Arianne Phillips
Bestes Kostümdesign in einem Fantasyfilm:
  • Doctor Strange – Alexandra Byrne
  • Fantastic Beasts and Where to Find Them – Colleen Atwood
  • Kubo and the Two Strings – Deborah Cook
  • Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children – Colleen Atwood
  • Rogue One: A Star Wars Story – David Crossman, Glyn Di
Üblicherweise setzen sich die Oscar-Nominierungen aus drei oder vier Historiennominierungen des Gewerkschaftspreises und einer beziehungsweise zwei Fantasynominierungen zusammen. Dieses Jahr dürfte aber eine Ausnahme darstellen: La La Land hat sehr farbintensive, einprägsame Kostüme, Bester-Film-Buzz und eine BAFTA-Nominierung, Filme wie Allied und Die Taschendiebin haben in dieser Sparte auch ohne Gewerkschaftsnominierung einen nicht zu verachtenden Oscar-Hype (jedenfalls in dieser Kategorie).

Um bei meiner Prognose nicht zu riskant zu zocken, bleibe ich dennoch allein beim obigen, 15 Filme umfassenden Pool. Mein Bauchgefühl sagt, dass Hail, Caesar! von den meisten Oscar-Experten unterschätzt wird: Trotz Veröffentlichung Anfang 2016, niedrigen Einnahmen und unsicherem Kritikertenor hat sich die Coen-Komödie bei den Gewerkschaftspreisen in Sachen Nominierungen toll geschlagen, zudem umfasst sie eine Vielzahl an authentischen sowie schrillen Kostümen. Darum rechne ich fest mit einer Oscar-Nominierung, ebenso für das ikonische Kennedy-Outfits imitierende Biopic Jackie und die sich wie ein typischer Anwärter in dieser Sparte anfühlende Tragikomödie Florence Foster Jenkins. Ist also nur die Frage: Der Publikumsliebling Hidden Figures oder Academy-Darling Colleen Atwood?

Meine Oscar-Prognose:
  • Florence Foster Jenkins – Consolata Boyle
  • Hail, Caesar! – Mary Zophres
  • Hidden Figures – Renee Ehrlich Kalfus
  • Jackie – Madeline Fontaine
  • La La Land – Mary Zophres

Freitag, 13. Januar 2017

Freitag der Karibik #25

Die Langzeitwirkung von Fluch der Karibik


„Wieso sind Filme mittlerweile immer so lang?“ – Diese Frage kommt mir regelmäßig zu Ohren. Von Freunden. Von Kollegen. Von Fremden, wenn ich in der Kinoschlange oder in der Bahn deren Gespräche mitbekomme. Früher, so jedenfalls die gefühlte Wahrheit, dauerten Kinoproduktionen im Schnitt nicht so lange wie in der Jetztzeit, also in der Ära von 150-Millionen-Dollar-aufwärts-Projekten, Superhelden und PG-13-Actionspektakeln.

Auch unter Disney-Liebhabern bekomme ich diese Reaktion auf heutige Filmlaufzeiten gelegentlich mit. Aber eine gefühlte Wahrheit ist, wenn überhaupt, nur die halbe Miete. Obgleich der aktuelle Politzirkus anderes suggeriert, so sind Fakten noch immer deutlich mehr wert. Deswegen habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, dieses Gefühl, Disney hätte seine Tendenz zu kürzeren Filmen aufgegeben, zu hinterfragen.

Genauer gesagt wollte ich zwei Dinge wissen:
1) Sind Disney-Filme im Schnitt tatsächlich länger geworden?
2) Wenn ja, wann fing diese Entwicklung an?

Ich hatte auch direkt ein Gefühl, wann die Kehrtwende begonnen haben könnte: Mit Gore Verbinskis Fluch der Karibik, dem ersten unter dem Disney-Markennamen veröffentlichten Film, der in den USA eine PG-13-Freigabe erhalten hat. Zugleich ist es auch der Film, der das Disney-Studio stärker in die Welt des Blockbusters geschoben hat, die nun den Output Disneys bestimmt.

Daher habe ich beschlossen, die durchschnittliche Laufzeit der Disney-Filme von 1993 bis jetzt zu errechnen. Somit hätte ich eine ausreichende Vorlaufzeit bis Fluch der Karibik betrachtet, um den alten Status Quo zu überblicken - sowie einen ausführlichen Zeitraum, der die potentiellen Nachwirkungen von Fluch der Karibik auf den Disney-Durchschnitt in Betracht zieht.

Wie jede Statistik, so muss auch diese einigen Regeln folgen. Ich entschied mich für folgende:

- In Betracht wurden nur fiktionale Filme gezogen, keine Dokumentationen!
- Ich habe, selbstredend, nur Langfilme berücksichtigt, keine Kurzfilme wie Get a Horse!
- Als Disney-Film gelten nur Produktionen, die unter dem Disney-Markennamen veröffentlicht wurden. Also keine Werke von Touchstone, Hollywood Pictures, Miramax, Lucasfilm oder Marvel!
- Ich habe nur reguläre Kinostarts berücksichtigt, also weder die Alibi-Kinoauswertungen der ersten drei TinkerBell-Filme, noch den IMAX-Exklusivfilm Der schwarze Hengst - Wie alles begann oder ähnliche Ausnahmefälle!
- 3D-Wiederaufführungen habe ich ebenfalls rausgenommen, da der betroffene Film ja für eine Erstauswertung in einem anderen Jahr gestaltet wurde!
- Ich habe mich nach US-Filmen orientiert, Produktionen von Walt Disney India sowie die Hexe Lili-Filme aus Deutschland haben ja keine direkte Bindung zur Studiopolitik in den USA, außerdem würden die indischen Filme die Frage "Gehen Disney-Produktionen heute länger?" sonst eh mit "Ja!" beantworten lassen!

Unter Berücksichtigung dieser Regeln habe ich Jahr für Jahr die Laufzeit sämtlicher Disney-Kinofilme zusammengerechnet und dann eine durchschnittliche Länge errechnet. Dabei kam folgendes heraus:

Durchschnittliche Laufzeit aller fiktionalen Disney-Kinofilme von 1993 bis 2016

Das Ergebnis des Ganzen: Von 1993 bis 2002 gab es nur ein Jahr, in dem die durchschnittliche Laufzeit bei über 100 Minuten lag - nämlich 1994. Ab 2003 wurde neun Mal eine durchschnittliche Laufzeit von über 100 Minuten generiert. 2013 war mit einem Schnitt von 117 Minuten mit Abstand das längste Filmjahr für Disney-Fans.

Der längste Animationsfilm in diesem Zeitraum erschien übrigens im Jahr 2006, und zwar mit Cars. Die Jahre 1993 bis 2002 kommen auf einen Durchschnitt von rund 95 Minuten, die Jahre ab 2003 auf etwa 104 Minuten. Einfach, um ein vollständiges Bild zu haben, habe ich das ganze Spiel auch nochmal ohne Animationsfilme gespielt:

Durchschnittliche Laufzeit aller fiktionalen, ins Kino entlassenen Disney-Realfilme von 1993 bis 2016


Hier ist das Königsjahr ebenfalls 2013, als Die fantastische Welt von OzLone Ranger und Saving Mr. Banks einen Schnitt von annähernd 135 Minuten verursachten. Mit knackigen 91 Minuten und 30 Sekunden ist 1999 wiederum in Sachen durchschnittlicher Laufzeit die Schlussleuchte. Der längste Film im Beobachtungszeitraum erschien 2007: Pirates of the Caribbean - Am Ende der Welt mit 168 Minuten. Generell erschienen zehn Filme mit mindestens 130 Minuten Laufzeit, sie alle kamen ab 2003 heraus - zuvor liefen aber immerhin zwei Filme mit rund 128 Minuten Laufzeit an.

Vor 2003 erreichte Disney einmal einen Schnitt von mindestens 105 Minuten Laufzeit, ab 2003 wurde dies nur ein einziges Mal unterboten. Die Ära 1993 bis 2002 bringt es auf etwas mehr als 99 Minuten Laufzeit als Jahresschnitt, die Post-Fluch der Karibik-Ära auf über 113 Minuten.

Kurzum: Ja, Disney-Filme sind länger geworden, und ja, Fluch der Karibik war dafür die Initialzündung. Das Piraten-Abenteuer hat mit seinem Kassenerfolg bewiesen, dass Disney auf ein älteres Publikum mit größerem Sitzfleisch abzielen kann und sich von kompakten Familienkomödien als Realfilm-Hauptgenre auf pompösere Abenteuerspektakel und ähnliche Blockbusterware verlagern kann.

Donnerstag, 12. Januar 2017

Ocars 2017: Die möglichen Nominierungen in der Sparte "Beste Kamera"


Egal, wie zynisch man an den heutigen Stand des Kinos geht: Jahr für Jahr bekommen wir neue Beispiele für hervorragende Kameraarbeit zu sehen. Sei es aufgrund der Einstellungsgröße, Kameraführung oder Ausleuchtung, sei es auf Zelluloid oder in digitaler Form. Auch 2016 stapelten sich die preiswürdigen Leistungen. Entsprechend knifflig fällt die Aufgabe aus, die möglichen Oscar-Nominierungen vorherzusagen.

Ein großer Anhaltspunkt ist allerdings der Preis der Kamera-Gewerkschaft American Society of Cinematographers. In den vergangenen Jahren wurden üblicherweise vier der Gewerkschaftsnominierungen auch beim Academy Award ausgesprochen. Die fünf ASC-Anwärter sind dieses Mal:
  • Arrival, Bradford Young
  • Lion, Grieg Fraser
  • Moonlight, James Laxton
  • Silence, Rodrigo Prieto
  • La La Land, Linus Landgren
Drei dieser Filme halte ich für garantierte Oscar-Kandidaten: Der visuell so clever konstruierte, atemberaubend schöne und dennoch distanziert-kühle Arrival mit Stanley-Kubrick-Gedenklook. Den Topfavoriten auf den Hauptpreis, La La Land, der nicht nur gut aussieht, sondern als Musical eh eine historisch betrachtet gute Chance auf Kamera-Nominierungen hat. Und Moonlight, den bildgewaltigen zweiten Topanwärter auf den Hauptpreis.

Damit wären drei "Frischlinge" (zumindest im Hinblick auf ihre Oscar-Vergangenheit) sicher im Rennen. Da die Academy in dieser Kategorie gemeinhin auf alte Bekannte setzt, ist Rodrigo Prieto (schon einmal nominiert) für den nebligen Scorsese-Film Silence ebenfalls ein guter Tipp. Im ASC-Feld erscheint mir Oscar-Jungfrau Grieg Fraser für die sonnig-stickigen Landschaften in Lion der schwächste Kandidat für eine Oscar-Nominierung zu sein - auch deshalb, weil sein Film keinerlei Awardsbuzz aufbaut, obwohl er vorab hoch gehandelt wurde.

Um abzuwägen, ob ich in meiner Prognose auf Prieto, Fraser oder beide verzichten sollte, lohnt es sich, die weiteren Kameraleistungen, die Teil des Awardsaison-Gesprächs sind, kurz zu überblicken:

"Oscar-Veteranen"
  • Nocturnal Animals, Seamus McGarvey (zweifach nominiert, nach Vorabhype und Mini-Backlash nach Start gewinnt Tom Fords zweite Regiearbeit an Buzz. Ich finde es eine von McGarveys schwächeren Arbeiten, aber dass er hübsche Menschen in eindrucksvollen Kostümen, Kulissen und Landstrichen abfilmt, könnte ihm helfen)
  • Live by Night, Robert Richardson (neun Nominierungen und drei Oscar-Siege, der Film hat eher negativen Buzz, doch die farbintensiven Nachtbilder hinterlassen Eindruck)
  • Hail, Caesar!, Roger Deakins (13-fach nominiert, perfekt imitierende, elegante Old-Hollywood-Hommage)
  • Regeln spielen keine Rolle, Caleb Deschanel (5-fach nominiert, Warren Beattys den Filmtitel wortwörtlich nehmender Kassenflop hat einen speziellen Look - sollten einige wagemutigere Kameraleute diesen Film gesehen und gemocht haben, wer weiß ..?)
"Oscar-Frischlinge" mit dem "richtigen" Film
  • Hell or High Water, Giles Nuttgens (routinierte Wüstenbilder, die BAFTA-nominiert sind)
  • Jackie, Stéphane Fontaine (stimmungsvoll-atmosphärische, grieselige Aufnahmen in einem smarten Biopic)
  • Captain Fantastic, Stéphane Fontaine (hübsche, mit Lichtbrechungen spielende Waldaufnahmen im ersten Akt)
  • American Honey, Robbie Ryan (honigfarbene, stimmige 4:3-Impressionen der mittleren USA)
  • Manchester by the Sea, Jody Lee Lipes (über die Bildsprache dieses starken Dramas wird kaum ein Wort verloren, aber wenn die Kameraleute den Film wirklich mögen ..?)
Wer weiß?
  • Die Taschendiebin, Chung Chung-hoon (viel besprochener, stilvoll gefilmter nicht-englischsprachiger Film. Das klappt dann und wann mit der Oscar-Nominierung!)
  • The Light Between Oceans, Adam Arkapaw (stark gefilmt, malerischer Look, doch der Film ging unter wie eine Bleiente)
  • The Witch, Jarin Blaschke (kalt, nass-grau, rudimentär, viel natürliches Licht, von Kritikern gehypter, doch Oscar-unfreundlicher Film)
  • The Neon Demon, Natasha Braier (wenn Refns Drive schon nicht nominiert wurde, dann garantiert auch nicht dieser Film, selbst wenn es völlig verdient wäre)
  • BFG, Janusz Kaminski (Oscar-Veteran mit einem hässlichen, untergegangenen Film)

Aus dem obigen Pool gebe ich Hell or High Water, Jackie, Live by Night und Nocturnal Animals die größten Chancen. Bei Live by Night stellt sich die Frage, ob Richardsons Name und Arbeit den bleischweren Antihype des Films überkommen kann, bei Jackie, wie viele sich auf den Film eingelassen haben.

Langer Rede, folgender Sinn: Ich sehe Oscar-Nominierungen voraus für:
  • Arrival, Bradford Young
  • Hell or High Water, Giles Nuttgens
  • Jackie, Stéphane Fontaine
  • Moonlight, James Laxton
  • La La Land, Linus Landgren

Freitag, 6. Januar 2017

Freitag der Karibik #24



Während wir Piratenliebhaber gebannt auf den nächsten Trailer zu Pirates of the Caribbean: Ich bin wirklich gespannt, ob man den Film in einigen europäischen Ländern anders untertiteln wird als in den USA warten, habe ich hier für euch das prominente Musikstück aus dem ersten Teaser.

Es reicht zwar längst nicht an die epochalen, geradezu göttlichen Zusammenschnitte der Trailer zu Teil zwei und drei heran, aber es ist meiner Ansicht nach wesentlich atmosphärischer, als das, was für Fremde Gezeiten zusammengeschnipselt wurde.

Donnerstag, 5. Januar 2017

Oscars 2017: Die Drehbuch-Kategorien


Die Drehbuch-Kategorien beim Oscar sorgen immer wieder für Spannung, sind sie doch ein Mix aus den großen Favoriten auf den Hauptpreis und einigen originellen, verqueren Autorenstücken. Zudem lassen sie sich nicht ganz so einfach vorhersagen, wie es wohl vielen von uns Oscar-Nerds lieb wäre. Denn der wichtigste Indikatorpreis, der Award der Autorengewerkschaft, verfolgt andere Regeln. So können nur Werke von Gewerkschaftsmitgliedern nominiert werden, was einige Topskripts ausländischer Drehbuchautoren aus der Gleichung nimmt. Außerdem sind Trickfilm-Drehbücher nicht mit den Leitlinien der Writer's Guild Awards vereinbar. Und schlussendlich haben die WGA und die Academy mitunter ganz eigene Vorstellungen davon, was adaptiert ist und was ein Original ausmacht.

Bevor ich versuche, die Academy-Nominierungen in den Drehbuchkategorien vorherzusagen, möchte ich zur Orientierung die jeweils fünf Nominierten in den Sparten für das beste Original-Drehbuch und das beste adaptierte Drehbuch auflisten und kurz darauf eingehen.

Bestes Original-Drehbuch (WGA)
- Hell or High Water, Taylor Sheridan
- La La Land, Damien Chazelle
- Loving, Jeff Nichols
- Manchester By The Sea, Kenneth Lonergan
- Moonlight, Barry Jenkins

Damien Chazelles wunderschönes, nostalgisches Musical La La Land kündigt allerspätestens durch diese Nominierung seinen Oscar-Lauf an. Denn das von Kritikern gefeierte Werk des Whiplash-Regisseurs hatte bei kritischeren Branchenbeobachtern bislang eine Achillesferse: Das Drehbuch. Ein letzter Schliff würde fehlen, finden manche, die sich nicht von diesem Film haben verzaubern lassen. Dass nun die Autoren ihren Rückhalt für La La Land signalisieren, könnte großes bedeuten.

Erwähnenswert ist zudem, dass Loving, den ich selber noch nicht gesehen habe, auch in den Augen vieler Liebhaber dieses Dramas mehr von der Inszenierung und den Darstellern lebt, und weniger von Story, Struktur oder Dialogen. Also eine streitbare Nominierung ...

Bestes adaptiertes Drehbuch (WGA)
- Arrival, Eric Heisserer; basierend auf Story of Your Life von Ted Chiang
- Deadpool, Rhett Reese & Paul Wernick; basierend auf der Deadpool-Comics
- Fences, August Wilson; baserend auf seinem Theaterstück
- Hidden Figures, Allison Schroeder und Theodore Melfi; basierend auf dem Sachbuch von Margot Lee Shetterly
- Nocturnal Animals, Tom Ford; basierend auf dem Roman Tony and Susan von Austin Wright

Ui, sogleich zwei Filme unter den Nominierungen, die ich böse überschätzt finde: Deadpool, der nur halb so cool, subversiv und das Genre feierlich umkrempelnd ist wie die längst nicht so umjubelten Kick-Ass-Filme. Und Nocturnal Animals, die mit dem Vorschlaghammer als anspruchsvoll verkaufte, filmische Version dessen, was das kleine Einmaleins der Binnenfiktion anbelangt.

Nicht für den WGA Award qualifiziert, wohl aber für den Oscar, sind die bei anderen Preisen berücksichtigten Skripts zu Findet Dorie, The Lobster, Miss Sloane, Zoomania und Florence Foster Jenkins. Außerdem wichtig: Moonlight sowie Loving gelten bei den Oscars als adaptierte Skripts. Angesehen und WGA-qualifiziert, aber nicht nominiert, sind übrigens unter anderem die Skripts zu Sully, Silence, Love & Friendship, 20th Century Women und Jackie.

Aus diesem Pool gilt es nun, die Oscar-Nominierungen zu erraten. Ich beginne mit den adaptierten Skripts, weil sich hier durch die Regularien der Academy mehr heiße Anwärter tummeln:

Bestes adaptiertes Drehbuch (Oscar-Prognose)
- Arrival, Eric Heisserer; basierend auf Story of Your Life von Ted Chiang (Smart, berührend, groß gefeiert)
- Fences, August Wilson; baserend auf seinem Theaterstück (Großer Achtungserfolg)
- Hidden Figures, Allison Schroeder und Theodore Melfi; basierend auf dem Sachbuch von Margot Lee Shetterly (Publikumsliebling, emotional und inspirierend - echter Academystoff)
- Lion, Luke Davies; basierend auf Saroo Brierleys Autobiografie (geachteter Film, der aber kein Awards-Momentum gewinnt, Drehbuchnominierung als Weg, wenigstens die Story zu würdigen)
- Moonlight, Barry Jenkins; basierend auf dem Theaterstück In Moolinght Black Boys Look Blue von Tarell Alvin McCraney (Aufwühlende Geschichte mit großem Oscar-Buzz)

In der Sparte für das beste Original-Drehbuch gilt es, die Moonlight und Loving-Lücken zu schließen - und abzuwägen, ob die verbliebenen Skripts der restlichen Konkurrenz standhalten können. Ich würde mutmaßen: Ja. Auch wenn mir Hell or High Water gefallen hat, kann ich nicht ganz nachvollziehen, weshalb sein Skript solchen Buzz genießt, aber nach diversen Awards-Nominierungen ist das neue Werk des Sicario-Autoren Taylor Sheridan eines der großen Branchengespräche. La La Land macht seine etwaigen Paching-Probleme durch "Bester Film"-Buzz und zahlreiche, clevere, die Geschichte bereichernde Verweise wett und Manchester by the Sea hat sogar bereits einige Drehbuchpreise in der Tasche.

Stellt sich also bloß die Frage, welche Skripts die zwei vakanten Slots ausfüllen. Ich denke, The Lobster ist sicher mit dabei - die hier Abstimmungsberechtigten Academy-Mitglieder, die auf solche Autoren wie Wes Anderson stehen, werden sich hinter diese ungewöhnliche Liebesgeschichte stellen. Slot fünf lässt mich ratlos zurück: Der die Zeichen der Zeit lesende und kommentierende Zoomania, das intensive Psychogramm Jackie oder die beliebte Dramödie 20th Century Women? Vielleicht doch Indie-Darling Captain Fantastic? Mein Bauch tippt auf:

Bestes Original-Drehbuch (Oscar-Prognose)
- Hell or High Water, Taylor Sheridan
- Jackie, Noah Oppenheim
- La La Land, Damien Chazelle
- The Lobster, Efthymis Filippou & Yorgos Lanthimos
- Manchester By The Sea, Kenneth Lonergan

Und was sind eure Prognosen?

Mittwoch, 4. Januar 2017

Independence Day: Wiederkehr


Wie ihr wisst, kam 1996 der Katastrophenfilm Independence Day in die Kinos. Und der war, bekanntermaßen, ein gigantischer Erfolg: Über 815 Millionen Dollar wurden weltweit eingespielt – und das bei einem Budget von 75 Millionen Dollar. Ihr erinnert euch vielleicht. Seither sind, wie ihr sicher bemerkt habt, 20 Jahre vergangen. Nun bringt Regisseur Roland Emmerich, der, wie man weiß, aus dem Schwabenländle stammt, Independence Day: Wiederkehr in die Kinos. Dabei handelt es sich, wie ihr euch sicher denken könnt, um die Fortsetzung zu Emmerichs Kassenkracher Independence Day. Der, wie gesagt, 1996 anlief und ein Einspielergebnis von mehr als 815 Millionen Dollar generierte.

Wem sich bereits bei diesem einleitenden Absatz die Nackenhaare sträuben, sollte sich bei Independence Day: Wiederkehr darauf gefasst machen, dieses schaurige Gefühl zwei Stunden lang zu haben. Denn das Autoren-Team hinter dem 165 Millionen Dollar schwerem Sequel greift wiederholt auf derartige, bemühte Expositionsfloskeln zurück. Nicht nur, dass sich Figuren gegenseitig erklären, wie lange sie sich bereits kennen und welche Ausbildung sie gemeinsam genossen haben. Sie kündigen es auch noch mit „wie du weißt“ und ähnlichen Formulierungen an.

Vor allem das erste Drittel dieser Science-Fiction-Produktion holpert und poltert aufgrund solch dämlicher Versuche, dem Publikum zu erklären, was sich in der Independence Day-Filmwelt in den vergangenen zwanzig Jahren so getan hat. Egal, ob Dinge selbsterklärend sind, sich aus dem Kontext erschließen lassen oder dazu einladen, durch eine peppige Erläuterung unterhaltsames Geplänkel loszutreten: Immer und immer wieder gehen die Drehbuchautoren den einfallslosesten, drögesten Weg, um die Hintergründe einer Figur, einer Begebenheit oder einer im Film gezeigten technologischen Entwicklung begreiflich zu machen.

Selbst all jene Zuschauer, die von einem Blockbuster keinerlei Anspruch, sondern schiere Unterhaltung erwarten, werden von Emmerich und seinen Ko-Autoren somit für dumm verkauft. Schließlich bedeutet pompöses Entertainment nicht, dass lange Strecken des Dialogbuches in Ermangelung gewitzter Wortwechsel langweilig sein müssen. Vor allem, wenn es wie im Falle von Independence Day: Wiederkehr ein durchaus spannendes Filmuniversum kreiert: Nach der gescheiterten Alien-Invasion aus Independence Day (wir erinnern uns: dies ist der Vorläufer von Independence Day: Wiederkehr, also von dem Film, von dem diese Kritik handelt) haben die Völker dieser Welt Frieden geschlossen. Gemeinschaftlich hat die Menschheit die Alien-Technologie erforscht.

Dank der so gewonnenen Erkenntnisse wurde eine große Mond-Basis erbaut, die als Schutzbastion dienen soll, käme es eines Tages zu einer erneuten Attacke. Und tatsächlich: Die Außerirdischen haben sich auf einen zweiten Angriff vorbereitet – und haben dieses Mal mit einem noch viel größeren Raumschiff Kurs auf die Erde genommen …

Nachdem alles Nötige holprig erklärt und diverse unnötigen Informationen ausformuliert wurden, und ein Wissenschaftler seinem im Koma liegenden Lebenspartner gesagt hat, dass er seit über 7.000 Tagen im Koma liegt, nimmt Independence Day: Wiederkehr endlich Fahrt auf. Die Dialoge sind im zweiten und finalen Drittel zwar weiterhin alles andere als denkwürdig, doch sobald die misslungenen Erläuterungen wegfallen, ist zumindest mehr Raum für kurzweilige Scherzchen. Unter den Neuzugängen ulken sich insbesondere Travis Tope (#Zeitgeist) sowie ein ungewohnt locker und unbeschwert wirkender Liam Hemsworth (Die Tribute von Panem-Reihe) mit Timing und Engagement durch das Geschehen.

Während das von Hemsworth und Tope verkörperte Piloten-Duo dank der Chemie zwischen den Darstellern positiv ins Auge sticht, geht Jessie Usher (When the Game Stands Tall) als Spitzenpilot vollkommen unter. Ärgerlich, immerhin spielt Usher den Stiefsohn der markigen Rolle Steven Hiller, die Will Smith im Erstling verkörperte. It Follows-Entdeckung Maika Monroe wiederum weist als Patricia Whitmore, Tochter des von Bill Pullmann im ersten Teil gespielten US-Präsidenten, Charme und (im Bereich der hier gebotenen Möglichkeiten) Wandlungsfähigkeit auf. Das Drehbuch gibt der Jungschauspielerin wenig Material, um diese Figur zu einem glaubwürdigen Leben zu erwecken, dennoch gelingt es Whitmore, ihre Rolle als Stichwortgeberin, sarkastische Sprücheklopferin, mutige Heldin und fürsorgende Tochter durch ihre Szenen zu bringen.

Der Großteil der restlichen Independence Day-Novizen ist dagegen nicht weiter der Rede wert, sind sie doch allesamt minimale Variationen des Standardfigurenrepertoires solcher globaler Katastrophengeschichten. Und wenn selbst eine Charlotte Gainsbourg (Nymphomaniac) in der gewaltigen Masse an Figuren verschwindet und cartoonige Ansätze wie die eines Aliens zermetzelnden Warlords zurückstecken müssen, dann spricht das zweifelsfrei von vergeudetem Potential. Wenigstens die alte Riege weiß Emmerich noch (zumeist) gekonnt einzusetzen: Jeff Goldblum stammelt und grübelt und mosert als Wissenschaftler David Levinson erneut formidabel vor sich hin. Bill Pullman hat als US-Präsident außer Dienst dank seiner Ausstrahlung und einer dem Tonfall des Films angepassten, zwar ernsthaften, aber nie überdramatischen Performance durchaus Gravitas. Und Brent Spiner, einer der heimlichen Zuschauerlieblinge des Originals, ist als ungepflegter Wissenschaftler Dr. Brakish Okun auch trotz sich wiederholender Dialogpassagen ein weiteres Mal für mehrere Lacher gut.

Bloß Vivica A. Fox‘ Auftritt wird von Emmerich arg unzeremoniell abgehakt, während Judd Hirsch als Levinsons Vater wieder jede Menge Chaos verursacht – vielleicht mehr, als es der Dramaturgie gut tut. Denn angesichts der bestenfalls durchwachsenen Mini-Subplots rund um die neuen Figuren sowie der in der ersten Filmhälfte wenig packenden Actionsequenzen (die Zerstörung Londons ist trotz ruhiger Kameraarbeit ein einziges, chaotisches Effektgewitter) kommt eh nur wenig Spannung auf. In der zweiten Filmhälfte drosselt Emmerich seinen „Wie voll kann ich das Bild stopfen?“-Eifer etwas, was prompt in schmissigere Actionszenen mündet.

Mit einer für Kino-Zerstörungsorgien knackigen Laufzeit von 120 Minuten, einer guten Prise Humor und genügend Schauplatzwechseln, um Abwechslung in die Angelegenheit zu bringen, hat der musikalisch austauschbar untermalte zweite Independence Day-Film also durchaus ein paar Pluspunkte zu bieten. Neben den lahmenden Expositionsgesprächen, einer Schar an uninteressanten Figuren und der schalen Action in der ersten Hälfte reicht das dennoch nicht, um Independence Day: Wiederkehr auch nur in die Umlaufbahn des beliebten Vorgängers zu schießen.

Dienstag, 3. Januar 2017

Oscars 2017: Wer wird für den besten Schnitt nominiert?


Die Gewerkschaft der amerikanischen Cutterinnen und Cutter hat gesprochen und die Nominierungen für ihren Gildenpreis bekannt gemacht, den Eddie! Der Gewerkschaftspreis der Cutter ist ein wertvoller Indikator dafür, welche Filme sich in der Schnitt-Sparte im Rennen befinden, sprechen doch für beide Awards oftmals dieselben Leute die Nominierungen aus. Daher liste ich nachfolgend alle Eddie-nominierten fiktionalen Filme auf, ehe ich auf etwaige Snubs eingehe und mich an einer Prognose wage:

Bester Schnitt eines Dramas
- Arrival, Joe Walker
- Hacksaw Ridge, John Gilbert
- Hell or High Water, Jake Roberts
- Manchester by the Sea, Jennifer Lame
- Moonlight, Nat Sanders & Joi McMillon

Bester Schnitt einer Komödie
- Deadpool, Julian Clarke
- Hail, Caesar!, "Roderick Jaynes"
- The Jungle Book, Mark Livolsi
- La La Land, Tom Cross
- The Lobster, Yorgos Mavropsaridis

Bester Schnitt eines Animationsfilms
Kubo - Der tapfere Samurai, Christopher Murrie
- Vaiana, Jeff Draheim
- Zoomania, Fabienne Rawley & Jeremy Milton

Bemerkenswerte Schnittarbeit leisteten zudem Blu Murray, der Sully prägnant und zügig hält, diversen Kritiken zufolge Thelma Schoonmaker in Silence (den ich noch nicht gesehen habe), Alexandre de Francheschi in Lion (dito) und Sebastián Sepúlveda in Jackie, der aus dem Film einen verständlichen Wust aus Assoziationen, Erinnerungen und Erzählebenen macht, der die traumatisierte Befindlichkeit der Titelfigur perfekt einfängt.

Von den genannten Eddie-Snubs traue ich Sully und Jackie durchaus zu, irgendwie mitzumischen, da sie sehr innige Liebhaber haben und zudem sehr von einer versierten Schnittarbeit abhängig sind. Jedoch ist schon das Eddie-Feld sehr angesehen und stark. Als gesetzt sehe ich das zurecht umjubelte Musical La La Land, den in Sachen Schnitt durchaus an Jackie erinnernden Sci-Fi-Film Arrival und den von vielen Seiten ob seines Handwerks geachteten Hacksaw Ridge.

Für die zwei übrig gebliebenen Slots heißt es: Abwägen. Manchester by the Sea hatte früher im Oscar-Rennen Buzz, aktuell befinden sich Hell or High Water und Moonlight im Aufwind. Daher glaube ich, dass zwei Filme aus diesem Trio weiterziehen werden. Da ich Hell or High Water und Moonlight erst später zu Gesicht bekomme, muss ich mich da auf die Kritiken verlassen, und tippe mit leichtem Bauchgrimmen auf dieses Oscar-Feld:
  • Arrival
  • Hacksaw Ridge
  • Hell or High Water
  • La La Land
  • Manchester by the Sea

Montag, 2. Januar 2017

Office Christmas Party


Firmen-Weihnachtsfeiern. Da gibt es die langweilige, steife, nüchterne Variante, bei der alle Beteiligten so sehr darum besorgt sind, ja keine Grenzen zu überschreiten, dass der Spaß völlig von der gebotenen Umsichtigkeit verschluckt wird. Und dann gibt es die berühmt-berüchtigten, wilden Saufgelage, bei denen jegliche Firmenhierarchien und Benimmregeln in einer aggressiven Mischung aus Alkohol, Sexualgelüsten und wummernder Musik aufgelöst werden. Beide Spielvarianten der Firmen-Weihnachtsfeier haben ihre Verteidiger und ihre Gegner. Klar ist aber: Die feucht-fröhliche, chaotische Weihnachtsfeier ist wesentlich leinwandtauglicher.

Dass dem grellen Partytrubel mit Office Christmas Party sogleich ein ganzer Film gewidmet wird, dürfte all jene Filmfreunde verschrecken, die beim Gedanken an Feier-Schabernack-Komödien von vornherein die Nase rümpfen. Nach zahlreichen Junggesellenabschiedsfilmen, auf die Leinwand gebrachten Hochzeitspartydebakeln und Abschlussballkomödien nun also die Königsklasse des Danebenbenehmens und der Fremdscham? Ho ho holy shit, ja: Das Regie-Duo Will Speck & Josh Gordon (Die Eisprinzen) schmeißt hier eine 105-minütige derbe Sause, die sich auf Missverständnisse, dreckige Sprüche, weihnachtlich-versoffenen Unfug und die obligatorischen Firmenliebeleien verlässt. Es ist also genau das, was der Titel verspricht und das Konzept hergibt – Anspruch hat da Hausverbot.

Wobei es dankenswerterweise nicht so ist, als hätten sich Speck & Gordon ein Vorbild an Machwerken wie Project X genommen, dem Archetypen der ätzenden Partyfilme: „Ich hab sturmfrei, kommt her und macht bei mir Party – Der Film“ ist mit unausstehlichen, dysfunktionalen Figuren vollgestopft und klatscht seinem Publikum in liebloser Bildsprache wahllos Szenen einer Sauf-und-Rüpel-Orgie um die Ohren. Die von Dan Mazer (Das hält kein Jahr ..!), Laura Solon (Fast and Loose) und Newcomer Justin Malen verfasste Festtags-Büro-Party hingegen erfindet zwar keine denkwürdigen Protagonisten, die so liebenswert sind, dass man mit ihnen mitfiebert wie mit alten Freunden. Als amüsante Karikaturen der Persönlichkeiten, die sich in praktisch jedem Großbüro vorfinden, haben die Office Christmas Party-Figuren allerdings genügend komödiantisch verzerrtes Identifikationspotential, dass man seine Kinozeit gerne mit ihnen verbringt.

Anders als bei der dysfunktionalen Capitol Versicherung aus Stromberg ist die hier feiernde Chicagoer Filiale der fiktiven Telekommunikationsfirma Zenotek zudem recht harmonisch – was dem unerwartet ausführlichen Alibiplot in die Karten spielt: Unter der Führung von Clay Vanstone (knuffig-verpeilt: T. J. Miller) sind die Geschäfte leicht über dem Industrieschnitt gewachsen. Da seine ihm vorgesetzte Schwester Carol (wundervoll-biestig: Jennifer Aniston) aber seit eh und je Groll auf Clay hegt, stellt sie unerreichbare Erfolgsforderungen und droht, die Filiale pünktlich zu den Weihnachtsfeiertagen dicht zu machen. Nur ein Sensationsdeal kann die Belegschaft vor der Arbeitslosigkeit retten. Und um diesen Deal an Land zu ziehen, schmeißt Clay die Weihnachtsfeier aller Weihnachtsfeiern, auf welcher der altmodische „Ich kooperiere nur mit sympathischen Unternehmen“-Großkunde Walter (solide: Courtney B. Vance) an Land gezogen werden soll.

Dieser Plotmotor gerät zwar beim entstehenden Tohuwabohu irgendwann ins Hintertreffen, um stattdessen Platz für Miniplots der Marke „Wer kriegt wen?“ und „Wo zum Henker ist unser Chef hin?“ zu machen. Dennoch funktioniert die Story, da der lange, durch viel Dialogwitz kurzweilig gehaltene Vorlauf die Zenotek-Mitarbeiter ansprechend einführt – und obendrein die Drehbuchautoren stringent aufgebaute Abläufe mit der einen oder anderen skurrilen Überraschung aufmischen.

Trotzdem: Kaum wer wird Office Christmas Party wegen der Story sehen wollen und schätzen lernen. Im Mittelpunkt steht die Parade an bestens aufgelegten, comedyerfahrenen Darstellern, wie Olivia Munn als aufgeweckte IT-Managerin, die ihr Interesse am technischen Leiter der Firma, einem trocken-humorigen Jason Bateman, denkbar schlecht verdeckt. Saturday Night Live- und Ghostbusters-Darstellerin Kate McKinnon punktet als zugeknöpfte, keinen Spaß verstehende Chefin der Personalabteilung, die in fast allem eine potentielle Regelübertretung sieht, selber aber einige sehr schräge Charakterzüge aufweist – sie ist also die menschgewordene, verrückte Zwillingsschwester von Muppet-Adler Sam. In weiteren Nebenrollen ulken sich Rob Corddry (Sex Tape), eine süffisant-bipolar agierende Jillian Bell (22 Jump Street), Vanessa Bayer (Dating Queen) und Randall Park (Fresh Off the Boat) ansteckend gut gelaunt durch den Partyunsinn.

Generell gilt bei dieser 45-Millionen-Dollar-Produktion: Sie beginnt dezent karikierend und steigert sich immer stärker in einen Partywahnsinn. Da Office Christmas Party sich dabei aber nicht ganz auf einen Tonfall einigen kann und mal „verrückt, aber herzlich“, dann doch „vulgär und rüde“ agiert, gibt es zwischendurch einige Rohrkrepierer – vornehmlich in Form von Gags, die einfach nicht in die Stimmung zu passen scheinen, die Speck & Gordon in der restlichen Sequenz gerade aufzubauen scheinen. Dass darüber hinaus im Finale das Handeln der Figuren in unironischen Monologen erklärt wird, nimmt Office Christmas Party gen Schluss etwas seiner zuvor aufgebauten, irren Energie.

Dennoch: Selbst wenn Office Christmas Party etwas zügiger erzählt werden und seinen Partytrubel mit noch mehr kreativen Albernheiten würzen müsste, ist diese X-Mas-Gaudi dank seines jeden Spaß mitmachenden Ensembles sowie einer hohen Gagdichte ein kurzweiliger Vertreter des Partykomödiengenres. Genregegner werden Speck & Gordon damit wohl kaum bekehren – wer aber dringend räudigen Weihnachtsspaß sucht, wird hier zwar nicht zur Ekstase gebracht, jedoch mit Kurzweil beschert.

Fazit: Aus dieser Office Christmas Party nimmt man keinen Hangover und auch keine Mitangestellten, sondern ein mildes bis zufriedenes Lächeln mit nach Hause.

Diese Kritik erschien zuerst bei Quotenmeter.

Sonntag, 1. Januar 2017

Meine Gedanken zum Kinojahr 2016


2016 liegt hinter uns, und somit das Jahr, das in den sozialen Netzwerken (und nicht nur dort) auf fast schon lachhafte Weise zum wandelnden Comicsuperschurken unter den Jahren hochstilisiert wurde. Natürlich lief 2016 wahrlich nicht alles optimal (vor allem politisch) und selbstredend gab es 2016 prominente Verluste, die schwer zu verkraften waren. Aber, haltet euch fest, denn nun kommt der Megaschocker: Es gibt jedes Jahr Promitode und jedes Jahr welt- und/oder gesellschaftspolitische Entwicklungen, bei denen es einem den Magen umdreht. 2016 so sehr zu personifizieren, wie es passiert ist, wandelte sich vom kurzen, kleinen Gag zum überreizten Running Joke hin zu einem halboffiziellen, idiotischen Glauben.

Ähnliches geschah auch beim exklusiven Blick auf das Kinojahr: Es genügte eine Riege an misslungenen, doch erfolgreichen Blockbustern wie Batman v Superman: Dawn of Justice, Suicide Squad oder (am weltweiten Einspielergebnis gemessen) Warcraft: The Beginning sowie eine Riege an enttäuschenden bis sehr schwachen Big-Budget-Produktionen, die meilenweit unter den wirtschaftlichen Erwartungen geblieben sind (darunter: X-Men: Apocalypse, Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln, Independence Day: Wiederkehr und BFG sowie Die Bestimmung – Allegiant), und schon setzte sich ein Gedanke felsenfest in die Köpfe der Filmliebhaber. 2016, das schlechteste Kinojahr der Geschichte.

Was für ein grober Unsinn! 2016 bescherte uns zahlreiche unterhaltsame, stylische, kluge und denkwürdige Filme. Es waren nur selten die Produktionen, auf die schon zwölf Monate zuvor ungeduldig hingefiebert wurde. Das macht 2016 aber zu keinem mieseren Filmjahr.

Was sich 2016 allerdings sehr wohl abzeichnete: Aus der seit einigen Jahren schlicht dazugehörenden Reibungsfläche zwischen Franchisefans, Durchschnittspublikum und Kritikerzunft wurde ein anstrengendes, lärmendes Dauergetöne. Hatte ein Film 2016 ein Budget von 150 Millionen Dollar aufwärts, war Internetkritikern quasi jede Meinung verboten. Positive Batman v Superman-Kritiken stammten demnach von dummen, blinden DC-Fanboys und prahlenden Antimainstreamblendern, negative Kritiken von Snobs, Marvel-Fanboys und snobistischen Marvel-Fanboys, die geschmiert wurden. Ghostbusters? Wer den mag, ist ein feiger, sich bei Frauen einschleimender Idiot, wer ihn nicht mag schwimmt nur auf der Welle mit. Warcraft: The Beginning? "Öh, du hast nur zu wenig Ahnung vom Spiel!" bei Negativkritiken, "Äh, du hast nur Angst vor den Fanboys" bei den Positivkritiken. Und. So. Weiter. Der Filmdiskurs im Jahr 2016 war ein stotternder, galliger Dreifrontenkrieg zwischen Hatern, Allesbejublern und denen, die verzweifelt versuchen, in Ruhe jeden Film einfach nur für sich stehend zu betrachten. Leute, das muss sich 2017 ändern!

Eine schönere Entwicklung im Jahr 2017: Auch abseits der Nische wird das Kino diverser, mit besseren Frauenbildern selbst in Vulgärkomödien (etwa: Bad Neighbors 2, Mike and Dave Need Wedding Dates), ethnisch breiter gefächerten Blockbuster-Ensembles (zum Beispiel: Rogue One, Die glorreichen Sieben, die Original-Sprecherlisten von Vaiana und Zoomania) und einer Vielzahl an Filmen, die vorurteilsfrei und ohne Stigmatisierung aus der Heteronormativität geschritten sind.

Dessen ungeachtet kommt so ein Kinojahr kaum ohne Enttäuschungen und Frustrationen aus, selbst abseits meiner Flops. The Witch wurde meiner Ansicht nach seinem Hype nicht gerecht, sondern ist schlicht die Aussage "Fanatismus ist nicht gut!" in Dauerschleife, wenngleich gut gespielt und atmosphärisch. Das Biopic Die Poesie des Unendlichen macht zu wenig aus seinem naturwissenschaftlichen Culture Clash und ist somit nur laffe Massenware, Stolz und Vorurteil & Zombies fehlt der nötige Biss, Creed - Rocky's Legacy hat zwar eine gute Kameraarbeit und einen tollen Hauptdarsteller, ist mir aber letztlich zu klischeehaft und zwischendurch in der Dramaturgie sowie der Inszenierung zu sehr am Selbstzweck behaftet, weshalb ich ihn gemeinsam mit "Machos in den 80er-Jahren waren schwer erträglich - Der Film" alias Everybody Wants Some!! für zwar passabel, doch arg überbewertet halte. Und der in einigen Jahresbestenlisten auftauchende Love & Friendship hat auch nur einige brillante Minuten in einem Meer aus Kostümfilmdurchschnitt zu bieten. Von Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind will ich gar nicht erst anfangen ... Obwohl: Hey, er ist wesentlich kompetenter gemacht als Suicide Squad, der ein handwerkliches Lehrstück darstellt, was Produktionschaos alles verursachen kann - aber dabei ist er wenigstens so vollgestopft und zügig, dass er im Gegensatz zu Fantastic Four aus dem Vorjahr nicht anödet.

Umso schöner waren die besonderen Kinobesuche meines Filmjahres. Darunter befanden sich zwei Besuche der The Hateful Eight-70mm-Roadshow, diverse Sneaks, ein Double-Feature der Bad Neighbors-Filme, die (natürlich interaktive) Rocky Horror Picture Show, ein Tron-Double-Feature und mein obligatorisches Geburtstagsspecial, bei dem ich meine Freunde mit Hinweisen gebenden Trailern verwirre, ehe ein mir am Herzen liegender Film läuft. Schön war's, Leute, ich freue mich auf's nächste Mal!

Und somit: Ich wünsche euch allen ein schönes 2017!